5. März 2020
Marke gute Sitten
Markenrecht

EuGH: „Fack Ju Göhte″ keine sittenwidrige Marke

Nach langem Kampf hat die Anmelderin der Marke "Fack Ju Göhte" obsiegt. Entgegen allen Vorinstanzen sieht der EuGH keinen Verstoß gegen die guten Sitten.

„Fack Ju Göhte“ ist vielen Menschen in Deutschland ein Begriff. Unter diesem Titel produzierte die Rat Pack Filmproduktion gemeinsam mit Constantin Film im Jahre 2013 einen der erfolgreichsten Kinofilme des Jahres. Später folgten, ebenfalls mit erheblichem Erfolg, die Fortsetzungen „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“.

Neben preisgekröntem Drehbuch und schauspielerischer Leistung blieb dem Kinobesucher besonders der prägnante Filmtitel im Gedächtnis. Dieser entwickelte eine solche Popularität, dass die Constantin Film Produktion GmbH die Bezeichnung im Jahre 2015 als Marke für zahlreiche Waren und Dienstleistungen für den Bereich der Europäischen Union anmeldete.

Ablehnung der Markeneintragung „Fack Ju Göhte“ durch das EUIPO wegen Verstoßes gegen die „guten Sitten“

Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) wies die Anmeldung der Marke „Fack Ju Göhte″ im September 2015 für sämtliche Waren und Dienstleistungen zurück.

Das EUIPO begründete die Zurückweisung damit, dass Unionsmarken, die gegen die guten Sitten verstoßen, gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. f) der Unionsmarkenverordnung (UMV) von der Eintragung in das Register ausgeschlossen seien. Einen solchen Sittenverstoß sah es vor allem darin, dass die deutschsprachigen Verbraucher den Wortbestandteil „Fack Ju“ als identisch zum englischen „Fuck you“ wahrnähmen. Dies sei anstößig und vulgär, was auch durch die Kombination mit dem Bestandteil „Göhte“ nicht abgemildert werde.

Die Constantin Film Produktion GmbH scheiterte sowohl mit ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer des EUIPO als auch mit ihrer Klage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG).

Aufhebung durch den EuGH: „Gute Sitten“ nicht abstrakt zu beurteilen

Knapp fünf Jahre nach der Anmeldung gibt der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Constantin Film Produktion GmbH nun recht. Mit seinem aktuellen Urteil vom 27. Februar 2020 (C-240/18) hebt er die Entscheidungen des EuG und des EUIPO auf.

Der EuGH begründet dies vor allem damit, dass das EUIPO und das EuG keine ausreichenden Feststellungen getroffen hätten, wie die maßgeblichen Verkehrskreise die Bezeichnung tatsächlich auffassen würden. Maßgeblich seien für den Begriff der „guten Sitten“ die

grundlegenden moralischen Werte und Normen, an denen eine bestimmte Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält.

Diese Werte und Normen entwickelten sich im Laufe der Zeit und könnten von Ort zu Ort unterschiedlich sein. Aus Sicht des EuGH tragen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht das von ihnen gefällte Sittenwidrigkeitsurteil.

Nach Auffassung des EuGH spricht etwa gegen die Annahme eines Sittenverstoßes, dass die Bezeichnung als Filmtitel in der breiten deutschsprachigen Öffentlichkeit bekannt geworden sei, aber dennoch nicht zu Diskussionen über einen etwaigen anstößigen oder vulgären Charakter geführt habe. Stattdessen waren die entsprechend bezeichneten Filme sogar besonders erfolgreich, wurden für Jugendliche freigegeben und sogar vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken genutzt. Diese Hintergrundelemente weisen nach Auffassung des EuGH allesamt darauf hin, dass die Bezeichnung „Fack Ju Göhte“ von dem hier maßgeblichen deutschsprachigen Publikum nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.

Das EUIPO und das EuG hätten die Marke daher nicht einfach abstrakt beurteilen dürfen, sondern hätten all diese Aspekte berücksichtigten müssen, um zu ermitteln, ob die Bezeichnung tatsächlich gegen die guten Sitten der maßgeblichen Verkehrskreise verstößt.

Auch wenn die Entscheidung des EuGH nicht automatisch zur Eintragung der Marke führt, legen die vom EuGH aufgezeigten Argumente nahe, dass die Eintragung der Marke kaum wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten abgelehnt werden kann.

Provokante Marken verstoßen nicht per se gegen die guten Sitten

Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen. Sie untermauert, dass Begriffe nicht zu abstrakt auf ihre (fehlende) Markenfähigkeit geprüft werden dürfen, sondern gerade beim Kriterium der guten Sitten stets die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick zu behalten sind. Was die angesprochenen Verkehrskreise nicht als vulgär und obszön empfinden, sollte auch von Markenämtern nicht als sittenwidrig bewertet werden.

In der Vergangenheit sind bereits andere populäre Entscheidungen zu vermeintlichen Sittenverstößen durch provokante Marken ergangen. Solche Marken sind wie im vorliegenden Fall oft sehr prägnant, bleiben den angesprochenen Verkehrskreisen meist nachhaltig im Gedächtnis und eignen sich daher besonders, um in stark marketinggeprägtem Umfeld herauszustechen. Im Jahre 2013 hatten sich etwa das Bundespatentgericht (BPatG) und das EuG schon mit der Zulässigkeit der Marke „Ficken Liquors“ u.a. für Waren und Dienstleistungen im Getränke- und Gastronomiebereich zu befassen. Während das Bundespatentgericht die Marke für eintragungsfähig hielt (BPatG, Beschluss v. 28. September 2011 – 26 W (pat) 44/10), lehnte das EuG die Eintragungsfähigkeit der Marke wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten ab (EuG, Urteil v. 14. November 2013 – T–54/13). Bereits in den damaligen Entscheidungen war erkennbar, dass die mit dem Fall befassten Gerichte einen möglichen Sittenverstoß stark einzelfallbezogen anhand konkreter Moralvorstellungen der maßgeblichen Verkehrskreise beurteilten.

In gleicher Weise argumentiert zutreffend nun der EuGH. Die Entscheidung in Sachen „Fack Ju Göhte“ führt einmal mehr vor Augen, dass die Eintragung provokanter Marken nicht per se ausgeschlossen sein muss. Ob eine provokante Marke zu einem Unternehmen passt und nachhaltige Marketingerfolge verspricht, muss zwar in erster Linie aus unternehmerischer Sicht beurteilt werden. Aus rechtlicher Sicht ist jedoch festzustellen, dass die Markeneintragung nur auf Basis einer fundierten rechtlichen Begründung im Einzelfall zurückgewiesen werden darf und nicht auf Grundlage abstrakter Sittenwidrigkeitserwägungen. Auch Grundfreiheiten wie das Recht der freien Meinungsäußerung spielen für die Beurteilung eine maßgebliche Rolle.

Auf Grund der sehr einzelfallbezogenen Bewertung der Eintragungsfähigkeit der Marke „Fack Ju Göhte″ ist die Entscheidung allerdings auch kein Dammbruch für anstößige Marken. In den meisten Fällen wird ein Markenanmelder anders als bei den „Fack Ju Göhte″-Filmen deutlich weniger Futter für die Argumentation haben, ein Begriff werde von den angesprochenen Verkehrskreisen tatsächlich nicht als anstößig empfunden.

Tags: Fack Ju Göthe" gute Sitten Marke