Rechtsgeschäften innerhalb des Konzerns droht ohne eine Befreiung von § 181 BGB oft die Unwirksamkeit. Wie ist diese Rechtsfolge zu vermeiden?
Kann der Vorstand einer Aktiengesellschaft sich selbst zum Geschäftsführer* einer Tochter-GmbH bestellen? Der BGH hat dies verneint (Az.: II ZB 6/22). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Vorstandsmitglied nicht vom sog. Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 Alt. 1 BGB) befreit ist.
Das Fehlen einer solchen Befreiung stellt in der Praxis allerdings den Regelfall dar. Die BGH-Entscheidung macht eines deutlich: Bei Rechtsgeschäften innerhalb von Konzernstrukturen ist besondere Vorsicht geboten. Sog. Insichgeschäfte sind nämlich ohne eine besondere Befreiung unwirksam.
Es gibt zwei Varianten eines Insichgeschäfts. In der ersten Variante handelt eine Person bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts sowohl für sich selbst (im eigenen Namen) als auch für eine andere Person oder Gesellschaft (Selbstkontrahierungsverbot, § 181 Alt. 1 BGB). In der zweiten Variante vertritt eine Person bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts mehrere Personen oder Gesellschaften gleichzeitig (sog. Mehrfachvertretungsverbot, § 181 Alt. 2 BGB). In welchen Fällen droht die Unwirksamkeit eines solchen Rechtsgeschäfts und wie ist dem zu begegnen?
Grundkonstellationen, Rechtsfolge und Schutzzweck des Insichgeschäfts
Die Anwendungsfälle des Insichgeschäfts sollen im Folgenden anhand des Beispiels eines einzelvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführers veranschaulicht werden.
Das Selbstkontrahierungsverbot greift beispielsweise, wenn der Geschäftsführer der Muttergesellschaft den Gesellschafterbeschluss unterzeichnen soll, mit dem er selbst auch zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft bestellt wird. Auf der einen Seite des Rechtsgeschäfts – und zwar auf Ebene der Tochtergesellschaft – steht hier der Geschäftsführer selbst, der somit im eigenen Namen handelt. Auf der anderen Seite des Rechtsgeschäfts steht die Muttergesellschaft, in deren Namen der Geschäftsführer ebenfalls handelt.
Das Mehrfachvertretungsverbot greift etwa, wenn ein Ergebnisabführungsvertrag von ein- und derselben Person, die zugleich Geschäftsführer sowohl der Mutter- als auch der Tochtergesellschaft ist, unterzeichnet werden soll.
Für beide Fälle ordnet das Gesetz die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts an. Warum? Die Mitwirkung derselben Person auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts bringt die abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts und damit einer Schädigung des Vertretenen mit sich. Man stelle sich etwa die mit den Gesellschaftern der Muttergesellschaft nicht abgesprochene und von diesen nicht gewollte Selbstbestellung zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft vor. In den obigen Beispielsfällen soll also die (jeweils) vertretene GmbH geschützt werden.
Ausnahmsweise keine schwebende Unwirksamkeit
Konsequenterweise kann die vertretene GmbH daher aber auch auf einen solchen Schutz verzichten. Denkbar ist entweder eine Gestattung im Vorhinein oder eine Genehmigung im Nachhinein.
In der Praxis ist die Gestattung im Vorhinein üblich. Zumeist wird hierbei dem Geschäftsführer eine im Handelsregister einzutragende Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt. Befreit werden kann sowohl vom Selbstkontrahierungsverbot als auch vom Mehrfachvertretungsverbot. Möglich ist es aber auch, einen Geschäftsführer nur von einem dieser Verbote zu befreien. Insbesondere innerhalb von Konzernstrukturen kann es sinnvoll sein, die Geschäftsführer der Konzerngesellschaften vom Mehrfachvertretungsverbot zu befreien. Durch eine solche Befreiung zu erzielende Vorteile können nicht zuletzt in einer Erhöhung der Flexibilität und der Reduzierung von Transaktionskosten liegen.
In zwei weiteren Ausnahmefällen findet § 181 BGB von vorneherein ebenfalls keine Anwendung: im Falle der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit (Beispiel: der Geschäftsführer zahlt sich selbst sein Gehalt aus) und im Falle der Gewährung eines lediglich rechtlichen Vorteils an den Vertretenen (Beispiel: der Geschäftsführer schenkt der GmbH einen Computer).
