29. September 2023
Environment and Climate Change (ESG)

Green Claims-Richtlinie – Teil II: Ein Blick auf die Vorgaben für Labels, die Durchsetzung der Richtlinie und die geplanten Rechtsfolgen

In Teil II zur Green Claims-Richtlinie beleuchten wir die Vorgaben an Labels sowie die vorgesehenen Sanktionen bei einem Verstoß gegen die neuen Regelungen zur Verwendung von Umweltaussagen.

Die Verwendung von umweltbezogenen Labels soll durch die geplante Green Claims-Richtlinie erheblich beschränkt werden – von Unternehmen eigens kreierte Label sollen zukünftig nicht mehr möglich sein. Auch werden Verstöße gegen die Vorgaben der Richtlinie mit empfindlichen Bußgeldern belegt.

Am 22. März 2023 hat die Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zu sog. „Green Claims“ (COM (2023) 166 final 2023/0085 COD, im Folgenden: „GCD“) veröffentlicht. Dieser dient als Teil des Green Deals der EU dazu, die Richtigkeit und Transparenz von umweltbezogenen Werbeaussagen zu gewährleisten und ist in Zusammenhang insbesondere mit den geplanten Änderungen zur UGP-Richtlinie zu lesen, über die wir in einem unserer kommenden Blog-Beiträge berichten werden. Bezüglich der geplanten allgemeinen Vorgaben für Umweltaussagen und das neu einzuführende Prüf-/Zertifizierungssystem durch die GCD verweisen wir auf unseren vorausgegangenen Beitrag „Neue Hürden für Umweltwerbung“.

Die Verwendung von Umweltzeichen/Labels und diesbezügliche Vorgaben

Angaben der Kommission zufolge gibt es in der EU derzeit 230 verschiedene Nachhaltigkeitslabel sowie 100 Öko-Energie-Label mit sehr unterschiedlichen Transparenzniveaus. Die Hälfte der Label bieten nur eine schwache oder sogar gar keine Nachprüfungsmöglichkeit für die Verbraucher:innen. Eines der Hauptziele der GCD ist es, diese Label verlässlich, vergleichbar und überprüfbar zu machen und damit die Verbraucher:innen vor Greenwashing zu schützen. Damit würden von Unternehmen eigens kreierte Umweltzeichen fortan verboten.

Die GCD sieht vor, dass die Label, die sich auf Produkte, Verfahren oder Unternehmen beziehen können, die inhaltlichen Anforderungen an ausdrückliche umweltbezogene Aussagen, die wir in Teil I umfassend beleuchtet haben, erfüllen müssen. Bei bereits bestehenden Umweltzeichen müssen die Mitgliedstaaten daher sicherstellen, dass diese den Anforderungen aus Artikeln 3 bis 6 GCD entsprechen und sie von den Prüfstellen überprüft werden (Art. 7 Abs. 1 GCD). Die Anforderungen an die Systeme müssen von Sachverständigen entwickelt worden und wissenschaftlich belastbar sein. Auch müssen transparente und leicht verständliche Informationen über die Eigentumsverhältnisse, die jeweiligen Entscheidungsgremien und Ziele der Label öffentlich kostenlos verfügbar sein. Die Teilnahmemöglichkeit an einem Umweltzeichensystem muss in einem angemessenen Verhältnis zu Größe und Umsatz der Unternehmen stehen, so dass sichergestellt wird, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht benachteiligt werden.

Neue Label sollen nach Umsetzung der GCD nur noch hinzukommen, wenn diese einen tatsächlichen Mehrwert zu den bereits bestehenden Systemen liefern. Voraussetzung für neue private Label ist eine vorherige Genehmigung durch eine entsprechende nationale Stelle, die die Kommission davon zu unterrichten hat. Für neue von Behörden in Drittländern eingeführten Systeme muss vor Verwendung auf dem Unionsmarkt eine Genehmigung durch die Kommission erfolgen.  

