Vor kurzem veröffentlichte die Finanzaufsicht BaFin überarbeitete Leitlinien (WpHG-Bußgeldleitlinien II). Diese waren zuletzt 2013 herausgegeben worden.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kann und wird Unternehmen bei Verstößen gegen Veröffentlichungspflichten aus dem Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) nach den neuen WpHG-Bußgeldleitlinien jetzt deutlich härter bestrafen. Die Strafen können dabei erheblich ausfallen.
Hintergrund dieser härteren Sanktionsmöglichkeiten sind geänderte Regelungen auf europäischer Ebene. Dies ist zum einen die im November 2015 in deutsches Recht umgesetzte Änderungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie. Sie sanktioniert Verstöße gegen die Beteiligungs- und Berichtspublizität deutlich härter. Zum anderen geht dies auf die im Juli 2016 in Kraft getretene Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und die Marktmissbrauchsrichtlinie (CRIM-MAD) zurück, die EU-weit schärfere Regelungen gegen Marktmanipulation und Insiderhandel vorsehen.
Neue WpHG Bußgeldleitlinien: Sehr hohe Bußgelder möglich
Erheblich höhere Sanktionen drohen beispielsweise bei Verstößen gegen die neue Marktmissbrauchsverordnung. Dazu zählen Fälle wie die unterlassene oder fehlerhafte Erfüllung der Verpflichtung, wichtige Unternehmensnachrichten umgehend zu veröffentlichen (Ad-hoc-Pflicht) oder Eigengeschäfte von Führungskräften (Directors‘ Dealings) zu melden.
Bei einem Verstoß drohen hohe und sogar umsatzbezogene Geldbußen. Der Bußgeldrahmen kann je nach Verstoß – zum Beispiel bei Insiderhandel – bei bis zu 5 Millionen Euro bei natürlichen Personen liegen. Bei juristischen Personen hingegen kann das Bußgeld bis zu 15 Millionen Euro oder – sofern höher – 15 Prozent des Konzernumsatzes betragen.
Pflichtverstöße bei der Finanzberichterstattung, oder der Mitteilung von Änderungen bei Stimmrechten (Stimmrechtsmitteilungen), kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Bußgeldern von bis zu zehn Millionen Euro oder aber mit fünf Prozent des Konzernjahresumsatzes sanktionieren.
Macht ein Unternehmen also beispielsweise 50 Milliarden Euro Umsatz, ist bei solchen Vergehen theoretisch maximal ein Bußgeld von bis zu 2,5 Milliarden Euro möglich. Nach der alten Rechtslage lag die Obergrenze hingegen bei 200.000 Euro.
Spürbare Sanktionen für größere Unternehmen
Die Exekutivdirektorin der BaFin, Elisabeth Roegele, kündigte an, dass die BaFin gerade bei umsatzstarken Konzernen mit einer hohen Marktkapitalisierung bei schwerwiegenden Verstößen in Zukunft deutlich höhere Bußgelder verhängen werde.
Der europäische Gesetzgeber habe mit der Einführung umsatzbezogener Geldbußen auch für größere Unternehmen in besonders schwerwiegenden Fällen eine spürbarere Sanktionierung ermöglichen wollen. Allerdings sei man sich bei der BaFin, so Roegele weiter, wegen der weiten umsatzbezogenen Bußgeldrahmen auch der Verantwortung bewusst. Daher sei insbesondere bei weniger schweren Verstößen mit Augenmaß vorzugehen. Hier werde die Aufsicht im Einzelfall Geldbußen festsetzen, die weit unterhalb der gesetzlich festgelegten Obergrenze liegen.
WpHG Bußgeldleitlinien dienen der Gleichbehandlung
Die neuen Bußgeldleitlinien der BaFin legen nun Einzelheiten fest, wie die verschärften Bußgelder tatsächlich angewendet und bemessen werden. Dabei dienen die Leitlinien auch dem Prinzip der Gleichbehandlung. Sie sollen sicherstellen, dass im Wesentlichen gleiche Ordnungswidrigkeiten auch vergleichbar geahndet werden.
Die Bußgeldleitlinien konkretisieren die offen formulierten Regelungen aus dem Wertpapierhandelsgesetz und weisen, je nach Schweregrad und Marktkapitalisierung des betroffenen Unternehmens, bezifferte Grundbeträge aus. Die BaFin zieht diese dann als Grundlage heran, um unter Berücksichtigung der mildernden oder erschwerenden, täterbezogenen Umstände das individuelle Bußgeld festzusetzen.
