12. Februar 2021
Digitalisierungsrichtlinie Notariat
Corporate / M&A

Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie als erster Schritt in Richtung eines „virtuellen Notariats″

Eine GmbH gründen von zu Hause aus? Ja! – Eine GmbH gründen ohne Notar? Nein!

Am 10. Februar 2021 hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (DigRL) veröffentlicht (Regierungsentwurf). Der Regierungsentwurf baut auf dem am 18. Dezember 2020 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlichten Referentenentwurf auf und sieht die Möglichkeit einer virtuellen Beurkundung bei einer GmbH-Gründung vor. 

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungs-Richtlinie in Deutschland 

Ziel der DigRL ist es, insbesondere die Gründung von Kapitalgesellschaften und die Eintragung von Zweigniederlassungen durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren zu erleichtern. Sie soll die Kosten sowie den Zeit- und Verwaltungsaufwand für diese Vorgänge reduzieren. 

Wesentliche Teile der DigRL müssen durch die Mitgliedsstaaten bis spätestens August 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Da Deutschland von der in der DigRL angelegten Verlängerungsoption Gebrauch gemacht hat, ist eine Umsetzung nun erst bis August 2022 verpflichtend.

Der derzeitige Stand des Regierungsentwurfes sieht insbesondere folgende Neuregelungen vor: 

  • Möglichkeit der Online-Gründung einer GmbH sowie der Unterzeichnung von Handelsregisteranmeldungen,
  • Anpassung des Bekanntmachungswesens für die Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister,
  • Umstellung des Systems zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen sowie
  • Einführung eines grenzüberschreitenden Informationsaustausches zu disqualifizierten Geschäftsführern.

DigRL soll Online-Gründung einer GmbH ermöglichen

Während die DigRL die Möglichkeit der Online-Gründung nicht nur für die GmbH, sondern auch für die AG und KGaA vorsieht, macht der Regierungsentwurf von der in der DigRL vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Online-Gründung auf die GmbH zu beschränken.

Der Regierungsentwurf sieht dabei vor, dass zukünftig die Bargründung einer GmbH (auch in der Rechtsformvariante der UG (haftungsbeschränkt)) sowie im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefasste Gesellschafterbeschlüsse auch mittels Videokommunikation erfolgen können. 

Ein mutiger Gesetzgeber hätte die Möglichkeit ergriffen und Gesellschafterbeschlüsse mittels Videokommunikation grundsätzlich zugelassen. Jedoch betrifft der Regierungsentwurf nur Beschlüsse, die mit der Gründung in engem Zusammenhang stehen oder für diese erforderlich sind, sodass eine nach der Gründung zu beurkundende Kapitalerhöhung oder andere Satzungsänderungen nicht mittels Videokommunikation erfolgen können. 

Die Beurkundung hat dabei weiterhin durch einen Notar zu erfolgen. Um eine sichere Videokommunikation zu gewährleisten, ist die Online-Gründung ausschließlich unter Verwendung eines von der Bundesnotarkammer bereitgestellten Videokommunikationssystems zulässig. Der Notar ist dabei verpflichtet, die entsprechende Infrastruktur für eine solche Online-Beurkundung vorzuhalten. Sofern der Notar in der konkreten Situation seine Amtspflichten mittels Videokommunikation nicht gewährleisten kann, muss der Notar weiterhin auf eine Präsenzbeurkundung bestehen. 

Zudem ist der Notar verpflichtet, seine Amtstätigkeit nur in seinem Amtsbereich, d.h. in dem Amtsgerichtsbezirk seines Amtssitzes, auszuüben. Bei einer Online-Beurkundung ist dies unter anderem dann gewährleistet, wenn sich in seinem Amtsbereich der Sitz der betroffenen Gesellschaft oder der Wohnsitz oder Sitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft befindet.

Personalausweis kann als Identifikationsnachweis dienen

Vor dem Eintritt in die virtuelle Beurkundung hat sich der Notar über die Person der Beteiligten Gewissheit anhand eines elektronisch übermittelten Lichtbildes sowie eines elektronischen Identitätsnachweises zu verschaffen. Die hierfür relevanten Informationen werden dem beurkundenden Notar über das Videokommunikationssystem zur Verfügung gestellt. 

Das Lichtbild und der elektronische Identitätsnachweis können beispielsweise aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises ausgelesen werden. Sämtliche seit 2017 ausgestellten Personalausweise verfügen über eine Online-Ausweisfunktion, die jedoch vorab einmalig von dem Inhaber des Personalausweises zu aktivieren ist. Für die Aktivierung wird neben dem passenden Personalausweis ein NFC-fähiges Mobiltelefon oder ein Kartenlesegerät sowie eine entsprechende Software benötigt. 

Informationsaustausch und qualifizierte elektronische Signaturen für die Online-GmbH-Gründung

Im Rahmen des für die Online-Beurkundung zu nutzenden Videokommunikationssystems erfolgt anschließend ein digitaler Austausch von Informationen und Dokumenten mit dem beurkundenden Notar sowie zugleich eine Videokonferenz für die Durchführung der Beurkundung. Der Notar nimmt bei der Beurkundung eine elektronische Niederschrift über die Verhandlung auf. Sofern die Beurkundung teils mit physisch bei dem Notar anwesenden und teils mit virtuell Beteiligten stattfindet, hat der Notar neben der elektronischen Niederschrift eine physische Niederschrift aufzunehmen.

