29. November 2018
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Corporate / M&A

GmbH-Raclette: Deutsche Verschmelzungen in der Schweiz?

Verschmelzungen kann nur ein deutscher Notar beurkunden. An diesem Grundsatz rüttelt das Kammergericht Berlin kräftig. Wer Zeit hat, kann den Weg über Basel versuchen.

„Zeit?″, fragt man sich. Ja, richtig gelesen. Das ist die große Crux an der Entscheidung des Kammergerichts in Berlin vom 26. Juli 2018 (22 W 2/18). Wer eine Umwandlung betreibt, will nämlich meistens keine Zeit verlieren, dazu noch möglichst viele Kosten sparen und Fehler dürfen auch nicht sein. Aber billig, gut und schnell sind Adjektive, die leider selten zu dritt unterwegs sind.

Nicht billig: Notarielle Beurkundung von Verschmelzungen

Die notarielle Beurkundung von Umwandlungsvorgängen ist ein Kostentreiber. So müssen bei einer Verschmelzung der Verschmelzungsvertrag, die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafter zur Verschmelzung und die in der Praxis häufigen Verzichtserklärungen auf einen Verschmelzungsbericht und eine Verschmelzungsprüfung beurkundet werden.

Die Kosten für eine Beurkundung in Deutschland sind gesetzlich festgelegt. Deutsche Notare dürfen keine abweichenden Vereinbarungen treffen. Die Höhe der Kosten einer Verschmelzung ist zwar gedeckelt, erreicht aber dennoch leicht den fünfstelligen Bereich.

Schweizer Notare hingegen dürfen Kostenvereinbarungen treffen und bieten den Notaren in Deutschland damit Wettbewerb. Der Gang zum Notar in die Schweiz war bei Unternehmenstransaktionen lange Zeit sehr beliebt und er konnte nach einigen Jahren der Pause nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 2. März 2011 (AZ J-3 Wx 236/10) wieder häufiger eingeschlagen werden. Hinzu kommt nun der Wettbewerb bei der Beurkundung von Umwandlungsvorgängen.

Hierfür hat das Kammergericht in Berlin den Weg geebnet. In dem Fall sollten zwei deutsche GmbHs verschmolzen werden. Die Beteiligten ließen die Verschmelzung vor einem Notar in Basel-Stadt beurkunden und dann von einem deutschen Notar die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister in Deutschland in der gebotenen elektronischen Form einreichen.

Nicht gut? Die Phrase von der materiellen Richtigkeitsgewähr

Das Registergericht wies die Anmeldung der Verschmelzung zurück mit dem Hinweis, die Verschmelzung sei nicht ordnungsgemäß beurkundet. Das überrascht auf den ersten Blick. Das Notariat in Basel-Stadt wird als dem deutschen Notariat gleichwertig angesehen, weshalb grundsätzlich auch eine Beurkundung vor einem dortigen Notar die deutschen Formerfordernisse erfüllt (Wirkungsstatut).

Im deutschen Umwandlungsrecht soll aber Besonderes gelten: Vor allem die Rechtsliteratur sieht in dem Beurkundungserfordernis auch den Zweck, dass ein deutscher Notar prüft, ob alle drittschützenden Aspekte des Umwandlungsrechts auch wirklich eingehalten sind. Dazu gehören etwa Minderheiten-, Arbeitnehmer- und Gläubigerschutz. Eine Beurkundung vor einem Schweizer Notar biete diese sogenannte materielle Richtigkeitsgewähr nicht, sei also nicht gut genug.

Das Kammergericht hob die Entscheidung des Registergerichts auf und begründete dies vereinfacht ausgedrückt damit, dass „gut″ der falsche Maßstab sei. Das Kammergericht merkt zwar an, dass man eine Beurkundung besser vor einem deutschen Notar vornehmen sollte, um deren Richtigkeit sicherzustellen. Allerdings sei das eben nicht zwingend. Es sei nicht ausgeschlossen, dass auch ein ausländischer Notar für die materielle Richtigkeit der Beurkundung sorgen könne.

Außerdem würden deutsche Registergerichte durchaus auch Vorgänge beanstanden, die von deutschen Notaren beurkundet worden sind. Dort laufe also auch nicht immer alles richtig. Die Prüfung der Richtigkeit aber, und das sei entscheidend, ob die Beurkundung nun „gut″ ist, also materiell richtig und eintragungsfähig, obliege nicht den Notaren, sondern letztlich dem Registergericht. Das Registergericht müsse prüfen und sei nicht an das gebunden, was der Notar beurkundet hat.

