Die GmbH wird digitaler. Gesellschafterbeschlüsse und andere Rechtsakte lassen sich in immer mehr Fällen mit elektronischen Signaturen online umsetzen.
Die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts schreitet voran. Schon nach der bisherigen Rechtslage konnten viele Gesellschafterbeschlüsse mithilfe elektronischer Kommunikationsformen gefasst werden. Durch die jüngere Entwicklung werden elektronische Signaturen für die Rechtsausübung der Gesellschafter* noch relevanter.
Am 10. Juni 2021 hat der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) beschlossen. Ab dem 1. August 2022 wird es insbesondere die Bargründung einer GmbH mithilfe einer notariellen Video-Beurkundung ermöglichen. Doch das ist nur ein erster Schritt. Kürzlich hat das Bundesjustizministerium den Entwurf eines Ergänzungsgesetzes (DiREG) veröffentlicht. Der Entwurf weitet das notarielle Online-Verfahren auf GmbH-Sachgründungen, Gründungsvollmachten und einstimmig gefasste satzungsändernde Beschlüsse einschließlich Kapitalmaßnahmen aus.
In Fortführung des Beitrags über die Neuerungen bei der GmbH-Gründung beleuchten wir hier das künftige Anwendungsgebiet elektronischer Signaturen im Rahmen der Gesellschafterversammlung, der Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschaftervereinbarungen.
Zur Erinnerung: Drei Arten elektronischer Signaturen in der EU
Das Unionsrecht (eIDAS-VO) lässt drei Arten der elektronischen Signatur auf dem europäischen Binnenmarkt zu:
- Die einfache elektronische Signatur (auch „SES“ für Simple Electronic Signature) sind Daten in elektronischer Form, die der Unterzeichner durch Beifügung oder logische Verbindung zum Unterzeichnen von anderen Daten in elektronischer Form verwendet (Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO). Das ist bereits die einfache Namensnennung am Ende eines Textes, aber auch eine kopierte oder eingescannte Unterschrift, gleich ob sie mithilfe eines herkömmlichen Scans, eines Unterschriftenpads oder sonstiger Signing Tools erstellt wurde. Eine solche Signatur lässt sich beliebig vervielfältigen und unter andere elektronische Dokumente setzen. Aus diesem Grund hat sie keinen Sicherheitswert (BT-Drucks. 14/4662, 18). Rechtsgültig kann sie daher nur eingesetzt werden, wo das Gesetz die Textform gem. § 126b BGB genügen lässt. Wo das Gesetz die Schriftform, eine notarielle Beglaubigung oder notarielle Beurkundung vorsieht, genügt eine einfache elektronische Signatur nicht.
- Die fortgeschrittene elektronische Signatur (auch „AES“ für Advanced Electronic Signature) verknüpft die Signatur eindeutig mit dem Unterzeichner. Für die praktische Umsetzung sind Programme verfügbar, vor deren Anwendung meist der Personalausweis oder Reisepass geprüft wird. Die Signatur wird so mit den Daten verbunden, dass ihre nachträgliche Veränderung erkannt werden kann. Wie eine einfache elektronische Signatur entspricht sie der Textform, ersetzt aber nicht die Schriftform und erst recht keine notarielle Beglaubigung oder Beurkundung.
- Die qualifizierte elektronische Signatur (auch „QES“ für Qualified Electronic Signature) bietet eine weitere Steigerung in Bezug auf die Sicherheit. Sie wird von einer Signatursoftware erstellt und beruht auf einem qualifizierten Zertifikat. Die zertifizierte Signatur kann nur von einem qualifizierten Vertrauensdienstleister ausgestellt werden, der in nationalen Vertrauenslisten (in Deutschland über die Bundesnetzagentur) geführt wird und europaweit anerkannt ist. Die qualifizierte elektronische Signatur kann gem. § 126a Abs. 1 BGB die Schriftform ersetzen, sofern das Gesetz keine Ausnahme bestimmt.
Gesellschafterversammlungen mit elektronischen Signaturen
Bislang war umstritten, ob es sich überhaupt um eine reguläre Gesellschafterversammlung handelt, wenn sich die Gesellschafter mittels elektronischer Kommunikationsmittel zusammenschalten. Der Entwurf des DiREG sieht nun vor, dass eine Gesellschafterversammlung auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden kann, wenn sich sämtliche Gesellschafter damit in Textform einverstanden erklären (§ 48 Abs. 1 S. 2 GmbHG n.F.). Für diese Erklärung genügt eine einfache elektronische Signatur.
Das bedeutet, die Gesellschafter können sich bspw. durch den Austausch herkömmlicher E-Mails oder Textnachrichten auf eine Gesellschafterversammlung am Telefon oder online verständigen (Begr. RegE DiREG, S. 22). Die geplante Neuerung betrifft vor allem Gesellschaften, die keine eigenen Regelungen hierzu in ihrem Gesellschaftsvertrag getroffen haben. Diese Möglichkeit besteht übrigens auch weiterhin.
Wichtig ist, dass die Formvorschriften zur Einberufung der Gesellschafterversammlung nach dem gegenwärtigen Stand unverändert bleiben. Die Einberufung muss also weiterhin durch eine Einladung mittels eines eingeschriebenen Briefes an jeden Gesellschafter erfolgen (§ 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Eine mit elektronischer Signatur versehene E-Mail genügt für die Einberufung weiterhin nicht. Die Zulässigkeit einer Ausnahmeregelung in der Satzung ist umstritten und deshalb nicht rechtssicher.
