Elektronische Signaturen digitalisieren das Gesellschaftsrecht, ohne den Notar bei Handelsregisteranmeldungen zu ersetzen – BGH-Beschluss vom 15. Juni 2021.
Zunehmend arbeiten Gesellschafter* und Geschäftsführer von Unternehmen digital und nehmen gesellschaftsrechtliche Entscheidungen und Veränderungen papierlos vor. Häufig ist dies möglich, jedoch nicht immer. Die Gründe hierfür sind rechtliche (Form-)Anforderungen an die zu treffende Entscheidung oder verfahrensrechtliche Vorschriften, wie sie z.B. rund um das Handelsregister bestehen.
Das Handelsregister und seine Bedeutung
Das Handelsregister ist ein öffentlich einsehbares Verzeichnis und gibt Auskunft über die wesentlichen Verhältnisse eines Unternehmens. Es dient der Rechtssicherheit, da die im Handelsregister angegebenen Informationen als vollständig und zutreffend gelten (sog. Publizitätsfunktion des Handelsregisters). Deshalb sind auch Änderungen in Bezug auf die meldepflichtigen Ereignisse dem Handelsregister unverzüglich anzuzeigen, damit dieses stets aktuell ist.
Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist ein verfahrensrechtlicher Antrag der Berechtigten. Diese Anmeldepflicht obliegt bei der GmbH den Geschäftsführern, in vertretungsberechtigter Zahl oder in manchen vom Gesetz vorgesehenen Fällen sogar sämtlichen Geschäftsführern. Letzteres gilt z.B. bei der erstmaligen Anmeldung der Gesellschaft und bei der Anmeldung einer Kapitalerhöhung der GmbH.
Elektronische Anmeldung zum Handelsregister nicht ohne Notar
Für Unternehmen bedeuten Handelsregisteranmeldungen oftmals einen organisatorischen und zeitraubenden Aufwand. Dies liegt vor allem daran, dass die Anmeldung zur Einreichung in das Handelsregister nur über einen Notar erfolgen kann. Wenn Geschäftsleiter nicht am Sitz der Gesellschaft oder gar im Ausland tätig sind, gestaltet sich die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister in der Praxis oftmals kompliziert.
An dieser Situation ändert auch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5. Juli 2021 (DiRUG), das größtenteils am 1. August 2022 in Kraft tritt, nichts Wesentliches. Auch wenn durch das DiRUG nunmehr zwar die Online-Bargründung einer GmbH möglich wird, sind übrige Vorgänge nicht von den Erleichterungen betroffen. Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister erfolgen bereits seit Inkrafttreten des EHUG im Jahr 2007 elektronisch, stets bedarf es jedoch (weiterhin) der Einreichung durch einen Notar.
Die Einreichung von Dokumenten beim Registergericht zur Eintragung in das Handelsregister hat gem. § 12 Abs. 1 HGB in elektronisch öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen. Die notarielle Einreichung betrifft sowohl Dokumente, die als Anlagen einzureichen sind, als auch die Anmeldungserklärung zum Registergericht selbst.
Auch die Gründung einer GmbH muss beim Handelsregister angemeldet werden. Bislang ist das physische Erscheinen der Beteiligten vor einem Notar hierzu zwingend erforderlich. Dabei beurkundet der Notar die Gründungsurkunde nebst Gesellschaftsvertrag. Sodann müssen die Geschäftsführer bislang die Anmeldung, sprich den verfahrensrechtlichen Antrag an das Registergericht, notariell beglaubigt unterzeichnen. Dieser Antrag wird sodann vom Notar elektronisch beim Handelsregister eingereicht. Mit der Anmeldung wird auch die Gesellschafterliste, aus der sich die Gesellschafter der GmbH ergeben, übermittelt. Hinzu kommen außerdem notwendige Versicherungen der Geschäftsführer zum Stammkapital. Der Notar reicht diese Unterlagen als Anlagen zur Anmeldung elektronisch ein.
Auch wenn ab dem 1. August 2022 dieser Vorgang ebenfalls digital unter Einsatz qualifizierter elektronischer Signaturen möglich sein wird, ist auch bei der Online-Gründung weiterhin die Beteiligung eines Notars erforderlich.
Die elektronische Signatur ersetzt die elektronische Einreichung zum Handelsregister durch den Notar nicht
Der BGH hält an der Einreichung zum Handelsregister durch den Notar fest und hat dies auch mit Beschluss vom 15. Juni 2021 – II ZB 25/17 – ausdrücklich klargestellt: Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist gem. § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 Hs. 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis eines Notars elektronisch einzureichen. Die Übersendung der Eintragungsanmeldung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers der Anmeldung, also bspw. eines Geschäftsführers einer GmbH, reicht nicht aus.
