15. Dezember 2023
Green Claim Arzneimittel Medizinprodukt
Environment and Climate Change (ESG)

Sustainability-Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte

Auch im Gesundheitssektor gewinnen nachhaltigere Produkte mehr und mehr an Bedeutung. Welche rechtlichen Vorgaben gelten hier für umweltbezogene Aussagen?

Insbesondere bei alltäglichen Produkten, wie beispielsweise zur Wundversorgung oder zum Einsatz bei Inkontinenz, aber auch bei Arzneimitteln, die täglich mit einem Injektions- oder einem Inhalationsgerät verabreicht werden, schauen Verbraucherinnen und Verbraucher gezielter auf umweltbewusstere Alternativen. Dies mag Anlass genug für Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „recycelbar“ sein.

In diesem Beitrag geben wir einen Überblick, was bei umweltbezogenen Aussagen für Arzneimittel und Medizinprodukte bereits jetzt zu beachten ist und welche rechtlichen Vorgaben auch für diesen Bereich für die Zukunft zu erwarten sind. 

Status Quo: Irrführungsverbote für Arzneimittel und Medizinprodukte

Für die Werbung für Arzneimittel gelten insbesondere die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Danach ist eine Werbung insbesondere dann irreführend und unzulässig, wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Zusammensetzung oder Beschaffenheit gemacht werden (vgl. § 3 HWG). Bei der Werbung für Arzneimittel muss immer gezielt nach dem Adressaten (Fachkreisangehöriger oder Laie) unterschieden werden. Gegenüber Laien ist die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unzulässig. 

Für die Werbung für Medizinprodukte gelten insbesondere die Vorgaben der Medizinprodukte-Verordnung (MDR, Verordnung [EU] 2017/745). Danach sind irreführende Angaben untersagt, die dem jeweiligen Produkt Funktionen und Eigenschaften zuschreiben, die es nicht besitzt (vgl. Art. 7 lit. a) MDR).

Des Weiteren gelten für die Werbung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und deren Verpackung auch die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Umweltbezogene Werbeaussagen für Arzneimittel und Medizinprodukte müssen sich bereits heute an diesen Maßstäben messen lassen und dürfen den Adressaten – sei es Arzt oder Laie – nicht in die Irre führen. Gegenwärtig enthalten die vorstehend genannten rechtlichen Vorgaben noch keine spezifischen Regelungen zu umweltbezogenen Werbeaussagen, die über das Irreführungsverbot hinausgehen.

Neue Regelungen zu umweltbezogenen Werbeaussagen auf EU-Ebene angekündigt

Wie wir bereits in den vorherigen Beiträgen dieser Blogserie berichtet haben, hat die Kommission am 22. März 2023 den Vorschlag für eine Richtlinie zu sog. „Green Claims“ (COM [2023] 166 final 2023/0085 COD, im Folgenden: „GCD“) veröffentlicht. Dem vorausgehend sollen auch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) und die Verbraucherrechte-Richtlinie um spezifische Regelungen für umweltbezogene Werbeaussagen ergänzt werden. Die geplanten Neuerungen dienen als Teil des Green Deals der EU dazu, die Richtigkeit und Transparenz von umweltbezogenen Werbeaussagen zu gewährleisten. Die geplanten Änderungen ergänzen sich: Während die UGP-RL das Verbot irreführender umweltbezogener Angaben regelt, betrifft die GCD die spezifischen Anforderungen an umweltbezogene Aussagen und deren Vorabprüfung vor ihrer Verwendung, 

Da die europäischen Richtlinien nicht auf bestimmte Produktarten beschränkt sind, sind die neuen Regelungen auch auf die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte anwendbar. Die GCD soll nach den derzeitigen Plänen jedoch nur auf den B2C-Kontext Anwendung finden.

