Bald soll alles online gehen: Von der Gründung eines Unternehmens über die Einreichung von Unterlagen bis zur Registrierung von Zweigniederlassungen.
Die Europäische Kommission hat als Teil des „EU Company Law Packages″ einen europäischen Rechtsrahmen für Online-Gründungen bei Kapitalgesellschaften, Online-Einreichungen von Gesellschaftsunterlagen und für Online-Registrierungen von Zweigniederlassungen geschaffen.
Der Vormarsch der Digitalisierung macht auch vor dem Gesellschaftsrecht keinen Halt. Im Zeitalter von Digital Natives, Blockchain und Artificial Intelligence bedarf auch das Gesellschaftsrecht einer digitalen „Renovierung″. Hierfür hat der europäische Gesetzgeber einen neuen Rechtsrahmen geschaffen, der u.a. ermöglichen soll, dass Kapitalgesellschaften komplett online und damit ohne Notar gegründet werden können. Darüber hinaus sollen künftig weitere „digitale Werkzeuge und Verfahren″ für den Kontakt mit Behörden zur Verfügung stehen.
Das EU Company Law Package: Digitalisierung des Binnenmarktes
Im April 2018 hatte die Europäische Kommission erstmals einen Vorschlag für ein „Company Law Package″ veröffentlicht, um damit die Digitalisierung des Binnenmarktes weiter voran zu treiben. Das EU Company Law Package besteht im Wesentlichen aus zwei Richtlinien und soll zum einen die Vereinheitlichung der umwandlungsrechtlichen Vorgänge in der europäischen Union und zum anderen die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts durch Einführung von Online-Gründungen sowie digitalen Werkzeugen und Verfahren im Behördenverkehr fördern.
Letztere ist als Richtlinie „zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht″ (Richtlinie (EU) 2019/1151) am 31. Juli 2019 in Kraft getreten und von den EU-Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten zwei Jahren umzusetzen.
Digitaler Wandel und seine Schranken im Gesellschaftsrecht
Nach der europäischen Richtlinie zum Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht sollen alle EU-Mitgliedstaaten künftig sicherstellen, dass Kapitalgesellschaften komplett online gegründet, Gesellschaftsunterlagen online eingereicht und selbst Zweigniederlassungen online registriert werden können. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne, da zu einem digitalen Binnenmarkt auch die gesellschaftsrechtliche, digitale Vernetzung und damit ein einheitlicher Standard gehört – der heute jedenfalls noch nicht besteht.
Die Richtlinie steckt hierfür lediglich die Eckpfeiler fest. Den Mitgliedstaaten selbst obliegt es dabei detaillierte Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Dabei müssen jedoch gewisse Mindeststandards für die allgemeine Rechtssicherheit und der Vermeidung von Missbrauch beachtet werden (z.B. Identitätsprüfung im Rahmen der Gründung und bei der Bestellung von Geschäftsführern).
Online-Gründungen und Online-Registrierungen sollen ermöglicht werden
Die Online-Gründung von Kapitalgesellschaften soll für alle in Anhang IIA gelisteten Kapitalgesellschaften möglich und bei Bedarf auch auf andere dort nicht enthaltene Kapitalgesellschaften des jeweiligen Landes ausgeweitet werden. In Deutschland betrifft dies zunächst nur die GmbH. Eine Ausweitung auf die AG oder KGaA ist zwar denkbar, aufgrund ihrer Komplexität jedoch nicht zu erwarten. Die für Gründer interessante Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) wird dagegen wohl erfasst sein, da es sich um eine Variante der GmbH handelt.
Um den Gründungsvorgang nochmals zu vereinfachen, werden alle EU-Mitgliedstaaten entsprechende Gründungsmuster bereitstellen – und zwar in der eigenen Landessprache und mindestens noch in einer Sprache, die von
einer möglichst großen Zahl grenzüberschreitender Nutzer weitgehend verstanden wird.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Gründungsmuster in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung gestellt werden. Diese Gründungsmuster können – aber müssen nicht – für die Online-Gründung genutzt werden. Gerade im Falle einer Gründung durch mehrere Gesellschafter empfiehlt es sich meist, einen individuell auf die Gesellschafter ausgerichteten Vertrag zu verwenden.
Darüber hinaus soll es möglich sein für eine Gesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, eine Zweigniederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat online registrieren zu lassen. Auch sollen eine Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Unterlagen, wie Gesellschafterbeschlüsse und Handelsregisteranmeldungen betreffend Satzungsänderungen oder die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern online einzureichen sein.