Typische Insichgeschäfte im Konzern
§ 181 BGB ist häufig bei Rechtsgeschäften unter mehreren Konzerngesellschaften zu beachten, wenn und weil diese durch denselben einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer vertreten werden. Zwei konzerntypische Beispiele sind die bereits dargestellten Konstellationen zum Ergebnisabführungsvertrag sowie zur Geschäftsführerbestellung bei einer Tochtergesellschaft. Ein Klassiker im Rahmen von konzerninternen Transaktionen ist die unter Schwestergesellschaften vorgenommene Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer Tochtergesellschaft. Doch auch bei Rechtsgeschäften mit konzernfremden Parteien ist auf § 181 BGB Acht zu geben, etwa wenn auf der (eigenen) Konzernseite der am Rechtsgeschäft Beteiligten zwei oder mehr Konzerngesellschaften stehen. So kann ein Fall der Mehrfachvertretung nämlich dann vorliegen, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung von Mutter- und Tochtergesellschaft für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft vereinbart wird.
Können die am Rechtsgeschäft beteiligten Konzerngesellschaften jeweils nur durch dieselben zwei, lediglich zur Gesamtvertretung berechtigten Geschäftsführer vertreten werden, greift das Verbot der Mehrfachvertretung ebenfalls. Schließlich würden beide Geschäftsführer jeweils zwei verschiedene Gesellschaften vertreten. Dies soll für das Vorliegen eines abstrakten Interessenkonflikts hinreichend sein. Das Verbot der Mehrfachvertretung gilt im Falle der Gesamtvertretung sogar dann, wenn nur ein einziger der beiden Geschäftsführer durch § 181 BGB in seiner Vertretungsmacht beschränkt ist. Allerdings lässt sich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts hier durch die Einräumung von Einzelvertretungsbefugnis vermeiden.
Vorsicht bei Vollmachten
Von einer solchen Einräumung von Einzelvertretungsbefugnis ist die Bevollmächtigung von Personen ohne Geschäftsführerstellung zu trennen. Die durch § 181 BGB auferlegten Beschränkungen lassen sich nämlich nicht durch die Erteilung von Vollmachten umgehen. Hierdurch würde nämlich der beabsichtigte Schutzzweck unterlaufen. Daher stellt eine Vollmachtserteilung in den folgenden Konstellationen grundsätzlich keine Option dar. Die Vollmachtsunterzeichnung erfolgt durch:
- einen einzigen Geschäftsführer für zwei beteiligte Konzerngesellschaften; bevollmächtigt wird eine einzige Person;
- einen einzigen Geschäftsführer für zwei beteiligte Konzerngesellschaften; Konzerngesellschaft A bevollmächtigt X und Konzerngesellschaft B bevollmächtigt Y;
- einen Geschäftsführer für Konzerngesellschaft A und einen anderen Geschäftsführer für Konzerngesellschaft B; bevollmächtigt wird eine einzige Person;
- die gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer G und H sowohl für Konzerngesellschaft A als auch für Konzerngesellschaft B; Konzerngesellschaft A bevollmächtigt X und Konzerngesellschaft B bevollmächtigt Y.
Der Grund für die Anwendbarkeit des § 181 BGB liegt hier darin, dass im Ausgangspunkt niemand mehr Vertretungsmacht haben kann als ihm selbst erteilt worden ist.
Vorabbefreiung und Risiken
Eine dauerhaft praktikable Lösung der Insichgeschäftsproblematik ist die bereits angerissene im Handelsregister einzutragende Beschränkungsbefreiung im Vorhinein. So kann z.B. ein Geschäftsführer mehrerer Konzerngesellschaften generell von dem Verbot der Mehrfachvertretung befreit werden. Sofern eine solche Befreiung bei allen Konzerngesellschaft umgesetzt ist, besteht in Fällen der Mehrfachvertretung dann grundsätzlich keine Gefahr der Unwirksamkeit des abzuschließenden Rechtsgeschäfts gemäß § 181 Alt. 2 BGB mehr.
Eine Befreiung vom Verbot der Mehrfachvertretung geht allerdings auch mit einem erhöhten Missbrauchsrisiko einher. Beispielsweise kann ein derart befreiter Geschäftsführer unter der Untreueschwelle liegende, aber dennoch von den Gesellschaftern ungewollte Rechtsgeschäfte zum Vorteil einer anderen GmbH tätigen, die von dem Geschäftsführer selbst kontrolliert wird.
