18. September 2012
Urheberrecht

Auf die Suche, fertig, los – EU Richtlinie zu verwaisten Werken beschlossen

Die EU Richtlinie über verwaiste Werke wurde am 13.09.2012 wie erwartet mit großer Mehrheit vom EU Parlament beschlossen. Die Richtlinie muss nun noch den Ministerrat passieren, bevor sie wirksam wird. Danach haben die nationalen Gesetzgeber Zeit, die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten umzusetzen. Was bedeutet dies nun?

Die Richtlinie betrifft Werke, die in Form von Büchern, Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften oder in sonstiger Schriftform veröffentlicht wurden und die in Sammlungen öffentlich zugänglicher Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen sowie in den Sammlungen von Archiven oder im Bereich des Film- oder Tonerbes tätigen Einrichtungen enthalten sind (Art. 1 Abs. 2 (a)); Film- oder audiovisuelle Werke und Tonträger, die in den Sammlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen sowie in den Sammlungen von Archiven oder Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes enthaltenen Einrichtungen enthalten sind(Art. 1 Abs. 2 (b)) ; Film- oder audiovisuelle Werke und Tonträger , die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bis zum und einschließlich am 31.  Dezember 2002 produziert wurden und in ihren Archiven enthalten sind, die urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützt sind und zuerst in einem Mitgliedstaat veröffentlicht oder, wenn sie nicht veröffentlicht wurden, gesendet wurden (Art. 1 Abs. 2 (c)) .

Die Möglichkeit zur Nutzung von verwaisten Werken bekommen öffentlichen Einrichtungen, vor allem also Bibliotheken, Museen, Archive und Bildungseinrichtungen. Voraussetzung für Digitalisierung und öffentliche Zugänglichmachung ist eine “sorgfältige Suche” (“diligent search”) nach Rechteinhabern.

Wird ein Werk als „verwaist″ eingestuft, so ist die öffentliche Zugänglichmachung sowie die Vervielfältigung zum Zwecke der Digitalisierung, Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Bewahrung oder Restaurierung erlaubt (Art, 6 Abs. 1). Erforderlich für eine „sorgfältige Suche″ gem. Art. 3 der Richtlinie ist die Konsultation der „geeigneten Quellen nach Treu und Glauben.″ Welche Quellen für die einzelnen Kategorien der betreffenden Werke oder Tonträger geeignet sind, wird von jedem Mitgliedstaat in Absprache mit den Rechteinhabern und den Nutzern bestimmt. Hier bleibt also abzuwarten, welche Institutionen vom deutschen Gesetzgeber als „Quellen″ benannt werden.

Eine sorgfältige Suche nach den Rechteinhabern in jenem Mitgliedsstaat, “in dem das Werk zuerst veröffentlicht, gesendet, der Öffentlichkeit in anderer Form präsentiert oder in anderer Form an diese verteilt wurde” reicht grundsätzlich aus. Man muss also nur in einem Mitgliedsstaat eine sorgfältige Suche vornehmen und nicht in der gesamten EU. Allerdings sind nach dem reichlich vagen Art. 3 Abs. 4 auch verfügbare Informationsquellen in anderen Ländern zu konsultieren, wenn „Hinweise″ bestehen, dass relevante Informationen zu Rechteinhabern in anderen Ländern gefunden werden können.

Die Suche ist zu dokumentieren und in einer „einzigen öffentlichen Online-Datenbank″, die eigens eingerichtet werden muss und beim HABM angesiedelt sein wird, zu erfassen. Einnahmen dürfen von den Einrichtungen ausschließlich zur Deckung der Kosten für die Digitalisierung verwaister Werke sowie für ihre öffentliche Zugänglichmachung erwirtschaftet werden.

Um die Interessen der Rechtsinhaber zu wahren, ermöglicht Art. 5 der Richtlinie, dass der Rechtsinhaber – soweit er zwischenzeitlich bekannt geworden ist – den Waisenstatus seines Werkes für die Zukunft beenden kann, soweit er dies fordert. Taucht der Urheber/Rechteinhaber trotz sorgfältiger Suche auf und beendet den Status des Werkes als „verwaist″, so hat dieser einen Anspruch auf einen „gerechten Ausgleich″.  Die Höhe dieser Vergütung wird durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu regeln.

Taucht der vermeintlich nicht auffindbare Urheber auf und stellt sich heraus, dass die Suche nicht „sorgfältig″ im Sinne Richtlinie war, so kann der Urheber auf die Rechtsbehelfe zurückgreifen, die im jeweiligen Mitgliedstaat nach dem Urheberrecht vorgesehen sind.

Praxistipp: Tauchen in Archiven, Museen oder Bibliotheken bei laufenden Digitalisierungsprojekten „verwaiste Werke″ auf, so sollten diese bereits jetzt festgehalten werden. Sobald der Gesetzgeber die Richtlinie umgesetzt, insbesondere die Anforderungen an die „sorgfältige Suche″ konkretisiert hat, kann sich die jeweilige Institution auf die Suche machen, und, wenn diese erfolglos ist, das Werk in dem von der Richtlinie erlaubten Maße nutzen. Eine erste Orientierung, welche Quellen im Rahmen der „sorgfältigen Suche″ zu befragen sein werden, gibt die Liste im Anhang der Richtlinie.

Tags: diligent search Rechteinhaber Vergütung verwaiste Werke
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Katharina Garbers-von Boehm