28. Oktober 2024
Digitalisierungsrichtlinie II Unternehmensinformationen
Corporate / M&A

Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht geht in die nächste Runde

Abbau von Bürokratie und mehr Transparenz für grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten: Das verspricht der Vorschlag zur Digitalisierungsrichtlinie II der EU!

Die EU will die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht weiter vorantreiben. Am 29. März 2023 hat die Europäische Kommission dafür einen Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht vorgestellt (COM [2023] 177). Knapp ein Jahr später haben auch das Europäische Parlament und der Rat eine vorläufige Einigung über die Änderungsrichtlinie erzielt.

Der Vorschlag sieht eine erneute Überarbeitung und Erweiterung der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2017/1132) vor und ergänzt die im vergangenen Jahr in Deutschland umgesetzte Digitalisierungsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2019/1151; umgesetzt durch das DiRUG (Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie)), nach der mittlerweile auch Unternehmensgründungen online möglich sind.

Nach dem Motto „Europe fit for the digital age“ ist Ziel des aktuellen Vorschlags, durch die Nutzung digitaler Werkzeuge und Verfahren im EU-Gesellschaftsrecht, die Geschäftsaktivitäten grenzüberschreitend tätiger Unternehmen durch Bürokratieabbau zu erleichtern und den EU-weiten Zugang zu zuverlässigen Unternehmensinformationen weiter zu verbessern und zu harmonisieren. 

Um dieses Ziel zu erreichen, enthält der Vorschlag zur Digitalisierungsrichtlinie II insbesondere die nachfolgenden Kernelemente:

  • Verlässliche Unternehmensinformationen und europaweite Unternehmensregister – Erweiterung der Registerinhalte zu Personengesellschaften und Konzernen und Verknüpfung verschiedener Register durch einheitlichen Zugriff auf die Verbundsysteme BRIS, BORIS und IRI;
  • Abbau von Formalitäten und Einführung des sog. „once-only“-Principle – Reduzierung von Legislation- und Übersetzungserfordernissen und Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Erfassung von Unternehmensinformationen in nationalen bzw. EU-weiten Unternehmensregistern;
  • Einführung einer digitalen EU-Vollmacht – Ermächtigung zur Vertretung von Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten mittels mehrsprachiger Standardvorlagen; 
  • Einführung einer EU-Gesellschaftsbescheinigung (EU Company Certificate – EUCC) – Zurverfügungstellung wesentlicher Unternehmensinformationen auf einem Blick in allen EU-Amtssprachen.

Die Auswirkungen der geplanten Maßnahmen sind nicht zu unterschätzen. Die Regelungen werden rund 16 Millionen Kapitalgesellschaften und 2 Millionen Personengesellschaften in der EU betreffen. Die Verwaltungskosten, die durch die Umsetzung der neuen Richtlinie eingespart werden sollen, werden auf etwa EUR 437 Millionen jährlich geschätzt. Erreicht werden soll das im Detail durch die nachfolgenden Maßnahmen:

Verlässliche und transparente Unternehmensinformationen nun auch für Personengesellschaften und Konzerne

Als ein großes Ziel verfolgt die Richtlinie die Erhöhung der Transparenz in Bezug auf Unternehmensdaten. Wie im Vorschlag zur Digitalisierungsrichtlinie II zutreffend formuliert, ist es für einen funktionierenden Binnenmarkt unerlässlich, dass zentrale Informationen über die am Markt agierenden Unternehmen öffentlich, idealerweise EU-weit, abrufbar sind und der Vertragspartner sich auf diese Informationen verlassen kann.

Nachholbedarf besteht an dieser Stelle im Hinblick auf die Publizität von zentralen Informationen über Personengesellschaften und Konzernstrukturen. Durch die Änderungsrichtlinie sollen Informationen zur Firma, Rechtsform, Geschäftsadresse, Einlagen der Gesellschafter und persönlicher Haftung des Komplementärs von Personengesellschaften genauso erfasst werden wie die Europäische digitale Identität (European unique identifier – EUID) jeder Tochtergesellschaft im Konzern, Name der Konzern-Unternehmensgruppe, wenn er sich vom Namen der obersten Muttergesellschaft unterscheidet sowie eines Charts zur Gruppenstruktur.

Der damit verbundene Aufwand für in Deutschland ansässige Personengesellschaften dürfte allerdings eher gering sein. Nach Anhang IIB der Änderungsrichtlinie sind in Deutschland die oHG und die KG betroffen. Für beide Gesellschaftsformen bestehen national bereits jetzt zahlreiche Meldepflichten zum Handelsregister. Auch für Konzerne sollte nach aktuellem Stand der Aufwand gering sein, da sich die Informationen aus den bereits beim Handels- und Unternehmensregister einzureichenden Unterlagen ergeben sollten.   

