Seit dem 1. August 2022 sind zahlreiche notarielle Verfahren im Gesellschaftsrecht online möglich. Umwandlungsmaßnahmen sind davon noch nicht erfasst.
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (2019/1151/EU) vom 5. Juli 2021 (DiRUG), ergänzt durch das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 15. Juli 2022 (DiREG), hat die Digitalisierung auch im deutschen Gesellschaftsrecht endgültig Einzug erhalten.
Kernelemente sind bislang die seit dem 1. August 2022 vollständig elektronisch über das Videokonferenzsystem der Bundesnotarkammer durchführbaren GmbH-Bargründungsverfahren, Errichtungen von Gründungsvollmachten sowie Anmeldungen zum Handelsregister. Zum 1. August 2023 wird das notarielle Online-Verfahren um Sachgründungen einer GmbH und Änderungen eines GmbH-Gesellschaftsvertrags einschließlich Kapitalmaßnahmen erweitert.
Umwandlungsmaßnahmen im Wege des notariellen Online-Verfahrens noch nicht möglich
Die Erweiterung des notariellen Online-Verfahrens zum 1. August 2023 erstreckt sich (noch) nicht auf Umwandlungsmaßnahmen. Gem. § 2 Abs. 3 S. 1 GmbHG in der ab dann geltenden Fassung ist die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags mittels Videokonferenzsystem nur möglich, sofern andere Formvorschriften nicht entgegenstehen. Formvorschriften, die eine Präsenzbeurkundung vorsehen, bleiben also unberührt. Da das Umwandlungsgesetz das notarielle Online-Verfahren noch nicht vorsieht, werden Umwandlungsmaßnahmen – wie etwa die Verschmelzung zur Neugründung – trotz der Erweiterung des notariellen Online-Verfahrens auf Sachgründungen einer GmbH kurzfristig nicht digital möglich sein.
Dies gilt entsprechend für Gesellschafterbeschlüsse im Zusammenhang mit Umwandlungsmaßnahmen, wie z.B. die notwendige Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu einem Verschmelzungsvertrag. Zwar können seit dem 1. August 2022 auch einstimmige Beschlüsse im Rahmen des notariellen Online-Verfahrens mitbeurkundet werden, allerdings nur, wenn diese selbst nicht der notariellen Form bedürfen (§ 2 Abs. 3 S. 3 und 4 GmbHG). Die Gesetzesbegründung zum DiREG stellt insoweit ausdrücklich klar, dass Umwandlungsvorgänge somit weiterhin vom notariellen Online-Verfahren ausgenommen sind (vgl. Regierungsentwurf DiREG v. 13. April 2022, S. 22).
Keine Erweiterung der notariellen Online-Verfahren durch das UmRUG
Auch der am 6. Juli 2022 vorgelegte Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (2019/2121/EU) (UmRUG), das am 31. Januar 2023 in Kraft tritt, sieht keine Möglichkeit eines notariellen Online-Verfahrens im Zusammenhang mit Umwandlungsmaßnahmen vor. Ein möglicher Anwendungsbereich für das Online-Verfahren wäre die Annahme des Barabfindungsangebots gewesen. Der Regierungsentwurf sieht für die Annahme des Barabfindungsangebots jedoch ein zweistufiges Annahmeverfahren vor, um die Richtlinienvorgaben und die Forderung nach einem notariellen Verfahren miteinander in Einklang zu bringen. Der Regierungsentwurf trennt die Annahme des Barabfindungsgebots in eine formfreie Mitteilung über die Annahmeabsicht und die eigentliche Annahme des Angebots, die im Fall der GmbH als Ausgangsgesellschaft beurkundungsbedürftig ist, und zwar in Form der Präsenzbeurkundung.