Die Vorteile von Online-Gründungen und -Registrierungen liegen auf der Hand: Sie werden nicht nur Kosten, sondern auch Zeit sparen. Die neuen Gesellschaften und Zweigniederlassungen können dann ohne persönliches Erscheinen vor einem Notar oder einer Behörde errichtet und innerhalb von 10 Tagen im Handelsregister eingetragen werden.
Herausforderungen bei der elektronischen Identifizierung
Umstritten war lange die Frage, wer künftig eine Gesellschaft online gründen darf. Eine mögliche Begrenzung der Online-Gründer-Eigenschaft auf natürliche Personen (was vorab kontrovers diskutiert wurde), sieht die Richtlinie nun nicht vor. Das bedeutet, dass grundsätzlich jede natürliche Person, aber auch jede juristische Person eine Kapitalgesellschaft online gründen darf.
Das wird die Mitgliedstaaten jedoch vor neue Herausforderungen stellen, da die Identitätsprüfung einer juristischen Person komplizierter sein kann als die einer natürlichen Person – vor allem im Falle von ausländischen juristischen Personen.
Der europäische Gesetzgeber möchte einen möglichen (Identitäts-)Missbrauch durch die elektronische Einreichung von Nachweisdokumenten (zur Existenz und Vertretungsbefugnis) vermeiden. Gleichzeitig soll die elektronische Einreichung jedoch nicht dazu führen, dass die jeweiligen bereits bestehenden mitgliedstaatlichen Voraussetzungen für die Prüfung der Echtheit von Dokumenten herabgesetzt werden.
Die Mitgliedstaaten sollen zu diesem Zweck entsprechende qualifizierte elektronische Identifizierungsmittel zur Verfügung stellen. In Deutschland ist dies teilweise schon durch den Einsatz von neuen Personalausweisen mit Online-Ausweisfunktion geschehen. Bei deutschen juristischen Gesellschaften können Existenz und Vertretungsbefugnis über das elektronische Handelsregister abgerufen werden.
Handelt es sich jedoch um ausländische, wenn auch europäische juristische Personen, ist dies nicht ganz so einfach. Denn nicht alle Handelsregister der Mitgliedstaaten führen ein dem Umfang und der rechtlichen Wirkung entsprechendes Handelsregister wie Deutschland. In diesen Fällen muss heute der Existenz- und Vertretungsnachweis oftmals papierhaft beglaubigt und mit einer Apostille versehen werden. Dieser Vorgang kann jedoch momentan (noch) nicht elektronisch abgebildet werden. Aus diesem Grund hat der europäische Gesetzgeber vorgesehen, dass Nachweisdokumente auch noch durch einen papierhaften Nachweis eingereicht werden können. Inwiefern dies einen Einfluss auf die reduzierten Kosten und Dauer des Verfahrens hat, bleibt abzuwarten.
Das europäische Register – Alle für einen und einer für alle?
Zukünftig soll es ein europäisches System zu Vernetzung der nationalen Unternehmensregister (Business Registers Interconnection System (BRIS)) geben, das den Abruf und die Überprüfung von Gesellschaften europaweit erleichtern soll. Alle europäischen Gesellschaften erhalten hierfür eine europäische Kennung, die sog. EUID. Alle eingereichten Informationen zu den Gesellschaften werden einheitlich unter dieser EUID-Kennung abgelegt und sollen so europaweit einheitlich abrufbar sein (once-only-Prinzip).
Ein einheitliches Register ist sehr zu begrüßen. Jedoch gibt es auch hier ein kleines „aber″: Selbst, wenn dort alle Gesellschaften künftig abrufbar sein sollen, so ist der Standard der zu hinterlegenden Informationen noch nicht hinreichend harmonisiert. Folglich sind nicht von jeder Gesellschaft die gleichen Informationen abrufbar.
Fazit: Ein digitaler Schritt im Gesellschaftsrecht nach dem anderen…
Insgesamt ist die neue Richtlinie zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts als wichtiger Schritt in die digitale Zukunft zu begrüßen, da sie einige Erleichterungen im europäischen Rechtsverkehr mit sich bringt. Um zu einer vollständige Harmonisierung der gesellschaftsrechtlichen Standards zu gelangen, sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Es bleibt spannend, was die EU-Mitgliedstaaten in den nächsten zwei Jahren hieraus machen und welche Änderungen am bisherigen EU Company Package Law (und der nationalen Gesetze) hieraus folgen werden.