Die Haftung im b2b-Bereich bei Standardverträgen muss reformiert werden. Momentan können fast nur individuelle Vereinbarungen Abhilfe schaffen.
„Wie kann ein Unternehmen die Haftung beschränken?″ – „Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es für den Fall, dass eine Leistung einmal nicht völlig mangelfrei sein sollte?″ – Diese Fragen haben sicherlich bereits jeden umgetrieben, der Waren oder Dienstleistungen anbietet.
Wer schon einmal versucht hat, dieses Problem über seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu lösen, weiß, dass ihm der Gesetzgeber und die Rechtsprechung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr (b2b) hohe Hürden in den Weg legen. Nunmehr scheint allerdings auch der Gesetzgeber dieses Problem zu erkennen.
Haftungsausschluss häufig unwirksam
Wer sich mit der Gestaltung von AGB befasst, erkennt schnell, dass ein Unternehmer seine Haftung gegenüber einem Verbraucher bestenfalls sehr beschränkt begrenzen kann. Diese Einschränkungen hat die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch auf den b2b-Bereich ausgeweitet. Ein Unternehmer kann auch im b2b-Bereich seine Haftung in AGB und Standardverträgen nicht hinreichend einschränken. So sind insbesondere summenmäßige Haftungshöchstbeträge, Haftungsbegrenzungen, die sich am Vertragsvolumen orientieren, der Ausschluss der Haftung für entgangenen Gewinn und dergleichen in der Regel unwirksam.
Im Fall eines Schadens führt die Unwirksamkeit der AGB häufig zu einem bösen Erwachen des Unternehmers. Er muss an einen Kunden mitunter ein Vielfaches der erhaltenen Vergütung als Schadensersatz zahlen. Dies ist im internationalen Vergleich eine Besonderheit deutschen Rechts, die für viele Unternehmen ein Wettbewerbshindernis und großes Risiko darstellt.
In Verhandlungen werden Wege gesucht, die Haftung im b2b-Bereich individualvertraglich zu beschränken. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich hierbei sehr häufig um Hilfskonstruktionen handelt. Wegen der hohen Anforderungen der Rechtsprechung an das Vorliegen von Individualvereinbarungen bleiben jedoch Risiken bestehen. Eine liberalere gesetzliche Regelung aus der Sicht von Unternehmen wäre wünschenswert.
Forschungsprojekt des BMJV zu AGB-Regelungen
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat Ende 2012 ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben. Das Projekt befasst sich mit der Angemessenheit der AGB-rechtlichen Regelungen in Deutschland für Verträge im b2b-Bereich. Nunmehr wurde das Ergebnis des Forschungsprojekts vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht.
Regelungen im Ausland liberaler
Auf mehreren hundert Seiten stellt das Gutachten im Detail und mit lesenswerten Beispielen dar, warum die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen und Rechtsprechung der Korrektur bedürfen. Die Autoren vergleichen die in Deutschland geltenden Regelungen mit der deutlich liberaleren Rechtslage in Frankreich, England, den USA, Österreich, der Schweiz und Polen.
Sehr lesenswert sind die im Gutachten dargestellten Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur Vertragspraxis in Deutschland, die einen dringenden Reformbedarf im Bereich der Wirksamkeit von Haftungsbeschränkungen in AGB offenbaren.
Fehlendes Bewusstsein über eigene Risiken
Darüber hinaus hat das Gutachten zu Tage gefördert, dass einer erschreckend hohe Zahl an Entscheidern in Unternehmen sich der Risiken einer unwirksamen Haftungsbeschränkung häufig nicht bewusst sind. Insbesondere bestehen Fehlvorstellungen darüber, welche Regelungen der AGB-Kontrolle unterliegen. Bis zu einer Änderung der gesetzlichen Regelung sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter dringend in diesem Bereich schulen.
Besonderheiten im IT-Sektor
Für den IT-Sektor sind die Ausführungen zu Outsourcing-Verträgen, Cloud Computing-Verträgen und sonstigen IT -Verträgen und der Wirksamkeit von Service Level-Agreements von besonderem Interesse. So kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die branchenüblichen Haftungsbeschränkungen und Freizeichnungsklauseln sowie eine Vielzahl üblicher Regelungen zu Service Levels und Verfügbarkeit im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH stehen.
Unternehmer müssen – auch im IT-Sektor – bei einer Verletzung vertragswesentlicher Pflichten mindestens auf den vorhersehbaren, vertragstypischen Schaden haften. Diese Anforderungen erfüllten eine Vielzahl der in der Praxis verwendeten und in Mustersammlungen vorhandenen Regelungen für Standardverträge nicht.
Individuelle Vereinbarungen können Abhilfe schaffen
Was bleibt also zu tun? Einstweilen ist ein besonderes Augenmerk auf die Formulierung entsprechender Verträge zu legen. Es ist dafür zu sorgen, dass besonders kritische Vertragsbeziehungen nicht auf einem unverhandelten Vertrag aufbauen. Vielmehr sollten diese individuell gestaltet werden.
Handlungsbedarf für den Gesetzgeber
Mittelfristig bleibt zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber den Empfehlungen des Gutachtens anschließt und die Haftung im b2b-Bereich bei Standardverträgen und AGB reformieren wird.
Das Gutachten unterbreitet hierfür konkrete Vorschläge: Summenmäßige Haftungsbeschränkungen sollten ausdrücklich für zulässig erklärt werden, sofern der Verwender der AGB ausdrücklich auf diese Beschränkung hinweist. Alternativ sollten Verträge ab einem bestimmten Vergütungsvolumen grundsätzlich vom Anwendungsbereich des AGB-Rechts ausgenommen werden. Erfreulich ist in jedem Fall, dass die Diskussion über die Zukunft des AGB-Rechts im b2b-Bereich erneut angestoßen wurde. Es gilt nun, die weitere Entwicklung zu verfolgen.