Die Gesetzesbegründung des DiREG gibt jedoch Grund zur Hoffnung. Darin wird ausgeführt, dass bis zum 1. August 2024 auf Basis der bis dahin gemachten Erfahrungen eine Erweiterung des notariellen Online-Verfahrens auf Umwandlungsmaßnahmen umgesetzt werden soll (vgl. Regierungsentwurf DiREG v. 13. April 2022, S. 15).
Im Übrigen gelten die digitalen Neuerungen auch im Zusammenhang mit Umwandlungsmaßnahmen
Auch wenn sich das notarielle Online-Verfahren bislang nicht auf Umwandlungsmaßnahmen erstreckt, können doch die seit dem 1. August 2022 geltenden Neuerungen in diesem Zusammenhang genutzt werden.
Davon betroffen ist namentlich die Anmeldung von Eintragungen zum Handelsregister, die elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen sind. Die öffentliche Beglaubigung kann neuerdings im notariellen Online-Verfahren erfolgen (§ 12 Abs. 2 S. 2 HGB), wodurch den Anforderungen der Umwandlungsrichtlinie nachgekommen wird, die genau dies gefordert hat.
Darüber hinaus hat sich das Bekanntmachungswesen geändert. Die separate Bekanntmachung von Registereintragungen in einem Bekanntmachungsportal ist nicht länger notwendig. Eintragungen werden vielmehr dadurch bekannt gemacht, dass sie in dem jeweiligen (Handels-)Register erstmals (online) zum Abruf bereitgestellt werden. Im Rahmen der Änderung des Bekanntmachungswesens wurde der Begriff der Registerbekanntmachungen (§ 10 Abs. 3 HGB) neu eingeführt. Registerbekanntmachungen sind nicht eintragungspflichtige, aber sonst bekanntzumachende Informationen, wie etwa die Bekanntmachung des Verschmelzungs-, Spaltungs- oder Formwechselplans (§§ 308, 323, 336 UmwG n.F.). Die Dokumente sind gem. § 12 Abs. 2 HGB elektronisch zum Handelsregister einzureichen.
Schließlich kann auch das notarielle Online-Verfahren im Rahmen von Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf die eigentliche Umwandlungsmaßnahme relevant werden. Regelmäßig werden bei größeren Umstrukturierungen GmbHs im Vorfeld als aufnehmende Gesellschaften neu in Form einer Bargründung errichtet (etwa für die Ausgliederung zur Aufnahme). Die Bargründung einer solchen GmbH kann selbstverständlich ohne Weiteres im Wege des notariellen Online-Verfahrens erfolgen; Gleiches gilt für die Errichtung von Gründungsvollmachten.
Erweiterung des notariellen Online-Verfahrens auf Umwandlungsmaßnahmen zu erwarten
Die Erweiterung des notariellen Online-Verfahrens auf Sachgründungen und die Änderung von GmbH-Gesellschaftsverträgen zum 1. August 2023 zeigt, dass der Gesetzgeber die Digitalisierung des deutschen Gesellschaftsrechts stetig vorantreibt. Zwar sind Umwandlungsmaßnahmen von der Erweiterung (noch) nicht umfasst. Allerdings ist zu erwarten, dass sich dies in nicht allzu ferner Zukunft ändert.
Auch die neue Bundesregierung scheint den Faden nicht abreißen zu lassen, hat sie sich doch im Koalitionsvertrag zu einer weitergehenden Digitalisierung des Gesellschaftsrechts verpflichtet (vgl. Koalitionsvertrag 2021–2025, S. 111 f.). Diese Entwicklung ist gerade mit Blick auf grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zu begrüßen. Mit Inkrafttreten des UmRUG und der damit verbundenen Harmonisierung ist in der Praxis mit einer Zunahme von grenzüberschreitenden Formwechseln und Spaltungen und damit zwangsläufig auch mit der regelmäßigen Beteiligung internationaler Parteien zu rechnen. Die Möglichkeit des notariellen Online-Verfahrens wird für Deutschland als Wirtschafts- und Digitalisierungsstandort im internationalen Umfeld damit unerlässlich sein.
In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.