22. Dezember 2017
Vorabgewinnausschüttung
Corporate / M&A

Wenn Ostern schon zu Weihnachten gefeiert wird – Überlegungen zu Vorabgewinnausschüttungen

Vorabgewinnausschüttung: Wir zeigen die Risiken auf, wenn vor Feststellung des Jahresabschlusses ein zu erwartender Gewinn ausgekehrt wird.

Es kommt immer wieder vor: Die Geschäfte laufen gut und am Ende Jahres kann mit einem satten Gewinn gerechnet werden. Was liegt da angesichts finanzieller Begehrlichkeiten oder Bedürfnisse der Gesellschafter näher, als schon vor Ablauf des Geschäftsjahres und vor Feststellung des Jahresabschlusses einen zu erwartenden Gewinn vorab auszuschütten?

Insbesondere für die Geschäftsführer stellt sich dabei die Frage, ob Vorabgewinnausschüttungen zulässig sind und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Was passiert, wenn der Gewinn am Ende des Geschäftsjahres wider Erwarten niedriger ausfällt und ein zu hoher Betrag ausgeschüttet wurde?

Ob die Vorabgewinnausschüttung rechtlich zulässig ist und welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen, richtet sich nach der Rechtsform der Gesellschaft.

Vorabgewinnausschüttung in der GmbH

In der GmbH wird die Vorabgewinnausschüttung allgemein für zulässig erachtet. Sie ist allerdings an die – im Einzelnen umstrittenen – Voraussetzungen geknüpft, dass

  • ein Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 1 GmbHG über die Verwendung des zu erwartenden Gewinns gefasst wird,
  • im Augenblick der Auszahlung nach sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung mit einem Bilanzgewinn am Jahresende zu rechnen ist,
  • die Vorabgewinnausschüttung nicht gegen das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt,
  • der Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen den Gesellschaftern gewahrt ist und
  • die Auszahlung der Vorabgewinnausschüttung nicht zu einem existenzvernichtenden Eingriff führt.

Vorabgewinnausschüttung auch in OHG und KG möglich

Auch in der OHG und der KG sind Vorabgewinnausschüttungen möglich. Zwar sieht das Gesetz in den §§ 122 Abs. 1, 161 Abs. 2, 169 Abs. 1 HGB eine vollständige Gewinnausschüttung erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses vor. Diese Regelungen sind jedoch dispositiv. So können Entnahmen, zu denen auch Vorausgewinnausschüttungen gehören, durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung oder durch Gesellschafterbeschluss gestattet werden. So finden sich in Gesellschaftsverträgen regelmäßig Bestimmungen, die nach der spezifischen Interessenlage der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter regeln, ob, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welcher Höhe Entnahmen zulässig sind.

In der GmbH & Co. KG bestimmt sich die Vorabgewinnausschüttung grundsätzlich wie in der KG. Soll auch Gewinn aus der Komplementär-GmbH ausgeschüttet werden, sind die vorgenannten Voraussetzungen für Ausschüttungen bei der GmbH zu beachten. Das ist allerdings ein eher seltenes Szenario, ist die Komplementär-GmbH doch regelmäßig nicht am Vermögen der KG beteiligt und erhält nur eine Haftungsvergütung, so dass ein Gewinn nicht in nennenswerter Höhe entsteht und auch nicht ausgeschüttet wird.

Gesellschafter als Rückzahlungsschuldner bei zu hoher Vorabgewinnausschüttung

Wenn der nach Geschäftsjahresende ermittelte Gewinn die Vorabgewinnausschüttung nicht deckt, sind die Gesellschafter zur Rückzahlung verpflichtet. Das gilt sowohl bei der GmbH als auch bei der OHG und der KG. Zwar ist im Einzelnen umstritten, auf welcher Grundlage die Rückzahlung erfolgen muss – die Pflicht zur Rückzahlung als solche ist aber nicht streitig.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich sowohl eine sorgfältige Schätzung des möglichen Gewinns als auch daran orientiert eine zurückhaltende Vorabausschüttung so, dass noch ein Puffer bei der Gesellschaft verbleibt.

Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften bei der GmbH denkbar

Bei der OHG und der KG sind Entnahmen letztlich in sehr weitem Umfang möglich. Es bestehen keine Kapitalerhaltungsvorschriften zum Schutz von Gläubigern. Der Gläubigerschutz wird diesbezüglich über die persönliche unbeschränkte Haftung der Gesellschafter der OHG und des Komplementärs bei der KG hergestellt.

Anders ist dies bei der GmbH: Die Gesellschafter dürfen keine Leistungen erhalten, die das Stammkapital der GmbH angreifen. So kann eine deutlich überhöhte Vorabgewinnausschüttung in der GmbH gegen das Gebot der Kapitalerhaltung nach § 30 GmbHG verstoßen. Dann sind die GmbH-Gesellschafter zusätzlich zum oben genannten Rückzahlungsanspruch bei überhöhter Vorabgewinnausschüttung dem Erstattungsanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG ausgesetzt.