Gesellschafterbeschlüsse mit elektronischen Signaturen
Gesellschafterbeschlüsse lassen sich bereits auf Grundlage des geltenden Rechts grds. formfrei fassen. Streng genommen ist für diese Beschlüsse nicht einmal eine einfache elektronische Signatur, z.B. die Namensnennung am Ende einer E‑Mail oder Textnachricht, erforderlich, solange sich der geäußerte Wille einem Gesellschafter zuordnen lässt.
Ab dem 1. August 2022 können auf Grundlage des DiRUG nicht beurkundungspflichtige, im Rahmen der Gründung gefasste Beschlüsse bei dieser Gelegenheit mitbeurkundet werden (§ 2 Abs. 3 S. 1 GmbHG n.F.). Das betrifft bspw. einen Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers. Der Entwurf des DiREG hebt diese Beschränkung für im Rahmen der Gründung gefasste Beschlüsse auf. Nach dem Neuentwurf sollen nicht beurkundungspflichtige Beschlüsse im Online-Verfahren mitbeurkundet werden können, wenn sie einstimmig gefasst wurden (§ 2 Abs. 3 S. 4 GmbHG n.F.). Dabei tritt die qualifizierte elektronische Signatur gem. § 16b Abs. 4 BeurkG n.F. im Beurkundungsprozess an die Stelle der Unterschriften von Notar und Gesellschaftern.
Für beurkundungspflichtige Beschlüsse war diese Möglichkeit bislang nicht vorgesehen. Auch das soll sich auf Grundlage des DiREG ändern. Ab dem 1. Januar 2023 soll § 53 Abs. 3 GmbHG n.F. einstimmig gefasste satzungsändernde, also beurkundungspflichtige Beschlüsse in den Anwendungsbereich des notariellen Online-Verfahrens durch einen Verweis auf § 2 Abs. 3 S. 1, 3 und 4 GmbHG n.F. einbeziehen. Auch in diesem Fall wird die elektronische Niederschrift nach § 16b Abs. 4 S. 1 BeurkG n.F. mittels qualifizierter elektronischer Signatur von allen Beteiligten und dem Notar unterzeichnet werden.
Wichtig ist, dass die Beurkundung mittels Videokommunikation bei satzungsändernden Beschlüssen nur zulässig sein wird, wenn das notarielle Beurkundungsbedürfnis nicht aus anderen Bestimmungen folgt. Ergibt sich etwa bei einem Beschluss über eine Sachkapitalerhöhung oder ein Sachagio bei einer Barkapitalerhöhung die Beurkundungsbedürftigkeit auch aus § 311b Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG, bleibt die Beurkundung mittels Videokommunikation und qualifizierter elektronischer Signatur unzulässig (Begr. RegE DiREG, S. 24). Ebenfalls bleiben umwandlungsrechtliche Beschlüsse von den Erleichterungen ausgenommen.
Wird der Beschluss nicht einstimmig gefasst, bleibt das bewährte Präsenzverfahren bis auf weiteres die einzig zulässige Variante des Beurkundungsverfahrens.
Gesellschaftervereinbarungen mit elektronischen Signaturen
Bislang beschränkte das DiRUG die Beurkundung mittels Videokommunikation und qualifizierter elektronischer Signaturen der teilnehmenden Gesellschafter auf Beschlüsse, die im Rahmen der Gründung gefasst werden (s.o.). Nach dem Entwurf des DiREG sollen auf diesem Wege neben dem Gesellschaftsvertrag auch Willenserklärungen beurkundet werden können, die selbst nicht der notariellen Form bedürfen. Gesellschaftervereinbarungen ließen sich dann uneingeschränkt im Zuge der Gründung online beurkunden (Begr. RegE DiREG, S. 22).
Auf Grundlage der Neuerungen können bspw. Stimmbindungsverträge grds. online mitbeurkundet werden. Unklarheiten bestehen jedoch in Bezug auf Stimmbindungsverträge, die sich auf satzungsändernde Beschlüsse erstrecken. Es ist umstritten, ob es dann einer notariellen Beurkundung bedarf. Da reguläre beurkundungspflichtige Willenserklärungen weiterhin nicht für das Online-Verfahren zugelassen sind, bleibt in vielen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit ein Präsenztermin vorzugswürdig.
Praktische Vorteile des Online-Verfahrens für unkomplizierte satzungsändernde Beschlüsse und Konzernsachverhalte
Die Neuerungen kommen den Bedürfnissen der Praxis grds. entgegen. Unkomplizierte satzungsändernde Beschlüsse, etwa eine Änderung der Firma oder des Sitzes, können die Gesellschafter bei Einstimmigkeit bald in einem Online-Verfahren erledigen und dadurch zumindest in der Theorie Zeit und Kosten sparen. Ob dabei der Aufwand für die Online-Beurkundung doch größer ist, wird die Praxis zeigen.
Praktische Vorteile ergeben sich vor allem für Gesellschaften, die in ihrem Gesellschaftsvertrag keine Grundlage für elektronische Kommunikationsformen geschaffen haben. Vorteile sind auch in Konzernsachverhalten bei 100%igen Tochtergesellschaften zu erwarten, denen das Einstimmigkeitserfordernis für die Video-Beurkundung keine Mühe bereitet. Vor jeder Nutzung einer elektronischen Signatur sollte allerdings genau geprüft werden, ob sie den geltenden Formvorschriften genügt.
In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.