Anlass für die Entscheidung des BGH war die Anmeldung der Eintragung einer inländischen – sprich deutschen – Zweigniederlassung einer englischen „private limited company by shares“, die vom Registergericht Frankfurt a.M. (u.a. deshalb) abgelehnt wurde, weil die elektronische Vorlage zwar mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, nicht aber durch einen Notar erfolgte.
Unterscheidung elektronischer Signaturen und elektronischer Handelsregistereinreichung
Durch die fortschreitende Digitalisierung des Gesellschaftsrechts gibt es mittlerweile viele verschiedene „E-Signaturen“. Hier gilt es, nicht vorschnell alle „in einen Topf zu werfen“ und zu vermischen.
So betont auch der BGH in der bereits erwähnten Entscheidung, dass die elektronisch einzureichende Anmeldung zum Handelsregister in öffentlich beglaubigter Form nach Registerverfahrensrecht von den Formvorschriften für privatschriftliche Erklärungen zu unterscheiden ist.
Elektronische Signaturen i.S.d. unionsrechtlichen eIDAS-VO können den Arbeitsalltag deutlich erleichtern, da sie insbesondere bei Dokumenten, die keiner strengen gesetzlichen oder vertraglichen Form unterliegen, den Unterzeichnungsprozess durch einen oder mehrere Unterzeichner erleichtern. Doch selbst die qualifizierte elektronische Signatur kann „lediglich“ die Identität des Unterzeichners gewährleisten und dass keine nach dem Zeitpunkt der Erstellung des qualifizierten Zertifikats nachträgliche Veränderung des mit der Signatur verbundenen Dokuments stattgefunden hat.
Die qualifizierte elektronische Signatur kann die bei der Erstellung einer Erklärung einzuhaltende Schriftform – d.h. die „klassische“ händische Unterschrift – ersetzen, sofern keine notarielle Beglaubigung der Unterschrift und keine Beurkundung des gesamten Dokuments von Gesetzes wegen erforderlich ist. Hierdurch wird die Identität des Unterzeichners sichergestellt.
Wenn es dagegen um Anmeldungen zum Handelsregister geht, ist zum Schutz des Rechtsverkehrs eine zusätzliche Bestätigung der inhaltlichen Übereinstimmung des Dokuments der Anmeldeerklärung mit dem elektronisch übermittelten Dokument erforderlich. Diese Richtigkeit kann nur ein Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes gewähren. Eine elektronische Signatur i.S.d. eIDAS-VO kann eine solche zusätzliche Kontrolle des Inhalts nicht sicherstellen und daher die Mitwirkung des Notars nicht ersetzen.
Die elektronische Einreichung durch den Notar mittels seines elektronischen Zeugnisses (§ 39a BeurkG) bestätigt die inhaltliche Übereinstimmung der elektronischen, übermittelten Datei mit dem Papierdokument. Auch bei der demnächst durch das DiRUG möglichen Online-Gründung einer GmbH wird das persönliche Erscheinen der Beteiligten vor dem Notar zwar durch den Einsatz qualifizierter elektronischer Signaturen entbehrlich, die Beurkundungs- und Übermittlungsfunktion des Notars bleibt jedoch.
Die Einreichung durch den Notar ist für Anmeldungen zum Registergericht auch erforderlich. Die Funktion des Handelsregisters, insbesondere die mit einer dortigen Eintragung verbundene Publizitätswirkung, erfordert eine besondere Richtigkeitsgewähr bei der elektronischen Übermittlung von Eintragungsanmeldungen in das Handelsregister. Vor dem Hintergrund der Informationsfunktion und des Verkehrsschutzes des Handelsregisters muss durch den unabhängigen Notar gewährleistet sein, dass der Inhalt des einzureichenden Dokuments mit dem elektronisch übermittelten Dokument übereinstimmt. Allein die Überprüfung der Identität durch eine elektronische Signatur des einzureichenden Dokuments gewährleistet diese Sicherheit nicht.
Fortschreitende Digitalisierung im Gesellschafts- und Registerverfahrensrecht unter Wahrung des Verkehrsschutzes
Zur Erleichterung des Arbeitsalltags und aus Gründen der Nachhaltigkeit werden elektronische Signaturen vermehrt im Gesellschaftsrecht eingesetzt. Auch das Registerverfahrensrecht wird digitaler.
Zur Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben im Handelsregister ist weiterhin der Weg über den Notar erforderlich und sinnvoll. Dass in Zukunft auch das Notariat vermehrt digital arbeitet, ist daher zu begrüßen. Auf diese Weise werden praktische Vorteile der Digitalisierung und die Sicherheit des Rechtsverkehrs kombiniert. Der mit dem DiRUG sowie dem DiREG eingeschlagene Weg ist daher zu begrüßen und weiter voranzutreiben.
In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.