Führt die Auszahlung der Vorabgewinnausschüttung gar zu einem existenzvernichtenden Eingriff, so schulden die GmbH-Gesellschafter nach § 826 BGB Schadensersatz wegen der überhöhten Vorabgewinnausschüttung.

Gefahr der persönlichen Haftung eines Kommanditisten wegen zurück gezahlter Einlage

Ein gerne übersehenes Haftungsrisiko besteht für Kommanditisten. Werden einem Kommanditisten im Rahmen einer zu hohen Vorabgewinnausschüttung Gelder der KG ausgezahlt, so stellt dies eine Rückzahlung der Einlage dar. Damit lebt seine persönliche Haftung nach den §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wieder auf.

Keine Haftung des Geschäftsführers bei Sorgfalt

Für einen Geschäftsführer ist wichtig zu wissen, ob er bei zu hohen Vorabausschüttungen Schadensersatz leisten muss oder ob er gar für die Rückzahlung zu hoher Ausschüttungen haftet, wenn Gesellschafter nicht in der Lage sind, die durch die Vorabgewinnausschüttung erhaltenen Gelder bei zu geringem tatsächlichen Gewinn zurückzuzahlen. Dies hängt davon ab, ob die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Also insbesondere, ob der Geschäftsführer erwarten durfte, dass der Gewinn den Vorabausschüttungsbetrag übersteigen wird und die Gesellschafter einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Vorabgewinnausschüttung fassen.

Ein GmbH-Geschäftsführer haftet nach § 43 GmbHG nicht, wenn er aufgrund eines rechtmäßigen Gesellschafterbeschlusses tätig wird, nach sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung mit einem Bilanzgewinn am Jahresende zu rechnen ist und sich nur im Nachhinein herausstellt, dass der Gewinn geringer ausfällt.

Geschäftsführer haftet, soweit Vorabgewinn nicht geleistet werden kann oder darf

Dagegen haftet der GmbH-Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 bzw. 3 GmbHG, wenn die Gesellschafter zwar die Vorabgewinnausschüttung beschließen, die Auszahlungen aber nicht geleistet werden können oder absehbar ist, dass der Gewinn geringer sein wird als der Vorabausschüttungsbetrag. Das gilt insbesondere, wenn die Vorabgewinnausschüttung nicht möglich ist, ohne in das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH einzugreifen.

Führt die Vorabgewinnausschüttung nicht nur zur fehlenden Deckung des Stammkapitals, sondern gar zur Existenzvernichtung der Gesellschaft, so kommt darüber hinaus auch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen den GmbH-Geschäftsführer in Betracht. Beide Ansprüche können durch die Gesellschaft geltend gemacht werden; sie sind also als Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH ausgestaltet.

Keine gesonderte Haftung Gesellschafter der OHG und KG als Geschäftsführer

Die persönlich haftenden Gesellschafter der OHG und KG, die auch die Geschäfte führen, haften nach den allgemeinen Grundsätzen als Gesellschafter, wenn zu hohe Vorabgewinnausschüttungen dazu führen sollten, dass die Gesellschaft ihre Drittverbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann. Anders als bei der GmbH besteht aufgrund der persönlichen Haftung der Gesellschafter kein Kapitalerhaltungsgebot. Entsprechend führen Ausschüttungen auf Grundlage eines ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschlusses weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber Mitgesellschaftern zu einer gesonderten Haftung der Gesellschafter als Geschäftsführer.

Ostern und Weihnachten zusammen feiern? – Gut kalkuliert vermeidet böse Überraschungen

Selbstverständlich können Vorabgewinnausschüttungen aus Gesellschaftersicht sinnvoll oder gar notwendig sein. Sie sind auch rechtlich möglich und zulässig. Die Vorabgewinnausschüttung sollte aber nur nach einer möglichst genauen Ermittlung des zu erwartenden Gewinns erfolgen und daher möglichst erst gegen Ende des Geschäftsjahres und nicht früh unterjährig. Es sollte ein hinreichender Puffer bei der Gesellschaft verbleiben, um zu hohe Vorabausschüttungen über den später tatsächlich ermittelten Gewinn hinaus zu vermeiden.

Fremdgeschäftsführer sollten zu großen Begehrlichkeiten der Gesellschafter widerstehen und den Liquiditätsbedarf der Gesellschaft im Auge behalten, sowie bei der GmbH die Kapitalerhaltungsvorschriften beachten. Für Kommanditisten ist im Blick zu behalten, dass ihnen die Einlage nicht zurückgezahlt wird.

Vorabgewinnausschüttungen sollten also mit Augenmaß und Zurückhaltung erfolgen. Dann gibt es nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zu Ostern eine Bescherung.

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Marius Li-Yang Stein