Die zulässigen Label werden von der Kommission in einer regelmäßig zu aktualisierenden Liste veröffentlicht (Art. 8 Abs. 7 GCD). Darüber hinaus sieht die GCD vor, dass die Kommission für die detaillierten Anforderungen für die Genehmigung von Labeln und das Verfahren sowie die Gestaltung dieser Durchführungsakte erlässt (Art. 8 Abs 8 GCD).

Regelmäßige Überprüfung der Umweltzeichen/Labels

Das jeweilige Umweltsystem selbst muss über einen Beschwerde- und Streitbeilegungsmechanismus verfügen und es müssen klare Regelungen bei Verstößen gegen das System festgelegt werden.

Darüber hinaus muss ein Verfahren etabliert werden, dass sicherstellt, dass die Labelsysteme regelmäßig von Dritten überprüft und kontrolliert werden. Insgesamt soll durch die neuen Regelungen sichergestellt werden, dass eine Vergleichbarkeit der auf dem Markt befindlichen Produkten ermöglicht wird und die Verbraucher:innen bewusstere Entscheidungen treffen können.

Unabhängigkeit der Prüf-/Zertifizierungsstellen

Derzeit befinden sich auf dem Markt viele Unternehmen, die Kriterien für ausdrückliche Umweltaussagen entwickelt haben und das Umweltzeichen an den Gewerbetreibenden nach erfolgter Prüfung eines Produkts oder Unternehmens vergeben. Dieses derzeitige System der Aufstellung der Bedingungen des Labels und der gleichzeitigen Kontrolle der Einhaltung soll so künftig nicht aufrechterhalten bleiben: Denn in der GCD ist vorgesehen, dass die Prüfstelle und die involvierten Personen, deren Aufgabe die Überprüfung der Einhaltung der Bedingungen ist, unabhängig sein müssen und keinem Druck oder Anreizen ausgesetzt werden dürfen, die ihre Prüftätigkeiten in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnten. Wenn die Vorschrift so bestehen bleibt, wird es in Zukunft daher nicht mehr möglich sein, dass Labeleigentümer und Labelprüfer/Genehmigungserteiler in einer Person sein können. Die Aufgabe des Labeleigentümers wird es zukünftig sein, die Kriterien für das Label entsprechend der Vorgaben der GCD festzusetzen und diese den technischen Standards entsprechend aktuell zu halten.

Einhaltung und Durchsetzung – Aufgaben der nationalen Behörden

In Bezug auf die Einhaltung und Durchsetzung der Vorgaben der GCD sieht diese vor, dass die Mitgliedstaaten eine oder mehrere Behörden bestimmen sollen, die für die Anwendung und Durchsetzung der GCD zuständig sind (Art. 13 GCD). Hierfür sollen sie den jeweiligen nationalen Behörden für die Einhaltung der Vorgaben der GCD umfassende Kontroll- und Durchsetzungsbefugnisse übertragen (Art. 14 GCD). Die zuständigen Behören werden insbesondere ermächtigt, sämtliche relevanten Dokumente und Informationen von jeder natürlichen oder juristischen Person einzuholen, die notwendig sind, um einen Verstoß gegen die Vorgaben der GCD aufzudecken. Sie erhalten die Befugnis, Ermittlungen und Verfahren auf eigene Initiative einzuleiten, um festgestellte Verstöße zu beenden. Hierfür können sie Gewerbetreibende zur Beendigung von Verstößen auffordern und Unterlassungsanordnungen erlassen. Auch sollen sie die Befugnis erhalten, bei Verstößen Sanktionen gegen die Gewerbetreibenden festzusetzen.