Risikoreduzierung
Auch wenn ein solches Risiko nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, so lässt es sich dennoch in mehrfacher Hinsicht beherrschen. Durch den Erlass einer Geschäftsordnung kann der Geschäftsführer einer GmbH im Innenverhältnis verpflichtet werden, vor Abschluss besonders werthaltiger Rechtsgeschäfte die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen. Im Konzern muss natürlich Folgendes berücksichtigt werden: oftmals wird die Muttergesellschaft bei Erteilung der Zustimmung gegenüber dem Geschäftsführer der Tochtergesellschaft durch denselben Geschäftsführer vertreten. Daher ist der Schutz durch die Geschäftsordnung maßgeblich auf der Ebene der Muttergesellschaft zu implementieren. Der sich über einen solchen Zustimmungsvorbehalt hinwegsetzende Geschäftsführer kann sich dann gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen. Das Risiko der mangelnden Solvenz des schadensersatzpflichtigen Geschäftsführers bleibt allerdings natürlich bestehen. Überdies kann eine derartige Pflichtverletzung eine Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages rechtfertigen.
Das Missbrauchsrisiko lässt sich außerdem durch die Einrichtung eines Vier-Augen-Prinzips reduzieren. Dieses wird umgesetzt durch die Erteilung von Gesamtvertretungsmacht. In der Folge ist jeder Geschäftsführer bei Abschluss von Rechtsgeschäften von der Mitwirkung eines anderen Geschäftsführers abhängig.
Wirksame Insichgeschäfte ohne Vorabbefreiung
Sollte eine solche generelle Befreiung nicht gewollt oder kurzfristig nicht umzusetzen sein, kann das betreffende Rechtsgeschäft auch auf anderem Wege der Wirksamkeit zugeführt werden. Die fehlende Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB kann notfalls auch durch eine (dem Rechtsgeschäft nachfolgende) Genehmigung des betreffenden Rechtsgeschäfts behoben werden. Bis zur Genehmigung bleibt das Rechtsgeschäft dann allerdings zunächst schwebend unwirksam. Dies birgt Haftungsrisiken, insbesondere falls die Genehmigung ausbleibt.
Im Konzern stellt sich bezüglich der Genehmigung ein Problem, das dem o.g. Problem bei Zustimmungsvorbehalten ähnelt. Die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft unterliegt ebenfalls den Beschränkungen des § 181 BGB. Bei der Erteilung der Genehmigung kann die Muttergesellschaft nämlich grundsätzlich nicht wirksam durch denselben Geschäftsführer vertreten werden, der bei Abschluss des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts die Tochtergesellschaft vertreten hat.
Effizienzgewinn durch Vorabbefreiung
In der Praxis bereitet insbesondere innerhalb von Konzernstrukturen das Mehrfachvertretungsverbot Hindernisse. Schließlich ist eine Personenidentität der Geschäftsleitung unter den Konzerngesellschaften effizient: Es bedarf keiner gesonderten Anweisungen an etwaig personenverschiedene Mitglieder der Geschäftsleitungen der nachgeordneten Ebenen. Überdies ist der Unterzeichnungsprozess bei Rechtsgeschäften unter Konzerngesellschaften vereinfacht. Diese Vorteile sollten in den Anwendungsfällen des § 181 BGB rechtlich hinreichend abgesichert werden. Zwar bestehen gewisse Risiken. Die Vorteile einer Befreiung vom Mehrfachvertretungsverbot im Konzern dürften aber in der Regel überwiegen. Unter Effizienzgesichtspunkten lohnt es sich daher, innerhalb von Konzernstrukturen über eine generelle Befreiung der Geschäftsführer vom Mehrfachvertretungsverbot nachzudenken. Die Problematik des Insichgeschäfts sollte insofern nicht nur als rein juristisch-technische Frage gewertet werden.
Ein Konzerninteresse?
In der juristischen Literatur wird durchaus diskutiert, ob in reinen Konzernsachverhalten die Beschränkung des Mehrfachvertretungsverbotes nicht von vorneherein keine Geltung entfalten sollte. Dies könnte mit dem Bestehen einesgemeinsamen Konzerninteresses zu rechtfertigen sein.
Der Blick in ausländische Rechtsordnungen (etwa in die englische oder französische) zeigt, dass dies keineswegs undenkbar ist. Derartige Überlegungen sind jedoch allenfalls Zukunftsmusik. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der juristischen Literatur auch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 181 BGB diskutiert wird. Bis auf Weiteres muss sich daher insbesondere innerhalb von Konzernstrukturen mit dem Anwendungsfeld des Insichgeschäfts und insbesondere dem Mehrfachvertretungsverbot auseinandergesetzt werden.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.