31. Januar 2011
Markenrecht

„Aqua″ – das Wasser – und „vinum″ – der Wein, scher‘ dich zum Teufel mit deinem Latein!

Leidgeprüfte Ärzte wissen ein Lied davon zu singen: Wartezimmer voller Patienten, die eigentlich die besseren Ärzte sind und nur noch eine Bestätigung der schon längst gestellten Diagnose wünschen. Der moderne Patient ist nicht mehr nur mündig und aufgeklärt, sondern eine medizinische Koryphäe.

Doch „manus″ aufs „cor″ – wie bekannt ist dem Laien-Mediziner die Bezeichnung „hallux valgus″? Nach einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union (Urteil vom 16.12.2010, T-286/08) ist diese pathologische Fehlstellung der Großzehe (= lat. „hallux″) sogar dem deutschsprachigen Laienpublikum bekannt, soweit es sich dabei um am Tragen von „Bequemschuhen″ Interessierte handelt. Neben Ärzten kommt nun also auch Markenanmeldern der gebildete Kranke ein wenig ins Gehege.

Ein Hersteller von Bequemschuhen hatte die Wortmarke „Hallux″ als Gemeinschaftsmarke (CTM 005245147) angemeldet. Für die von der Markenanmeldung u.a. umfassten Waren „orthopädische Artikel″ (Klasse 10) und „Schuhwaren″ (Klasse 25) hielt die Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt den Begriff „Hallux″ für beschreibend und wies die Markenanmeldung zurück (Entscheidung vom 28.02.2007, R0632/2007-4).

Das Gericht der Europäischen Union bestätigte diese Entscheidung nun und sah die absoluten Eintragungshindernisse nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) GMV und Art. 7 Abs. 1 lit. b) GMV gegeben: „Hallux″ bezeichne ein besonderes Merkmal von orthopädischen Artikeln und eine besondere Eignung von Schuhwaren. Es sei zwar richtig, dass es sich bei dem lateinischen Wort „hallux″ um einen medizinisch-anatomischen Fachbegriff handele, der der breiten Öffentlichkeit wohl nicht bekannt sei. Allerdings setze sich das relevante Publikum für „orthopädische Artikel″ u.a. aus Ärzten und Großzeh-Patienten zusammen, so dass von hohen Fachkenntnissen auszugehen sei. Und selbst das maßgebliche Publikum für „Schuhwaren″ in der Form von „Bequemschuhen″ kenne die Bedeutung des Begriffes „hallux″.

Für die Markenanmeldepraxis bedeutet dies, dass insbesondere im Bereich der medizinischen Fachsprache zukünftig noch sorgfältiger geprüft werden sollte, ob ein lateinischer Begriff das Potential zur Marke hat. So seriös und wissenschaftlich lateinische Bezeichnungen oft auch klingen mögen –  die Flucht in die „tote″ Fremdsprache führt längst nicht mehr in jedem Fall aus dem Bereich der allgemeinen markenrechtlichen Eintragungshindernisse hinaus. Dies gilt nach einer Schweizer Entscheidung übrigens nicht nur für pathologische Erscheinungen, sondern auch für einen guten Gesundheitszustand: Dem grammatikalisch zwar nicht korrekt gebildeten Wort „CORPOSANA″, das ohne weiteres als „gesunder Körper″ verstanden werde, fehle es u.a. für Kosmetika an der erforderlichen Unterscheidungskraft.

Tags: absolutes Schutzhindernis Art. 7 GMV beschreibend Corposana Hallux Latein Marke T-286/08