Allerdings besteht auch im Hinblick auf die Qualität und Prüfung der eingereichten Informationen und Dokumente zum Teil Nachholbedarf. Denn nicht alle Handelsregister der Mitgliedstaaten enthalten dem Umfang und der rechtlichen Wirkung ausreichend harmonisierte Unternehmensinformationen, weshalb bislang auch nicht immer alle Dokumente aus anderen europäischen Handelsregistern gleichermaßen akzeptiert wurden. 

Durch die Änderungsrichtlinie sollen – unter Beachtung der mitgliedsstaatlichen Rechtstraditionen – gewisse „Mindeststandards“ festgesetzt werden. Hierunter fällt die administrative oder gerichtliche Kontrolle sowie Rechtmäßigkeitsprüfung der Gründungsdokumentation und die Kontrolle der Gesellschaftsinformationen vor Eintragung in das Unternehmensregister. Neu ist dabei auch die Verpflichtung, dass die hinterlegten Informationen zu den einzelnen Gesellschaften und Konzernstrukturen rechtzeitig (innerhalb von zwei Wochen) zu aktualisieren, und deren Aktualität mindestens einmal jährlich von der Konzernmutter oder einer europäischen Holding-Gesellschaft zu bestätigen sind. Andernfalls können sogar Sanktionen verhängt werden, deren Ausgestaltung den Mitgliedsstaaten obliegt. 

Insgesamt sind die avisierten Maßnahmen positiv zu bewerten, da hierdurch die Verfügbarkeit, Aktualität und Zuverlässigkeit der Gesellschaftsinformationen europaweit verbessert und harmonisiert werden. 

Verbindung von BRIS, BORIS und IRI

Sämtliche Unternehmensinformationen mit nur wenigen Klicks abrufbar? Auch dieses Ziel nimmt die EU in ihrem Vorschlag in Angriff. So sollen die bereits bestehenden Registersysteme auf Unionsebene miteinander verbunden werden. 

Konkret geht es dabei um das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (EU Business Registers Interconnection System – BRIS), das Register der wirtschaftlichen Eigentümer (EU Beneficial Ownership Registers Interconnection System – BORIS) und das Insolvenzregister (EU Insolvency Registers Interconnection System- IRI).

Durch die Verbindung der drei Systeme soll es Nutzern ermöglicht werden, gleichzeitig auf Informationen aus allen drei Registern zuzugreifen. Die Zuordnung von Informationen zu einer Gesellschaft soll dabei über die bereits eingeführte europäische Kennung „EUID“ erfolgen. In Verbindung mit der Ausweitung der zu hinterlegenden Unternehmensinformationen würden diese Änderungen einen großen Schritt in Richtung eines einheitlichen „EU-Registers“ bedeuten.

Abbau bürokratischer Hürden und „once-only“-Principle – Erleichterungen bei Gründungen in anderen Mitgliedstaaten 

Neben der Erhöhung der Transparenz in Bezug auf Unternehmensdaten ist der Abbau von Bürokratie das zweite große Ziel, das mit der geplanten Änderungsrichtlinie verfolgt wird. Aktuell sind bei der Anmeldung einer Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat sämtliche Dokumente der anmeldenden Gesellschaft, meist inklusive Legalisierung (z.B. Apostille) und Übersetzung, erneut einzureichen. 

Damit soll nun, zumindest teilweise, Schluss sein. Nach der Digitalisierungsrichtlinie II sollen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass beglaubigte Auszüge vernetzter Register ohne weitere Legalisation in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden können, sofern bestimmte Mindestanforderungen erfüllt sind. Auch sollen notarielle Urkunden und Verwaltungsdokumente sowie deren beglaubigte Abschriften vom Erfordernis weiterer Legalisation befreit sein sowie das Erfordernis einer Übersetzung der Dokumente entfallen, wenn sie über EU-Vertrauensdienste (nach der Verordnung (EU) Nr. 910/2014) authentifiziert wurden oder in Papierform mit eindeutiger und elektronisch nachprüfbarer Protokoll- oder Kennnummer versehen sind.

Mit dem „once-only“-Principle sieht der Vorschlag zur Änderungsrichtlinie – wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt – vor, dass Unternehmen zukünftig dieselben Informationen nicht mehr als einmal vorlegen müssen. Das würde erhebliche Erleichterungen gerade für Unternehmen bedeuten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung errichten möchten. Denn zukünftig sollen die relevanten Informationen direkt zwischen dem Register, in dem die Gesellschaft eingetragen ist und dem Register, in dem die Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung eingetragen werden soll, elektronisch ausgetauscht werden. Der Austausch der Daten soll dabei über das BRIS erfolgen. 

