4. Mai 2021
Investitionskontrolle 17. AWV-Novelle
Corporate / M&A Kartellrecht

Investitionskontrolle: Weitere Reform bringt massive Verschärfungen

16 Neulistungen, überarbeitete Erwerbstatbestände, Verfahrensänderungen – die beschlossene 17. AWV-Novelle führt zu erwarteten Verschärfungen für M&A.

Am 1. Mai 2021 is die 17. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (17. AWV-Novelle) in Kraft getreten. Die verabschiedete Fassung folgt im Wesentlichen dem Referentenentwurf, weicht aber an entscheidenden Stellen auch von diesem ab.

Die 17. AWV-Novelle bildet den vorläufigen Schlussstein eines im Jahre 2020 mit der 15. AWV-Novelle und der Überarbeitung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) begonnenen Reformprojekts. Deutschland nahm wie viele andere EU-Staaten die durch die EU-Screening-Verordnung (EU) 2019/452 erforderlich gewordenen Anpassungen zum Anlass, die Investitionskontrollregeln grundlegend zu überarbeiten und die Kontrolldichte deutlich zu erhöhen.

Wichtigste Kernbotschaft für die Praxis: Bis Mitte 2020 waren nur elf, nun sind ganze 31 Tätigkeitsbereiche und Technologien als sicherheitsrelevant eingestuft. Deren Sicherheitsrelevanz ist nicht in jedem Fall offenkundig, sondern eine Vielzahl von Hoch- und Zukunftstechnologien ist erfasst. Ausländische Investitionen in deutsche Unternehmen dieser Bereiche unterliegen regelmäßig einer Meldepflicht, sind bis zum Abschluss der Investitionsprüfung schwebend unwirksam und unterliegen einem strafbewehrten Vollzugsverbot.

17. AWV-Novelle mit Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf

Die sektorübergreifende Prüfung wird um 16 sicherheitsrelevante Bereiche der Hoch- und Zukunftstechnologie erweitert (§ 55 a AWV). Erwirbt ein nicht-EU/nicht-EFTA-Ausländer mindestens 20% der Stimmrechtsanteile an deutschen Unternehmen in diesen Bereichen, besteht eine Meldepflicht (§ 56 Abs. 1 AWV). 

Die sektorspezifische Prüfung wird auf Hersteller sämtlicher in der Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung Teil 1 A (Waffen, Munition, Rüstungsgüter) genannten Güter erweitert und der Geheimnisschutz wird gestärkt (§ 60 Abs. 1 AWV). 

Hinzuerwerbe eröffnen künftig das Prüfrecht immer aber auch nur dann, wenn durch weitere Anteilserwerbe die bestehende Beteiligung erstmals bestimmte Beteiligungsschwellen erreicht (20%, 25%, 40%, 50% oder 75%) (§§ 56 Abs. 2, 60a Abs. 2 AWV). Der Referentenwurf sah diese Schwellen noch nicht vor. 

Konzerninterne Umstrukturierungen, an denen zwei hundertprozentige Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens beteiligt sind, werden von der sektorübergreifenden Investitionsprüfung freigestellt, wenn beide Tochterunternehmen unter der gleichen ausländischen Rechtsordnung inkorporiert sind (§ 55 Abs. 1b AWV). Auch dies ist eine Änderung gegenüber dem Referentenwurf.

Künftig werden „atypische Kontrollerwerbe“ erfasst, die unabhängig von Stimmrechtsanteilen den Erwerbstatbestands erfüllen sollen (§ 56 Abs. 3 AWV). Insbesondere Transaktionen, bei denen der Erwerber Veto- oder Informationsrechte erhält, können dann unabhängig von den Schwellenwerten geprüft werden. Der atypische Kontrollerwerb allein begründet in der sektorübergreifenden Prüfung hingegen keine Meldepflicht.  

Auch im Hinblick auf das Verfahren gibt es einige Änderungen.:

Unbedenklichkeitsbescheinigungen werden künftig erhöhten Aufwand verursachen, weil das BMWi mit einer noch zu erlassenden Allgemeinverfügung die von den Parteien beizubringenden Pflichtangaben über die derzeitigen Mindestangaben hinaus erweitern wird.