Anstelle der bislang vorgesehenen Unterzeichnung der Urkunde durch die Erschienenen, ist die elektronische Niederschrift mit qualifizierten elektronischen Signaturen zu versehen. Das von der Bundesnotarkammer noch einzurichtende Videokommunikationssystem wird eine entsprechende Möglichkeit der elektronischen Unterzeichnung durch die Urkundsbeteiligten vorsehen.

Online-Handelsregisteranmeldungen

Der Regierungsentwurf sieht ebenfalls die Möglichkeit vor, Handelsregisteranmeldungen von Einzelkaufleuten, GmbH, AG, KGaA, Genossenschaften, deren Zweigniederlassungen sowie Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften der EU-Mitgliedstaaten und EWR-Vertragsstaaten, nicht jedoch Personenhandelsgesellschaften, durch Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur mittels Videokommunikation vorzunehmen. 

Neben der Anmeldung zur erstmaligen Eintragung des jeweiligen Rechtsträgers umfasst dies sämtliche weitere Folgeanmeldungen (wie etwa Änderungen in der Person des GmbH-Geschäftsführers oder Prokuristen). Bei Satzungsänderungen wird dies voraussichtlich nicht relevant werden, da der die Satzungsänderung beurkundende Notar die Handelsregisteranmeldung selbst nach § 378 Abs. 2 FamFG vornehmen kann.

Anpassung des Bekanntmachungswesens für die Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister

Der Regierungsentwurf sieht eine Anpassung des Bekanntmachungswesens für die Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister vor. Neue Informationen in diesen Registern sollen künftig dadurch bekanntgemacht werden, dass sie erstmalig zum Abruf über das gemeinsame Registerportal der Länder bereitgestellt werden. Eine separate Bekanntmachung von Eintragungen soll nicht mehr erfolgen und das bestehende kostenlose Bekanntmachungsportal unter www.handelsregisterbekanntachungen.de soll abgeschafft werden. Im Gegenzug wird der Abruf von Registerauszügen zukünftig für jedermann kostenlos gestaltet sein.

Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen im Unternehmensregister

Nach dem gegenwärtigen System sind die Rechnungslegungsunterlagen zunächst beim Betreiber des Bundesanzeigers einzureichen und werden erst nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger an das Unternehmensregister übermittelt. 

Der Regierungsentwurf sieht vor, dieses System umzustellen. So sollen die Rechnungslegungsunterlagen nicht länger beim Bundesanzeiger eingereicht werden, sondern unmittelbar an die das Unternehmensregister führende Stelle zur Einstellung in das Unternehmensregister übermittelt werden. Die Rechnungslegungsunterlagen sind somit zukünftig ausschließlich im Unternehmensregister abrufbar.

Grenzüberschreitender Informationsaustausch zu disqualifizierten Geschäftsführern 

Die DigRL verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ein System zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über disqualifizierte organschaftliche Vertreter von Kapitalgesellschaften einzurichten. Ziel ist es, dass inländische Bestellungshindernisse auch bei der Bestellung von organschaftlichen Vertretern von Kapitalgesellschaften in anderen Mitgliedstaaten der EU und Vertragsstaaten des EWR berücksichtigt werden. Umgekehrt sollen Bestellungshindernisse oder entsprechende Informationen aus anderen Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten bei einer geplanten inländischen Bestellung beachtet werden.

Gegenwärtig findet in Deutschland keine automatisierte Prüfung von Bestellungshindernissen statt. Beurteilungsgrundlage ist vielmehr die strafbewehrte eigene Versicherung von Geschäftsführern und Vorständen im Rahmen der Handelsregisteranmeldung.

Da auch Bestellungshindernisse oder entsprechende Informationen aus anderen Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten bei einer geplanten inländischen Bestellung zukünftig berücksichtigt werden sollen, sieht der Regierungsentwurf eine Anpassung der materiellen Bestellungshindernisse bei Geschäftsführern und Liquidatoren einer GmbH sowie bei Vorstandsmitgliedern oder Abwicklern einer Aktiengesellschaft vor.

Ersuchen andere EU-Mitgliedsstaaten oder Vertragsstaaten des EWR um entsprechende Informationen, soll dies in den Zuständigkeitsbereich des Unternehmensregisters fallen. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Mitgliedsstaaten in absehbarer Zeit auf eine Harmonisierung der Disqualifikationstatbestände einigen werden, bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang Informationsanfragen anderer EU-Mitgliedsstaaten und Vertragsstaaten des EWR an das Unternehmensregister herangetragen werden.

Das „virtuelle Notariat″ – Zukunft oder Zukunftsmusik

Die COVID-19-Pandemie hat zu einer weiten Akzeptanz der Videokommunikation im geschäftlichen Umfeld geführt. Dies wird zukünftig durch die Möglichkeiten der Online-Gründung einer GmbH und der Online-Anmeldungen zum Handelsregister flankiert. Der Regierungsentwurf bleibt hier jedoch klar hinter den mit der DigRL eingeräumten Möglichkeiten zurück. Der deutsche Gesetzgeber strebt eine eher „konservative″ Umsetzung der DigRL an. Man darf gespannt sein, ob und in welchem Umfang sich die Online-Gründung der GmbH in der täglichen Praxis etabliert und im Zuge dessen die Möglichkeit von Online-Beurkundungen erweitert wird. 

Ob darüber hinaus zukünftig auf europäischer Ebene weitere Maßnahmen zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht zu erwarten sind, wird maßgeblich von den Ergebnissen der geplanten, durch die Europäische Kommission durchzuführenden Evaluation zur Umsetzung der DigRL abhängen.

Tags: Digitalisierungsrichtlinie GmbH Gründung Notariat