Den nationalen Behörden wird aufgetragen, den Markt in Bezug auf die ausdrücklichen Umweltaussagen und -zeichen kontinuierlich zu überwachen und zu prüfen, ob Verstöße gegen eine Regelung der GCD vorliegen (Art. 15 GCD). Die Ergebnisse der regelmäßigen Kontrollen sollen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Verstoß durch die zuständige Behörde festgestellt wird, muss die Behörde den Gewerbetreibenden schnellstmöglich darauf hinweisen und diesen auffordern, innerhalb von 30 Tagen die Aussage entweder zu korrigieren, damit sie den Vorgaben der GCD entspricht, oder die Verwendung gänzlich einzustellen.

Was gibt es für Beschwerdemöglichkeiten?

Sämtliche natürlichen und juristischen Personen sowie Organisationen, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht Wettbewerbsverstöße gelten machen können, sollen auch laut der GCD befugt sein, bei den zuständigen Behörden begründete Beschwerden einzureichen (Art. 16 GCD). In Deutschland sind das derzeit Mitbewerber:innen, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, qualifizierte Einrichtungen sowie Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern. Die nationalen Behörden müssen die Beschwerden prüfen und erforderliche Schritte einleiten bzw. Maßnahmen ergreifen. Die Aktivitäten der Behörden müssen zudem gerichtlich oder durch eine andere unabhängige und unparteiische öffentliche Stelle überprüfbar sein. Neben dieser behördlichen Durchsetzung bleibt voraussichtlich auch das – gerade im deutschen Wettbewerbsrecht etablierte und in der Praxis relevantere – System der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche über § 3a UWG beibehalten.

Empfindliche Sanktionen bei Verstößen

Die GCD regelt zudem, dass die Mitgliedstaaten ein Sanktionssystem erlassen müssen, bei welchem sichergestellt werden kann, dass die vorgesehen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (Art. 17 GCD). Neben Geldbußen soll es zudem möglich sein, die Einnahmen der Gewerbetreibenden aus Geschäften mit den verletzenden Produkten einzuziehen und die Gewerbetreibenden von öffentlichen Ausschreibungen über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten auszuschließen. Bezüglich der Geldbußen sieht die GCD einen empfindlichen Höchstbetrag vor. Dieser soll mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes des Gewerbetreibenden in dem betreffenden Mitgliedstaat (oder auch mehreren Mitgliedstaaten) betragen (Art. 17 Abs. 3 GCD).

Bei der Festlegung der Art und Höhe der Sanktionen haben die Behörden neben Art, Schwere, Umfang und Dauer des Verstoßes insbesondere auch das Verhalten des Gewerbetreibenden (Vorsatz, Fahrlässigkeit und Verhalten nach Aufforderung zur Beendigung des Verstoßen) sowie die Finanzkraft und der wirtschaftliche Nutzen des Verstoßes zu berücksichtigen.  

Es ist wichtig, am Ball zu bleiben

Der Richtlinienvorschlag wird in Bezug auf die Vergabe und Verwendung von Labels erhebliche Einschränkungen mit sich bringen und der Gesetzgebungsprozess sollte von den Gewerbetreibenden weiter beobachtet werden, damit etwaige Änderungen der derzeitigen Werbepraxis zeitgerecht angepasst werden können. Insbesondere aufgrund der geplanten Sanktionen ist ein entsprechendes Risikomanagement essenziell.

In unserer Blogserie Green Claims & Co. – ein bunter Strauß an Herausforderungen informieren wir Sie über gegenwärtige und künftigen rechtliche Anforderungen an Werbeaussagen, die sich auf ESG-Aktivitäten beziehen. In unserem Blog haben wir zudem bereits einen Blick auf Themen geworfen wie den diffizilen Umgang mit dem Begriff „klimaneutral″ in der Werbungfünf Mythen zum Greenwashing sowie auf Rechtsprechung u.a. zu Werbung für Nachhaltigkeitsfonds„klimaneutralen″ Müllbeuteln und „klimaneutralen″ Fruchtgummis.

Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potenziellen Risiken des Greenwashing sowie neusten Entwicklungen weltweit siehe CMS Green Globe.

Tags: Durchsetzung Environment and Climate Change (ESG) Green Claims Nachhaltigkeit