Bemessung des Bußgeldes in zwei Stufen
Bei der Bemessung der Bußgelder wird die BaFin künftig in zwei Stufen vorgehen:
Anhand der einschlägigen Vorschriften im WpHG wird auf der ersten Stufe der anwendbare Bußgeldrahmen ermittelt.
Dieser bestimmt sich entweder
- nach den bezifferten Höchstbeträgen (zum Beispiel bis zu 10 Millionen Euro bei unterlassenen Stimmrechtsmitteilungen), oder
- nach den umsatzbezogenen Höchstbeträgen (zum Beispiel 2 Prozent des letzten Gesamtumsatzes bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Pflicht), oder
- nach den mehrerlösbezogenen Höchstbeträgen (zum Beispiel das Dreifache des aus dem Verstoß gezogenen Vorteils bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Pflicht).
Es kommt dabei immer der jeweils höchste der genannten Beträge für die Bestimmung des Bußgeldrahmens zur Anwendung.
Die anschließende, konkrete Bemessung (zweite Stufe) der Geldbuße erfolgt dann wiederum in drei Schritten:
- zunächst wird der Grundbetrag anhand der Tatumstände ermittelt,
- in einem zweiten Schritt erfolgt eine Anpassung des ermittelten Betrags mittels täterbezogener Zumessungskriterien und
- zuletzt werden auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigt.
Bei der Festsetzung der Geldbuße hat die BaFin zudem die Möglichkeit, den wirtschaftlichen Vorteil, den der Betroffene aus der Tat erlangt hat, abzuschöpfen. Liegen Milderungsgründe oder erschwerende Umstände vor, kann der ermittelte Grundbetrag unter- oder überschritten werden.
Mildernde und strafschärfende Umstände
Mildernd kann sich unter anderem folgendes auswirken:
- fahrlässiges oder leichtfertiges Handeln,
- das Ablegen eines Geständnisses,
- Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung,
- Versprechen oder Maßnahmen der Besserung, oder
- eine lange Verfahrensdauer.
Verschärfend kann beispielsweise eine Wiederholungstat oder die gesteigerte Uneinsichtigkeit des Betroffenen berücksichtigt werden.
Konkrete Beträge nach den neuen Bußgeldleitlinien
Im zweiten Teil der Leitlinien beziffert die BaFin im Einzelnen die Festsetzung der betragsmäßigen Bußgelder für die jeweiligen Verstöße. Dabei werden die Unternehmen nach ihrer Marktkapitalisierung kategorisiert und die Tatumstände von „leicht“ über „mittel“ bis „außerordentlich schwer“ eingestuft. Die für die konkrete Bußgeldfestsetzung zu ermittelnden Grundbeträge lassen sich dabei aus Tabellen ablesen.
Veröffentlichung von Sanktionen
Die Verhängung von Bußgeldern ist jedoch nur eine der in Frage kommenden Sanktionen nach den neuen europarechtlichen Vorgaben. Verstöße gegen das neue Marktmissbrauchsrecht – beispielsweise bei unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen – können auch über die dargestellten Bußgelder hinaus zur Abschreckung durch das sogenannte „Naming and Shaming″ geahndet werden.
Dabei werden ergangene Verwaltungssanktionen, also zum Beispiel Bußgeldentscheidungen, auch schon vor Rechtskraft unter Nennung des Verstoßes auf der Internetseite der BaFin für mindestens fünf Jahre veröffentlicht. Hierbei wird nicht nur der begangene Verstoß genannt, sondern vor allem auch der vollständige Name des Betroffenen.
Darüber hinaus kommen bei schweren Verstößen auch strafrechtliche Sanktionen in Betracht. Eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen kann zum Beispiel eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nach sich ziehen. Im Bereich der Marktpreismanipulation droht beispielsweise demjenigen, der gewerbsmäßig oder in Ausübung seiner Tätigkeit für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder eine Börse handelt, sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.
Vorbeugung durch das Aufsetzen von Compliance-Strukturen
Durch die nunmehr auf Grundlage der BaFin-Leitlinien geschaffenen Konkretisierungen, wird die Ahndung von Verstößen vorhersehbarer. Um Bußgelder und Strafen zu vermeiden, sollten Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fallen, geeignete Compliance-Strukturen implementieren und diese permanent überwachen. Praktisch erforderlich sind auch die Erarbeitung geeigneter Prozess- und Ablaufbeschreibungen, sowie die kontinuierliche Schulung von Mitarbeitern und Führungskräften.