Der BGH hat entschieden, dass der Insolvenzverwalter einer Beteiligungsgesellschaft auch die Kommanditisten eines Dachfonds in Anspruch nehmen kann.
Die Publikumsgesellschaft ist ein zuverlässiger Quell der Rechtsfortbildung. Regelmäßig führen Rechtsstreitigkeiten zwischen ihren Gesellschaftern zu Urteilen des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte, deren Auswirkungen weit über die Publikums-KG hinausgehen.
So auch in einer Entscheidung des BGH (Urteil v. 3. August 2021 – II ZR 123/20).
Doppelstöckige KG-Strukturen erlitten Schiffbruch
Ein Anleger hatte sich im Jahr 2003 mit einer Einlage i. H. v. EUR 100.000 an einem Fonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft beteiligt und diese Einlage auch einbezahlt. Der Fonds investierte die Einlagen nicht selbst. Vielmehr war er an drei Kommanditgesellschaften beteiligt, die ihrerseits je ein Schiff hielten (sog. „doppelstöckige Kommanditgesellschaft“).
In den Jahren 2003 bis 2006 erlitten alle drei Beteiligungsgesellschaften erhebliche Verluste, die auch im Jahr 2007 nicht ausgeglichen werden konnten. Als 2008 die Finanz- und Wirtschaftskrise im Zuge der Lehman-Insolvenz ausbrach, ging es mit der Schifffahrt steil bergab. Die Beteiligungsgesellschaften erholten sich nicht mehr und wurden schließlich insolvent. Der Fonds selbst musste dagegen keine Insolvenz anmelden.
Fonds nahm Ausschüttung ohne entsprechende Gewinne vor
Der Fonds hatte in den Jahren 2004 bis 2007 Ausschüttungen an ihre Kommanditisten vorgenommen, die durch Gewinne nicht gedeckt waren. Dieses Vorgehen ist rechtlich nicht verboten, kann aber zu einer Rückzahlung der Einlage und in diesem Umfang auch zu einem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung führen.
So lag der Fall auch hier: Das Kapitalkonto des Anlegers wurde um EUR 33.042 gemindert. Der Fonds hatte seinerseits von den Beteiligungsgesellschaften Ausschüttungen erhalten, die nicht durch Gewinne gedeckt waren und stand nunmehr gegenüber den Beteiligungsgesellschaften mit insgesamt EUR 942.802,60 „in der Kreide“.
Insolvenzverwalter klagte erfolgreich auf Rückzahlung
Der Kläger als Insolvenzverwalter der Beteiligungsgesellschaften nahm den Beklagten nunmehr auf Rückzahlung der EUR 33.042 – anteilig für jede Beteiligungsgesellschaft i. H. v. EUR 11.014 – aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB in Anspruch. Der Beklagte verteidigte sich seinerseits u. a. mit Verweis darauf, dass der Kläger als Insolvenzverwalter der Beteiligungsgesellschaften keine Zahlungsansprüche gegenüber ihm als Gesellschafter der Fonds KG geltend machen könne.
Das OLG Oldenburg hatte die Klage abgewiesen. Der Insolvenzverwalter dürfte nur Ansprüche der insolventen Beteiligungsgesellschaften geltend machen, nicht aber solche des Dachfonds. Mit dieser Begründung sah sich das OLG Oldenburg in guter Gesellschaft – schon zahlreiche andere Land- und Oberlandesgerichte hatten ähnlich entschieden.
Der BGH sah dies jetzt aber anders. Seine Begründung klingt auf den ersten Blick ein wenig „um die Ecke gedacht“: Den Beteiligungsgesellschaften stünde ein Zahlungsanspruch i. H. v. EUR 942.802,60 gegen den Dachfonds wegen der Rückzahlung von Einlagen zu. Diesen Anspruch könne der Kläger als ihr Insolvenzverwalter geltend machen. Dabei könne der Kläger nicht nur gegen den Dachfonds selbst, sondern auch gegen den Beklagten als seine Kommanditisten vorgehen. Denn soweit ein Kommanditist eine Rückzahlung seiner Einlagen erhalten habe, hafte er eben nicht nur gegenüber der Kommanditgesellschaft selbst, sondern auch gegenüber ihren Gläubigern – und damit eben auch gegenüber den Beteiligungsgesellschaften bzw. dem Kläger als deren Insolvenzverwalter – für die Verbindlichkeiten der KG persönlich.
Dieses Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters der Beteiligungsgesellschaften gilt, solange nicht auch über das Vermögen des Dachfonds das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Entscheidung des BGH ist dogmatisch und wertungsgemäß überzeugend
Die Entscheidung des BGH überzeugt schon dogmatisch. Sie beinhaltet keinen Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip, sondern hält dieses konsequent ein. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, die Haftungsansprüche der Beteiligungsgesellschaften geltend zu machen, und tut dies auch. Es handelt sich aber nicht um einen Anspruch gegenüber dem Beklagten als Kommanditisten des Dachfonds, sondern gegenüber dem Fonds selbst.
Dass der Kläger auch den Beklagten in Anspruch nimmt, hat seinen Grund einzig und allein darin, dass der Beklagte als Kommanditist des Fonds selbst persönlich, unbeschränkt, unmittelbar und akzessorisch bis zur Höhe seiner Einlage für die Verbindlichkeiten des Fonds haftet. Diese Haftung ist in Folge der Ausschüttungen, die der Beklagte von der Fonds KG erhalten hat und die nicht durch Gewinne gedeckt waren, wieder aufgelebt.
Gleichzeitig überzeugt das Urteil auch wertungsmäßig: Es ist nicht einzusehen, warum sich die Kommanditisten einer Fonds KG ihrer persönlichen Haftung nach §§ 171, 172 HGB dadurch entziehen sollten, dass sie eine doppelstöckige Konstruktion wählen. Hätte die Fonds KG die Schiffe selbst gehalten, so stünde die Haftung ihrer Kommanditisten nicht in Frage.
Außenhaftung bei der KG ist übertragbar und dient den Gläubigerinteressen
Die tragenden Erwägungen des Urteils sind nicht auf Publikums-KGs beschränkt, sondern können in jeder Kommanditgesellschaft zum Tragen kommen. Sie können ferner auch Anwendung finden, wenn die Tochtergesellschaft nicht eine KG, sondern etwa eine GmbH ist, bei der es eine unzulässige Rückzahlung des Stammkapitals gegeben habe.
Freilich taucht das Problem unzulässiger Ausschüttungen in Publikums-KG, die ihren Anleger eine regelmäßige Rendite bieten möchten, deutlich häufiger auf als bei Familienunternehmen, bei denen man verstanden hat, dass nur erwirtschaftetes Geld auch ausgegeben werden darf. Dennoch sollte jeder Kommanditist darauf achten (und selbst prüfen), dass seine Kommanditgesellschaft ausreichend Rücklagen bildet und eine Rückzahlung von Einlagen nicht erfolgt. Im Notfall muss die Ausschüttung eben zurückgezahlt werden – dann gibt es auch keine Außenhaftung.
Die Inanspruchnahme auch der Kommanditisten des Dachfonds durch den Insolvenzverwalter der unteren Fonds- bzw. Beteiligungsgesellschaften steht im Einklang mit der gleichmäßigen und gemeinschaftlichen Befriedigung deren Gläubiger.