Der BGH stellt klar, wann ein Gesetzesverstoß vorliegt, wenn Aktionäre nach Ablauf der Anmeldefrist zur Hauptversammlung zugelassen werden.
Aktiengesellschaften sollten bei der Zulassung von Aktionären zur Hauptversammlung, die sich erst nach Ablauf der Anmelde- und Nachweisfrist anmelden oder den erforderlichen Nachweis des Anteilsbesitzes erbringen, Vorsicht walten lassen. Denn eine solche – im Einzelfall gut gemeinte – Zulassung kann nach einem Urteil des BGH vom 9. Oktober 2018 (Az.: II ZR 78/17) zu einem Gesetzesverstoß führen, der die Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nach sich ziehen kann.
Erfordernis der Anmeldung und des Nachweises des Anteilsbesitzes
Im zugrunde liegenden Fall sah die Satzung der börsennotierten Aktiengesellschaft eine praxisübliche Klausel vor, wonach zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts nur diejenigen Aktionäre berechtigt sind, die sich vor der Hauptversammlung in Textform anmelden und die der Gesellschaft einen in Textform erstellten besonderen Nachweis ihres Anteilsbesitzes übermitteln. Anmeldung und Nachweis mussten der Gesellschaft mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zugehen (vgl. § 123 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 AktG).
In der Einladung zur Hauptversammlung wurden diese satzungsmäßigen Teilnahmevoraussetzungen wiederholt. Mehrere Aktionäre meldeten sich allerdings erst nach Ablauf der Anmelde- und Nachweisfrist zur Hauptversammlung an bzw. legten den Nachweis des Anteilsbesitzes zu spät vor. Trotz verspäteter Anmeldung bzw. Nachweis wurden die Aktionäre von der Gesellschaft zur Hauptversammlung zugelassen und stimmten in der Hauptversammlung mit ab.
Hinweis in der Hauptversammlungseinladung entscheidend
Der BGH konnte in seinem Urteil offenlassen, ob ein Aktionär, der die in der Einladung zur Hauptversammlung genannte Anmelde- oder die Nachweisfrist versäumt hat, überhaupt nachträglich zur Hauptversammlung zugelassen werden darf. Diese Frage ist in der juristischen Literatur umstritten.
Entscheidend war nach Auffassung des BGH allerdings, dass in der Einladung zur Hauptversammlung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Aktionäre sich innerhalb der Anmeldefrist anmelden und innerhalb der Nachweisfrist legitimieren „müssen″. Einen solchen Hinweis könne ein verständiger Aktionär nur so verstehen, dass bei Versäumen der Frist eine ausnahmsweise Zulassung zur Hauptversammlung nicht mehr möglich ist, und er könne nicht damit rechnen, dass die Gesellschaft auf die Einhaltung der Frist verzichten würde.
Der Hinweis in der Einladung sei daher geeignet, Aktionäre davon abzuhalten, sich nach Ablauf der Anmelde- und Nachweisfrist anzumelden bzw. eine einfache Nachfrage bei der Gesellschaft zu stellen. Damit werde ein unterschiedlicher Maßstab angelegt: Diejenigen verspäteten Aktionäre, die die Angaben in der Einberufung ernst nehmen, verlangen erst gar keine Zulassung, während diejenigen säumigen Aktionäre, die die Vorgaben der Einberufung schlicht „ignorieren″ und sich verspätet anmelden, zugelassen werden. Damit ist nach Auffassung des BGH der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
Praxishinweis: Aktionäre nicht nachträglich zur Hauptversammlung zulassen
Die Hauptversammlungseinladungen enthalten in der Praxis regelmäßig Formulierungen wie im vorliegenden Fall, nämlich dass Anmeldung und Nachweis des Anteilsbesitzes innerhalb einer bestimmten Frist vor der Hauptversammlung zugehen „müssen″. Vor diesem Hintergrund ist Gesellschaften dringend zu raten, sich strikt an diese Ausschlussfristen zu halten und keine Aktionäre nachträglich zur Hauptversammlung zuzulassen. Denn dies kann die Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung nach sich ziehen, wenn die Stimmen der zu Unrecht zugelassenen Aktionäre das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben.
Zwar klingt im BGH-Urteil in einem Satz an, dass die Einladung auch den Hinweis enthalten könnte, dass die Gesellschaft sich eine nachträgliche Zulassung von Aktionären vorbehält. Abgesehen davon, dass die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens im Hinblick auf § 123 Abs. 2 AktG schon zweifelhaft sein könnte, ist von der Aufnahme eines solchen Hinweises in die Einladung abzuraten. Denn auch bei der Entscheidung darüber, ob und welche Aktionäre – und bis zu welchem Zeitpunkt vor der Hauptversammlung – nachträglich zugelassen werden, droht stets ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG.