27. Juli 2021
Plagiat
Urheberrecht

Recht und Unrecht von Plagiaten

Plagiatsvorwürfe sind schnell erhoben. Die rechtliche Lage gestaltet sich jedoch kompliziert.

Seit einigen Jahren ist in den Medien immer wieder von Plagiatsvorwürfen gegen verschiedene, meist in der politischen Öffentlichkeit stehende Personen die Rede. Selbsternannte „Plagiatsjäger″ haben es sich zur Aufgabe gemacht, Buchveröffentlichungen und Doktorarbeiten auf etwaige rechtliche und wissenschaftliche Ungereimtheiten zu durchleuchten. Dabei kommen häufig spezielle Softwareprodukte zum Einsatz, die Texte auf Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten mit anderen Quellen automatisiert abgleichen. 

Plagiat als Übernahme eines fremden Werkes unter Anmaßung eigener Urheberschaft

Gemeinhin wird unter dem Begriff des „Plagiats″ der Diebstahl geistigen Eigentums verstanden. Diese weitverbreitete Auffassung stellte bereits 1960 der Bundesgerichtshof (BGH) fest (Urteil v. 12. Januar 1960 – I ZR 30/58). Gleichwohl handelt es sich dabei nicht um einen feststehenden Rechtsbegriff. Insbesondere im Urheberrechtsgesetz (UrhG), dem maßgeblichen Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums, findet sich der Begriff an keiner Stelle.

Aus rechtlicher Sicht fußt der Plagiatsvorwurf auf zwei wesentlichen Elementen: Zum einen bedarf es der Übernahme eines fremden Werks oder Werkteils, gleich ob dies in veränderter oder unveränderter Form geschieht. Klassisches Beispiel ist etwa die Kopie einer Textstelle, einer Melodie oder eines Gemäldes. Zum anderen muss diese Übernahme ohne Kennzeichnung und in bewusster Anmaßung der Urheberschaft erfolgen. Die Kopie muss also als eigene Schöpfung ausgegeben werden. Während ein Kunstfälscher ein Gemälde kopiert und den Anschein erweckt, es handele sich um das Original des ursprünglichen Künstlers, gibt der Plagiator die Kopie als sein eigenes Werk aus.

Nicht jedes Plagiat ist ein Urheberrechtsverstoß

Urheberrechtlich kommen bei einem Plagiatsvorwurf verschiedene Rechtsverstöße in Betracht. So verbieten die §§ 15 ff. UrhG die unzulässige Verwertung fremder Werke, § 23 UrhG verbietet deren unzulässige Abänderung und in § 13 UrhG wird das Recht des Urhebers geregelt, als solcher genannt zu werden. Zudem verpflichtet § 63 UrhG im Falle der erlaubten Übernahme fremder Werke zur Quellenangabe, was vor allem beim grundsätzlich zulässigen Zitieren relevant wird.

Allerdings verstößt nicht jeder „geistige Diebstahl″ zwangsläufig auch gegen jede diese Normen. Insbesondere kurze Textteile, bloße Beschreibungen, Aufzählungen und Feststellungen besitzen häufig überhaupt nicht die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe. Werden diese kopiert, verbietet dies das Urheberrecht nicht. Zudem erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Darüber hinaus kann die Übernahme auch ausdrücklich erlaubt sein; entweder weil das Gesetz eine Erlaubnis vorsieht (z.B. Zitatrecht) oder weil der Urheber selbst die Übernahme gestattet.

Während im letzten Fall der erlaubten Übernahme ein Plagiat zumindest noch das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft aus § 13 UrhG verletzt und ggf. gegen die Pflicht zur Quellenangabe aus § 63 UrhG verstößt, sind die anderen Fälle für das Urheberrecht weitgehend irrelevant. Denkbar sind je nach Einzelfall allerdings Verstöße gegen andere Rechtsnormen wie bspw. die strafrechtlichen Tatbestände des Betrugs oder der Urkundenfälschung.

Festzuhalten ist jedoch, dass nicht jede Kopie fremden geistigen Eigentums (urheber-)rechtliche Folgen hat.

Plagiate in der Wissenschaft

Die mitunter fehlende Deckungsgleichheit zwischen der urheberrechtlichen Rechtslage und dem landläufigen Verständnis des Plagiatsbegriffs mag auch dadurch beeinflusst sein, dass medial aufbereitete Plagiatsverfahren häufig wissenschaftliche Arbeiten zum Gegenstand haben. So haben sich nahezu alle Hochschulen und Forschungseinrichtungen eigene Regelwerke zum wissenschaftlichen Arbeiten gegeben, in denen auch der Umgang mit Plagiaten thematisiert wird. Grund hierfür ist unter anderem der nur eingeschränkte urheberrechtliche Schutz von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Damit wissenschaftlicher Fortschritt nicht monopolisiert werden kann, genießen wissenschaftliche Arbeiten nur aufgrund ihrer Darstellungsform, nicht aber aufgrund der darin beschriebenen Ideen, Erkenntnisse und Ergebnisse urheberrechtlichen Schutz.