Für meldepflichtige Erwerbe kann künftig keine Unbedenklichkeitsbescheinigung mehr beantragt werden, es gilt stets das normale Verfahren.

16 neue Bereiche in der sektorübergreifenden Prüfung

Die sektorübergreifende Prüfung verlangt nun in 16 weiteren und damit insgesamt 27 Tätigkeits- oder Technologiebereichen Pflichtmeldungen.

Die Beteiligungsschwelle von 10 % gilt weiterhin bei den weitgehend unverändert gebliebenen Nummern 1 bis 7.

Für alle übrigen gelisteten Bereiche, einschließlich der bereits im Juni 2020 im Rahmen der COVID-19-Pandemie im Gesundheits-Sektor eingeführten Bereiche, gilt eine Beteiligungsschwelle von 20 %. 

In Bezug auf die COVID-Regeln wurde bei der persönlichen Schutzausrüstung (wie Atemschutzmasken) eine Einschränkung auf bestimmte Schutzkategorien vorgenommen und es wurden Hersteller oder Entwickler von Anlagen zur Filtervliesproduktion ergänzt.

Im Übrigen wurden die folgenden neuen 16 Fallgruppen eingeführt:

  • Nr. 12: Betrieb bestimmter Erdfernerkundungssysteme
  • Nr. 13: Entwicklung / Herstellung bestimmter Güter mit Fähigkeiten zur künstlichen Intelligenz mit den Anwendungsfällen „Cyber-Angriffe“, „Desinformation“, „Überwachung“ und „interne Repression“
  • Nr. 14: Entwicklung / Herstellung von Kraft- und unbemannten Luftfahrzeugen mit der Fähigkeit zum automatisierten Fahren/Fliegen oder wesentliche Komponenten oder Software zur Ermöglichung dieser Fähigkeit
  • Nr. 15: Herstellung oder Entwicklung von Robotern (auch automatisiert oder autonom mobil) für besondere Hochanforderungsanwendungen; hier fand gegenüber dem Referentenentwurf eine weitgehende Einschränkung statt, so dass der „normale“ Maschinen- und Anlagenbau nicht mehr in diese Fallgruppe subsummiert werden kann
  • Nr. 16: Herstellung, Entwicklung oder Veredelung von mikro- oder nanoelektronischen optischen oder nicht-optischen Schaltungen auf einem Substrat oder diskreten Halbleitern/Bauelementen sowie von Herstellungs- oder Bearbeitungswerkzeugen hierfür
  • Nr. 17: Herstellung oder Entwicklung bestimmter IT-Sicherheitsprodukte der IT-Sicherheitsbranche und der IT-Forensikbranche
  • Nr. 18: Im Bereich der Luft- und Raumfahrt (i) Betrieb eines Luftfahrtunternehmens i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, (ii) Herstellung oder Entwicklung von Gütern der Unterkategorien 7A, 7B, 7D, 7E, 9A, 9B, 9D oder 9E des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 und (iii) Herstellung und Entwicklung von Gütern oder Technologien für die Verwendung in der Raumfahrt oder für den Einsatz in Raumfahrtinfrastruktursystemen
  • Nr. 19: Im Bereich der Nukleartechnologie: Herstellung, Entwicklung, Modifikation oder Nutzung von Gütern der Kategorie 0 oder der Listenpositionen 1B225, 1B226, 1B228, 1B231, 1B232, 1B233 oder 1B235 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009
  • Nr. 20: Im Bereich der Quantentechnologie: Herstellung oder Entwicklung von Gütern oder deren wesentlichen Komponenten der Quanteninformatik, Quantenkommunikation oder quantenbasierten Messtechnik
  • Nr. 21: „3D-Drucker: Herstellung oder Entwicklung von 3D-Druckern (inkl. Komponenten) für metallische oder keramische Bauteile mittels bestimmter pulverbasierter Fertigungsverfahren oder der dafür relevanten Pulvermaterialien; auch diesbezüglich wurde die Fallgruppe gegenüber dem Referentenentwurf deutlich eingeschränkt 
  • Nr. 22: Im Bereich Netztechnologie: Herstellung oder Entwicklung von Gütern, die spezifisch dem Betrieb drahtloser oder drahtgebundener Datennetze dienen
  • Nr. 23: Herstellung von zertifizierten / in Zertifizierung befindlichen Smart-Meter-Gateways oder Sicherheitsmodulen dafür
  • Nr. 24: Im Bereich Dienstleistungen für Informations- und Kommunikationstechnik des Bundes: Erbringung von Dienstleistungen in lebenswichtigen Einrichtungen nach der Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung an sicherheitsempfindlichen Stellen 
  • Nr. 25: Gewinnung, Aufbereitung oder Raffination von Rohstoffen oder deren Erzen, die im Rahmen der Rohstoffinitiative der Europäischen Kommission als kritisch festgelegt wurden
  • Nr. 26: Herstellung oder Entwicklung von Gütern, denen ein geheimgestelltes Patent oder Gebrauchsmuster zugrunde liegt
  • Nr. 27: Im Bereich Land- und Ernährungswirtschaft: Eigentum oder Pacht einer landwirtschaftlichen Fläche von mehr als 10.000 Hektar