Kern der zu erwartenden neuen Regelungen ist die Einführung einer Vorabprüfung von umweltbezogenen Claims (sog. „ex ante-Verifizierung“) durch unabhängig Prüfstelle, die vor der Verwendung der Aussagen eine Konformitätsbescheinigung ausstellen müssen, mit der bestätigt wird, dass die Aussage den Anforderungen entspricht (vgl. Art. 10 GCD). Zu den geplanten neuen Anforderungen gehört, dass umweltbezogene Aussagen durch wissenschaftlich anerkannte Nachweise belegt werden können. Allgemeine und unspezifische Umweltaussagen sollen in die  Liste der absoluten Verbotstatbestände der UGP-RL aufgenommen und damit per se verboten werden. Bei Verstößen gegen die Vorgaben der GCD drohen hohe Bußgelder (vgl. Art. 17 GCD).

Die geplante „ex ante-Verifizierung“ stellt – jedenfalls in Deutschland – ein Novum für Werbeaussagen für Arzneimittel und Medizinprodukte dar und wird für die betroffenen Hersteller einen zusätzlichen administrativen Aufwand bedeuten. Ob die Verifizierung von Umweltclaims von den gleichen Stellen durchgeführt werden können und sollten, die ohnehin bei Arzneimitteln für deren Zulassung zuständig sind und die bei Medizinprodukten, abhängig von der Risikoklasse, mit der Prüfung und Bewertung im Rahmen der vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertung befasst sind, bleibt abzuwarten. 

Detailliertere Informationen zu den geplanten Änderungen finden Sie in den vorherigen Beiträgen dieser Blog-Serie Green Claims-Richtlinie Teil I: Neue Hürden für Umweltwerbung und Teil II: Ein Blick auf die Vorgaben für Labels, die Durchsetzung der Richtlinie und die geplanten Rechtsfolgen.

Grenzen der umweltbezogenen Werbung aufgrund der Besonderheiten von Arzneimitteln und Medizinprodukten 

Die Entwicklung von nachhaltigeren Produkten und das damit einhergehende Bedürfnis der Industrie, dies nach außen, insbesondere auf der Produktverpackung, zu bewerben, dürfte aufgrund der stark regulierten Branche weitere Einschränkungen mit sich bringen. Zu den Aspekten, die Herstellende und Gewerbetreibende beachten sollten, zählen insbesondere: 

  • Einschränkungen bei der Entsorgung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.
  • Hygienevorschriften und Vorgaben der Produktzusammensetzung.
  • Für die Produktsicherheit relevante Aspekte.
  • Bestimmte Spezifikationen für Verpackung / Transport / Lagerung.
  • Bei Medizinprodukten: Mögliche Auswirkungen auf die Konformitätsbewertung und die CE-Kennzeichnung.

Stellungnahme des BVMed zur GCD

Der Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) hat am 21. Juli 2023 eine Stellungnahme zu dem Richtlinienentwurf veröffentlicht. Darin werden die Pläne der Kommission, gegen Greenwashing vorzugehen und Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Umwelt zu schützen, ausdrücklich begrüßt. Gleichzeitig betont der BVMed, dass für Medizinprodukte auch branchenspezifische Besonderheiten beachtet werden müssen:

  • Wünschenswert sei, dass im Vorfeld das Verhältnis der geplanten „ex ante-Verifizierung“ von umweltbezogenen Werbeaussagen zu den schon bestehenden Prüfverfahren für Medizinprodukte geklärt wird. Zusätzliche Überprüfungen und Zertifizierungsprozesse könnten das Zurverfügungstellen der Produkte am Markt weiter verzögern. Um zu verhindern, dass Anreize, Produkte nachhaltiger zu gestalten, gesenkt werden (weil der Außenauftritt insbesondere für kleinere Unternehmen in der Branche erschwert wird), wird vorgeschlagen, das derzeit geplante „Verbot mit Erlaubsnisvorbehalt“ und die damit einhergehende „ex ante-Verifizierung“ in eine „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ umzuwandeln.
  • Unklar sei zudem, ob ein Claim in jedem Mitgliedstaat und in der jeweiligen Landessprache von der jeweils zuständigen lokalen Stelle geprüft werden muss.
  • Kritisiert wird auch die sehr kurze Umsetzungsfrist von 24 Monaten, da eine Umstellung der Kennzeichnung bei Medizinprodukten aufwendig ist und insbesondere Auswirkungen auf die Konformitätsbewertung der Produkte haben kann.
  • Darüber hinaus fordert der BVMed, (i) an der Auswahl der zukünftig zulässigen Umweltzeichen beteiligt zu werden, (ii) Konsistenz mit bestehenden Normen und Regularien, um Widersprüche mit auf dem Markt bereits anerkannten Standards zu vermeiden, sowie (iii) eindeutige Anforderungen an die Nachweise für umweltbezogene Aussagen.