Mit anderen Worten:  Die angeblich nur von einem deutschen Notar zu leistende „materielle Richtigkeitsgewähr″ ist eine Phrase. Das Kammergericht misst diesem Aspekt der Beurkundungstätigkeit eines deutschen Notars keine entscheidende Bedeutung bei.

Nicht schnell: Die stete Gefahr der Zwischenverfügung

Wenn ein Unternehmen eine Verschmelzung deutscher Gesellschaften beurkunden lässt, spielt der eigentliche Beurkundungsvorgang, ob er nun in Deutschland oder in der Schweiz stattfindet, kaum eine Rolle. Es dürften insofern lediglich die Kosten sein, die den Ausschlag geben.

Dass aber eine in der Schweiz beurkundete Verschmelzung von nun an ohne Probleme in Deutschland vom Registergericht eingetragen wird, ist mit dicken Fragezeichen zu versehen. Das Kammergericht hat nahezu die gesamte bisherige Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage gegen sich. Höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt.

Solange dieser Zustand fortbesteht, wird kaum ein Praktiker die Beurkundung einer Verschmelzung in der Schweiz empfehlen können, es sei denn der Mandant bringt Zeit mit und könnte mit einem Scheitern der Verschmelzung zum angestrebten Zeitpunkt leben.

Ein deutsches Registergericht wird mit aller Wahrscheinlichkeit zunächst eine Zwischenverfügung erlassen und die Anmeldung mit der Begründung zurückweisen, die Formerfordernisse nach den §§ 6, 13 UmwG seien nicht erfüllt. Und das ist ein Problem: Im Normalfall wird der Anmelder die Verschmelzung steuerlich auf den letzten Jahresabschluss als Schlussbilanz zurück beziehen, dessen Stichtag aber nicht mehr als acht Monate vor Anmeldung liegen darf. Holt er dann eine Beurkundung in Deutschland nach und meldet die Verschmelzung erneut an, werden die acht Monate häufig verstrichen sein. Er muss dann mit einigem Aufwand einen neuen (Zwischen-) Abschluss als Schlussbilanz erstellen oder die Verschmelzung um ein Jahr verschieben und dann mit dem neuen turnusmäßigen Jahresabschluss anmelden. Im Rahmen von Restrukturierungen mit mehreren Umwandlungsvorgängen ist das ein Super-GAU, da die einzelnen Schritte meist aufeinander abgestimmt und voneinander abhängig sind.

Selbst wenn der Anmelder sich aber gegen die Zwischenverfügung wehrt und die Eintragung wie im Fall des Kammergerichts Berlin durchficht, kann er zwar sein Durchhaltevermögen und seinen Sieg feiern. Er wird aber lange zittern müssen: Im Fall des Kammergerichts vergingen zwischen der Beurkundung im August und der Bekanntmachung der Eintragung der Verschmelzung im September des Folgejahres dreizehn Monate. Eine solche Verfahrensdauer wäre bei üblichen Restrukturierungen fast ebenso schmerzlich wie eine ins nächste Geschäftsjahr verschobene Verschmelzung.

„Billig, gut und schnell – Sie haben zwei zur Wahl″

Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Praxis der Beurkundung von Verschmelzungen in Deutschland wegen der Entscheidung des Kammergerichts ändern wird.

Der Otto-Normal-Verschmelzer wird weiterhin ein größeres Interesse daran haben, die Verschmelzung schnell über die Bühne zu bringen und nimmt dafür die höheren Kosten der Beurkundung in Deutschland in Kauf.

Wer vor allem Kosten sparen möchte, der kann es mit einer Beurkundung in der Schweiz versuchen – aber zum Preis, dass die Anmeldung scheitern oder die Umsetzung sich erheblich verzögern kann.

Ob die Beurkundung am Ende „gut″ sein wird, also der Notar der materiellen Richtigkeitsgewähr genüge getan hat, wird in beiden Fällen das Registergericht überprüfen. Glaubt man dem Kammergericht, kommen „ungute″ Beurkundungen auch hierzulande vor. Im Fall des Falles ärgerlich – gerade bei den Preisen…

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