Am 1. August 2022 fällt der Startschuss: Die Gründung einer GmbH ist dann auch digital möglich. Ob die Neuregelung ein „großer Wurf“ ist, muss sich noch zeigen.
Für die Gründung einer GmbH in Deutschland ist bislang das physische Erscheinen vor einem Notar* zwingend erforderlich. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag der notariellen Beurkundung. Die Gründungsurkunde muss den Gründern in Gegenwart eines Notars vorgelesen, von ihnen genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden.
Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte lässt das Gesetz zwar zu, allerdings nach § 2 Abs. 2 GmbHG nur auf Grund einer Vollmacht, die ihrerseits notariell errichtet oder beglaubigt werden muss. Für den in Deutschland ansässigen Gründungswilligen bedeutet dies lediglich einen kurzen Gang zum Notar. Wird die Vollmacht hingegen im Ausland unterzeichnet, so führt das mühsame Verfahren mit Apostille bzw. Legalisation zu teils erheblichen zeitlichen Verzögerungen.
Künftig erleichterte Bargründung von GmbH und UG (haftungsbeschränkt)
Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (2019/1151/EU) vom 5. Juli 2021 (DiRUG) ermöglicht ab dem 1. August 2022 sowohl für die GmbH als auch für ihre „kleine Schwester“, die UG (haftungsbeschränkt), die Gründung in einem Online-Verfahren. Umgesetzt wird das neue Online-Verfahren durch eine punktuelle Änderung des GmbHG (§ 2 Abs. 3 S. 1 GmbHG n.F.), das die Online-Beurkundung aber auf den Fall der Bargründung beschränkt, sowie durch Anpassungen des BeurkG (§§ 16a ff. BeurkG n.F.) und der BNotO.
Ablauf der Online-Gründung: Identifizierung der Beteiligten, elektronische Niederschrift und qualifizierte elektronische Signatur
Die Online-Gründung wird mittels Videokonferenz durch ein von der Bundesnotarkammer einzurichtendes und zu betreibendes Videokommunikationssystem erfolgen. Das neue System soll nicht nur die Kommunikation in Echtzeit ermöglichen, sondern auch der elektronischen Übermittlung von Dokumenten und Vertragsentwürfen dienen.
Im Einzelnen:
- Die Identifizierung der Beteiligten erfolgt über ein Zwei-Faktor-Verfahren (§ 16c BeurkG n.F.). Zunächst erfolgt eine elektronische Identifizierung durch einen elektronischen Identitätsnachweis wie bspw. Personalausweise/Aufenthaltstitel mit eID-Funktion. Außerdem wird das Lichtbild aus dem Ausweisdokument ausgelesen und von dem Notar mit dem Erscheinungsbild der Beteiligten verglichen. Zulässig sind allerdings zunächst nur Ausweisdokumente von Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Identifikation von Staatsangehörigen aus Drittstaaten, wie etwa der Schweiz, dem Vereinigten Königreich oder den USA, ist dagegen nicht möglich. Für sie stellt die Neuerung deshalb keine Erleichterung dar.
- Statt des bisher papierhaften Gründungsprotokolls wird künftig eine elektronische Niederschrift errichtet (§ 16b BeurkG n.F.). Die Beurkundung erstreckt sich dabei neben der Feststellung des Gesellschaftsvertrages auch auf die im Rahmen der Gründung gefassten Beschlüsse der Gesellschafter und die Bestellung der ersten Geschäftsführer. Die elektronische Niederschrift ist durch den Notar zu verlesen und auf Verlangen den Beteiligten vor der Genehmigung elektronisch zur Durchsicht zu übermitteln.
- Abschließend wird die elektronische Niederschrift mittels qualifizierter elektronischer Signatur von allen Beteiligten und dem Notar unterzeichnet (§ 16b Abs. 4 S. 1 BeurkG n.F.).