Erfahrungen aus anderen Ländern

Im Jahr 2022 gab es eine interessante Auseinandersetzung zweier Arzneimittelherstellerinnen in den Niederlanden vor der CGR (die niederländische Vereinigung zur Selbstregulierung der Arzneimittelwerbung).

Konkret ging es um eine Werbung mit der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks für ein Arzneimittel zur Behandlung von COPD und Asthma bei der Verabreichung mit einem Inhalator im Vergleich zu der Verabreichung der jeweiligen Arzneimittel mit einem Dosieraerosol („-96% Der Kohlenstoff-Fußabdruck der Behandlung wird um 96 % reduziert […]“). In der Entscheidung führt die CGR aus, dass die Verwendung der vergleichenden Aussagen gegen den Verhaltenskodex für Arzneimittel in den Niederlanden verstoße, da die Werbung den Eindruck erwecke, dass ein Vergleich mit sämtlichen Aerosolen stattgefunden habe, was nicht der Fall sei. Zudem vermittele die Werbung, dass der Fußabdruck des Inhalators eine wesentliche Eigenschaft für die Wahl des Arzneimittels sei, was laut CGR irreführend sei und ebenfalls gegen den Verhaltenskodex verstoße. Einer weiteren Beschwerde, dass die Fokussierung auf den Fußabdruck irreführend sei, da es noch weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie den Transport und die Verwendung von Kunststoffen gebe, die bei der Werbung außer Acht gelassen würde, ist die CGR indes nicht gefolgt.

Dieser Fall zeigt, dass das Thema der Vereinbarkeit umweltbezogener Aussagen mit geltendem Recht – hier unter dem Aspekt der Irreführung – auch im Gesundheitssektor angekommen ist und insbesondere vergleichende Werbeaussage nur mit Vorsicht getroffen werden sollten. 

Entwicklungen beobachten 

Ob die GCD noch in der laufenden Legislatur (bis Juni 2024) verabschiedet werden kann, ist derzeit nicht sicher, so dass sich ein Inkrafttreten der Vorgaben aus der GCD noch bis 2026/2027 ziehen kann. Demgegenüber ist zu erwarten, dass die Änderungen der UGP-RL und der Verbraucherrechte-RL noch im kommenden Jahr in Kraft treten werden und von den Mitgliedstaaten bis 2025 umzusetzen sind. 

Herstellende und Gewerbetreibende sollten daher die Entwicklungen weiter beobachten und frühzeitig mit entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen beginnen.

In unserer Blogserie Green Claims & Co. – ein bunter Strauß an Herausforderungen informieren wir Sie über gegenwärtige und künftigen rechtliche Anforderungen an Werbeaussagen, die sich auf ESG-Aktivitäten beziehen. In unserem Blog haben wir zudem bereits einen Blick auf Themen geworfen wie den diffizilen Umgang mit dem Begriff „klimaneutral″ in der Werbungfünf Mythen zum Greenwashing sowie auf Rechtsprechung u.a. zu Werbung für Nachhaltigkeitsfonds„klimaneutralen″ Müllbeuteln und „klimaneutralen″ Fruchtgummis.

Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potenziellen Risiken des Greenwashing sowie neusten Entwicklungen weltweit siehe CMS Green Globe.

Tags: Arzneimittel Environment and Climate Change (ESG) Green Claims Medizinprodukte Nachhaltigkeit