Das zweite Übernahmeangebot durch AMS innerhalb weniger Wochen wird heftig kritisiert, steht aber im Einklang mit der Verwaltungspraxis der BaFin.
Im Bieterwettstreit um den Lichtkonzern Osram konnte sich AMS zwar gegen die Finanzinvestoren Bain und Carlyle durchsetzen. Allerdings scheiterte das erste Übernahmeangebot durch den österreichischen Halbleiterhersteller wegen der Nichterreichung der selbst gesetzten Mindestannahmeschwelle. Anstelle der anvisierten 62,5% wurden lediglich knapp 52% der Osram-Aktien angedient.
Zweiter Anlauf von AMS
Nur wenige Wochen später hat AMS einen erneuten Anlauf unternommen und ein zweites Übernahmeangebot mit einer niedrigeren Mindestannahmeschwelle von 55% abgegeben. Das Angebot wurde bereits von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestattet.
Ein-Jahres-Sperrfrist
Gegen die Entscheidung der BaFin wurden zahlreiche Stimmen laut, die in dem erneuten Angebot einen Rechtsmissbrauch sehen. Dies hat folgenden Hintergrund: Nach § 26 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) darf ein Bieter nach einem Übernahmeversuch, der am Erreichen der Mindestannahmeschwelle scheitert oder von der BaFin untersagt wird, erst nach Ablauf eines Jahres ein erneutes Übernahmeangebot abgeben. Vor Ablauf der Jahresfrist ist dies nur aufgrund einer Befreiung durch die BaFin und mit Zustimmung der Zielgesellschaft zulässig.
Austausch des Bietervehikels
Diese Voraussetzungen waren bei dem zweiten Angebot von AMS nicht erfüllt. Stattdessen hat AMS einen juristischen „Kniff″ angewendet: Das zweite Übernahmeangebot wurde von einer anderen Konzerngesellschaft veröffentlicht. Rein formal hat also nicht derselbe Bieter ein zweites Angebot unterbreitet, sondern ein anderer Bieter ein neues Angebot. Dies ist jedenfalls die Auffassung der BaFin, die sie bereits 2018 in einem früheren Fall vertreten hat. Dabei lässt sie außer Betracht, dass die beiden Bietervehikel zum gleichen Konzern gehören und wirtschaftlich betrachtet identisch sind.
Fragwürdiges Normverständnis
Dieses formale, am Wortlaut orientierte Verständnis von § 26 WpÜG ist mindestens hinsichtlich der Rechtsfolgen fragwürdig. Durch einen einfachen Austausch des Bietervehikels geht die Vorschrift ins Leere. Ihr Zweck, die Zielgesellschaft vor wiederholten Übernahmeversuchen und der damit verbundenen Bindung ihrer finanziellen und personellen Kapazitäten zu schützen, wird vollständig ausgehöhlt.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen die Gestattung des zweiten AMS-Übernahmeangebots durch die BaFin hat der Konzernbetriebsrat von Osram Beschwerde eingelegt. Diese wurde vom OLG Frankfurt mit der Begründung abgewiesen, der Betriebsrat sei nicht in seinen Rechten verletzt. Nach Auffassung der Rechtsprechung gewährt das übernahmerechtliche Gestattungsverfahren grundsätzlich keine schutzwürdigen Individualrechte. Vielmehr steht im Regelfall nur dem Bieter Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der BaFin zu. Aus denselben Gründen dürften auch etwaige Rechtsmittel von Osram-Aktionären erfolglos bleiben.
Allerdings vertreten Teile der juristischen Literatur die Auffassung, dass § 26 WpÜG zu Gunsten der betroffenen Zielgesellschaft Individualrechtsschutz gewährt. Daher wäre denkbar, dass sich eine Zielgesellschaft gegen ein zweites Übernahmeangebot durch einen wirtschaftlich identischen Bieter wehren könnte. Dies könnte vor allem bei feindlichen Übernahmen relevant werden.
Praxishinweis
Der Austausch des Bietervehikels steht nach Auffassung der BaFin im Einklang mit § 26 WpÜG. Scheitert ein Übernahmeangebot, weil die Mindestannahmeschwelle nicht erreicht wurde oder die BaFin das Angebot untersagt hat, muss der Bieter künftig nicht mehr die einjährige Sperrfrist abwarten. Vielmehr kann er auch ohne Zustimmung der Zielgesellschaft mit einem anderen Bietervehikel ein erneutes Übernahmeangebot abgeben. Dass § 26 WpÜG dadurch ins Leere läuft, nimmt die BaFin in Kauf.
Sofern ein Gericht keine anderslautende Entscheidung trifft, dürfte diese Umgehungsmöglichkeit erst wegfallen, wenn der Gesetzgeber aktiv wird. Eine richterliche Klärung ist jedoch erst zu erwarten, wenn sich eine Zielgesellschaft gegen die Gestattung der Angebotsunterlage wendet.