Änderungen in der sektorspezifischen Prüfung 

Im Bereich der sektorspezifischen Prüfung reduziert sich die Zahl der Fallgruppen von fünf auf vier, allerdings werden nun nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AWV sämtliche Rüstungsgüter im Sinne von Teil 1 Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasst. Zudem wird der Geheimnisschutz stärker in den Fokus genommen. Im Einzelnen unterfällt ein Unternehmen den neuen Fallgruppen, das 

  1. Güter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste entwickelt, herstellt, modifiziert oder die tatsächliche Gewalt über solche Güter innehat,
  2. Güter aus dem Bereich Wehrtechnik entwickelt, herstellt, modifiziert oder die tatsächliche Gewalt über solche Güter innehat, auf die sich der Schutzbereich eines nach § 50 des Patentgesetzes geheimgestellten Patentes oder eines nach § 9 des Gebrauchsmustergesetzes geheimgestellten Gebrauchsmusters erstreckt,
  3. Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen zur Verarbeitung staatlicher Verschlusssachen oder für die IT-Sicherheitsfunktion wesentliche Komponenten solcher Produkte herstellt und die Produkte des Unternehmens oder im Falle für die IT-Sicherheitsfunktion wesentlicher Komponenten das Gesamtprodukt vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zugelassen wurden, oder
  4. eine verteidigungswichtige Einrichtung im Sinne des § 1 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes ist.

Die Nummern 1) bis 3) gelten auch, wenn das zu erwerbende Unternehmen entsprechende Tätigkeiten in der Vergangenheit erbracht hat und die Kenntnisse oder die Technologie zu solchen Gütern noch im zu erwerbenden Unternehmen vorhanden sind.

Transaktionen mit ab 1. Mai 2021 unterzeichneten Verträgen betroffen

Dank der noch in letzter Minute ergänzten Übergangsvorschriften gelten die neuen Regeln nicht für bereits laufende oder bereits vollzogene Transaktionen, sondern nur für Transaktionen, bei denen die Unterzeichnung des Kaufvertrages ab dem 1. Mai 2021 erfolgt. Im Fall eines Angebots im Sinne des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Angebots maßgeblich.

Frühzeitig mit Investitionskontrolle planen

Das Positive vorweg: Mit der 17. AWV-Novelle kehrt nun – hoffentlich – etwas Ruhe in die in den letzten Jahren sehr bewegte Gesetzgebung im Investitionskontrollrecht. 

Aus Sicht vieler Unternehmen wird aber die deutlich erhöhte Prüfdichte und der mit den zu führenden Verfahren entstehende Mehraufwand als Stolperstein in Transaktionen betrachtet werden. Mehr als je zuvor gilt auf Erwerber- wie auf Verkäuferseite: Die Implikationen der Investitionskontrolle, in Deutschland aber auch international, müssen so früh wie irgend möglich in die Transaktionsplanung einbezogen werden.

Tags: 17. AWV-Novelle Investitionskontrolle