Der Abbau der bürokratischen Hürden und das „once-only“-Principle würden damit nicht nur den Zeitaufwand, sondern auch die Kosten der Unternehmen erheblich reduzieren.

Digitale EU-Vollmacht soll Vertretung von Unternehmen erleichtern

Zur Vereinfachung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten soll zudem eine digitale EU-Vollmacht eingeführt werden, mit der eine Person zur Vertretung eines Unternehmens in einem anderen EU-Mitgliedstaat ermächtigt werden kann. Die EU-Kommission soll hierfür eine Mustervollmacht bereitstellen, die in allen offiziellen EU-Amtssprachen verfügbar sein wird. 

Die Erteilung und der Widerruf der Vollmacht sollen sich nach den nationalen Vorschriften richten. Um allerdings ein EU-weites Mindestniveau sicherzustellen, müssen die nationalen Regelungen mindestens die Überprüfung der Identität, der Rechts- und Geschäftsfähigkeit und die Vertretungsbefugnis der Person vorsehen, die die Vollmacht erteilt. Die Vollmacht und jede Änderung sind im Handels- oder Unternehmensregister des zu vertretenden Unternehmens zu hinterlegen.

Alles Wesentliche auf einen Blick – das EU Company Certificate

Mit dem Ziel vor Augen, Formalitäten abzubauen, sieht der Vorschlag zur Änderungsrichtlinie neben den oben genannten Maßnahmen auch die Implementierung einer harmonisierten EU-Gesellschaftsbescheinigung (EU Company Certificate – EUCC) vor. War bislang der Nachweis über z.B. die Existenz der Gesellschaft oder ihre Vertretungsregelung allein über einen nationalen Registerauszug des jeweiligen Mitgliedstaates möglich, so soll die neue Gesellschafsbescheinigung auch in diesem Bereich zur Vereinheitlichung des Nachweises von Unternehmensinformationen im EU-Binnenmarkt beitragen. 

Die EU-Gesellschaftsbescheinigung soll dabei alle wesentlichen Informationen über die Kapital- oder Personengesellschaft wie Existenz, Rechtsform, Sitz, Vertretung enthalten und teilweise kostenlos in allen EU-Amtssprachen verfügbar sein. Die Ausstellung und Beglaubigung der EU-Gesellschaftsbescheinigung ist bei den Handels- und Unternehmensregistern der Mitgliedstaaten angesiedelt und jedoch in digitaler Form auch über das BRIS abrufbar. Zu klären wird sein, ob die Handels- und Unternehmensregister auch für die Ausstellung oder Übersetzung in sämtliche EU-Amtssprachen verantwortlich sein werden.

Die Einsatzmöglichkeiten der EU-Gesellschaftsbescheinigung, welche sowohl in elektronischer Form als auch in Papierform verfügbar sein soll, sind indes vielfältig. Der große Vorteil: sie muss von allen EU-Mitgliedstaaten als Nachweis für die in ihm enthaltenen Unternehmensdaten anerkannt werden.

Die EU-Gesellschaftsbescheinigung könnte somit unter anderem im Rahmen von Verwaltungsverfahren gegenüber Behörden oder bei Gerichtsverfahren in anderen Mitgliedstaaten oder auch gegenüber EU-Einrichtungen und Registern eingesetzt werden.  

Vorschlag zur Digitalisierungsrichtlinie II als wichtiger Schritt in die richtige Richtung

Der Vorschlag zur Änderungsrichtlinie zeigt deutlich, dass auch im Gesellschaftsrecht die digitale Transformation weiter voranschreitet. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein wichtiger Beitrag für die weitere Digitalisierung im Gesellschaftsrecht. Auch würden bürokratische Hürden deutlich reduziert und Transparenz und Vertrauen hinsichtlich Unternehmensinformationen erheblich gestärkt werden.

Zudem steht jetzt schon fest: die EU möchte sich darauf nicht ausruhen. Die EU-Kommission soll weiter prüfen, ob tiefergehende Informationen zu Konzernen offengelegt werden oder Genossenschaften in die Regelungen einbezogen werden sollen.

Wann genau die geplanten Regelungen zur Digitalisierungsrichtlinie II in Kraft treten werden, steht noch nicht fest. Die Mitgliedstaaten werden ab Inkrafttreten der Änderungsrichtline zweieinhalb Jahre Zeit haben, um die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. 

Auch wenn damit noch einige Schritte bis zur endgültigen Umsetzung zu gehen sind, kann bereits heute festgehalten werden, dass die eingeschlagene Richtung stimmt und ein weiterer großer Schritt in eine digitale Zukunft erfolgt ist.

Tags: BORIS BRIS Corporate / M&A Gesellschaftsrechtsrichtlinie IRI Unternehmensinformationen