Gemischte Beurkundung möglich
Neben der rein digitalen Beurkundung ermöglicht § 16e BeurkG n.F. auch eine gemischte Beurkundung, bei der ein Teil der Beteiligten digital an der Beurkundung teilnimmt und ein anderer Teil physisch bei dem Notar anwesend ist.
In diesem Fall ist zusätzlich zu der elektronischen Niederschrift eine inhaltsgleiche Niederschrift in Papierform mit den bei dem Notar körperlich anwesenden Beteiligten aufzunehmen.
Erleichterung im Registerverfahren durch qualifizierte elektronische Signaturen
Auch in Bezug auf das Registerverfahren verschafft das DiRUG Erleichterung. Dies regelt für die GmbH-Gründung die Neufassung von § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG. Nach dieser Vorschrift kann die bislang erforderliche Unterschrift des Anmeldenden auf der Gesellschafterliste künftig durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Weiter ist vorgesehen, dass die Online-Gründung i.d.R. innerhalb von längstens zehn Werktagen nach Eingang der vollständigen Anmeldung einzutragen ist (§ 25 Abs. 3 HRV n.F.).
Daneben wird auch die notarielle Unterschriftsbeglaubigung aller übrigen Registeranmeldungen erleichtert (§ 40a BeurkG n.F. i.V.m. § 12 HGB n.F.). Sie kann künftig per Videokommunikation vorgenommen werden. Das physische Erscheinen des Anmeldenden bei einem Notar ist damit nicht mehr zwingend. Diese Erleichterung gilt im Gegensatz zur Online-Gründung nicht nur für die GmbH, sondern für alle Kapitalgesellschaften und Einzelkaufleute.
Keine Anwendung findet das Online-Verfahren auf die Beurkundung von sonstigen beurkundungspflichtigen Willenserklärungen, bspw. der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen oder Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die weiterhin ausschließlich in Präsenz beurkundet werden müssen.
Ergänzungsgesetz, u.a. für erleichterte Sachgründung und Online-Beurkundung bei Änderungen des GmbH-Gesellschaftsvertrages
Der Gesetzgeber beabsichtigt, in Zukunft weitere Erleichterungen zu schaffen. Dazu soll ein Ergänzungsgesetz verabschiedet werden. Der Regierungsentwurf dieses Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften wurde am 13. April 2022 veröffentlicht.
Unter anderem soll dann neben der digitalen Bargründung auch eine Sachgründung ermöglicht werden, bei der das Stammkapital durch Einbringung von Sacheinlagen erbracht wird. Darüber hinaus soll der Anwendungsbereich des notariellen Verfahrens der Online-Beurkundung auf einstimmig gefasste Beschlüsse zur Änderung des GmbH-Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalmaßnahmen ausgeweitet werden. Schließlich plant die Bundesregierung, Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen zum Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister in den Anwendungsbereich des notariellen Verfahrens für Online-Beglaubigungen einzubeziehen.
Digitalisierung light – ein erster Schritt ist getan, weitere müssten folgen
Ein erster (zaghafter) Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts ist getan. Ob und in welchem Umfang die jetzt beschlossenen Neuerungen die Gesellschaftsgründung tatsächlich erleichtern, wird sich in der Praxis erst zeigen müssen.
Wenigstens für die Beglaubigung der Gründungsvollmacht hätte der Gesetzgeber das Online-Verfahren noch vorsehen sollen. Gerade im internationalen Kontext, insbesondere dann, wenn Staatsangehörige aus Drittstaaten beteiligt sind, ergeben sich kaum Erleichterungen. Es bleibt bei dem zeitaufwändigen Verfahren mit notarieller Gründungsvollmacht und Apostille. Gleichwohl ist dieser erste Schritt begrüßenswert. Je besser das Institut der Online-Gründung angenommen wird und sich beweisen kann, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Gesetzgeber diesem „kleinen Wurf“ den „großen Wurf“ folgen lässt.
In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.