Die Plagiatstatbestände in den Regelwerken von Hochschulen gehen daher über die reine Urheberrechtslage hinaus und beziehen auch ethische Ansätze und Leitgedanken wie ein respektvolles Miteinander ein. Wissenschaftliches Fehlverhalten, also Verstöße gegen diese Regelwerke, haben dann allerdings auch nur eingeschränkte Folgen. Sanktionen wie der Entzug der Doktorwürde richten sich wiederum nach Rechtsverordnungen und Landesgesetzen, für die ein nach internen Regelwerken festgestelltes wissenschaftliches Fehlverhalten nur Indizwirkung hat. 

Besondere Erscheinungsformen und Abgrenzungen zum klassischen Plagiat

Darüber hinaus haben sich in der Rechtswissenschaft weitere Rechtsfiguren herausgebildet, die dem klassischen Plagiat zwar sehr ähnlich sind, sich davon aber in rechtlich relevanter Weise unterscheiden. Die Abgrenzung zwischen diesen Erscheinungsformen ist mitunter schwierig und bedarf einer näheren Erläuterung.

Unbewusste Entlehnung: Ein unbewusster Verstoß

Der wohl relevanteste Sonderfall eines Plagiats ist die sog. „unbewusste Entlehnung″. Dabei handelt es sich um ein vorsatzloses Plagiat. Der Plagiator ist sich also überhaupt nicht bewusst, dass er ein anderes Werk plagiiert hat. Seine Selbstdarstellung als Urheber ist daher zwar falsch und meist auch rechtswidrig, aber der Plagiator ist sich dieser Tatsache nicht bewusst.

Ursache einer unbewussten Entlehnung ist in der Regel, dass der Plagiator das Originalwerk kannte oder unbewusst wahrgenommen hat, sich daran jedoch bei der Erstellung seines Werks nicht mehr erinnert. Nicht selten ist das im Bereich der Musik. Nicht nur verarbeiten Menschen ständig Töne, Melodien und Rhythmen; diese musikalischen Elemente sind auch ein begrenztes Gut und müssen sich irgendwann zwangsläufig wiederholen. Zudem kennt die Psychologie mit der „Kryptoamnesie″ das Phänomen, dass Menschen vergessen geglaubte Erinnerungen als eigene neue Gedanken wahrnehmen.

Vor Gericht wird die unbewusste Entlehnung bzw. die Kryptoamnesie in Plagiatsfällen teilweise als Verteidigungsstrategie genutzt, da der Nachweis des Vorsatzes naturgemäß schwierig ist. Gleichwohl reichen den Gerichten in den meisten Fällen bereits Indizien aus, um eine Urheberrechtsverletzung anzunehmen. 

Der wahrscheinlich bekannteste Fall dreht sich um das Gitarrensolo aus dem Song „Still Got the Blues″ von Gary Moore. So musste das LG München I entscheiden, ob Gary Moore das Solo von einem 16 Jahre früher erschienenen, unbekannten deutschen Song übernommen hatte. Auch wenn eine bewusste Übernahme nicht festgestellt werden konnte, entschied das Gericht, dass 

auch die bloß unbewusste Verletzung von Urheberrechten einen Eingriff in fremde Rechte

darstellt (Urteil v. 3. Dezember 2008 – 21 O 23120/00).

Eine Doppelschöpfung ist selten, aber möglich

Wenn eine Verbindung zwischen Originalwerk und vermeintlichem Plagiat in keiner Weise festgestellt werden kann, dann steht eine sog. „Doppelschöpfung″ im Raum. Eine Doppelschöpfung meint somit die völlig unabhängige Schaffung eines Werks durch zwei unterschiedliche Urheber.

Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Werk von verschiedenen Personen erdacht wird, so kommt eine Doppelschöpfung in der Praxis nur sehr selten vor. Je komplexer ein Werk und je größer der zeitliche Abstand zwischen den beiden Werken, desto eher ist von einer unbewussten Entlehnung oder aber einem bewussten Plagiat auszugehen. Denkbar ist eine Doppelschöpfung nur bei sehr einfachen Werken und bei der Übernahme von bloßen Werkteilen. So nahm das KG Berlin (Urteil v. 26. September 2000 – 5 U 4831/00) eine Doppelschöpfung bei zwei Kunstwerken an, da die ähnlichen Werkteile vor dem Hintergrund des Gesamtkonzepts schlicht naheliegend waren.

Sollte ausnahmsweise eine Doppelschöpfung bejaht werden, so handelt es sich nicht um eine Urheberrechtsverletzung; beide Werke genießen unabhängig voneinander Urheberrechtsschutz.

Auch ein Selbstplagiat kann für den Urheber problematisch werden

Beim Selbstplagiat sind die Personen des Originalurhebers und des Plagiators identisch – der Urheber plagiiert sich selbst. Da der Urheber sein eigenes Urheberpersönlichkeitsrecht nicht verletzen kann, scheidet ein entsprechender Verstoß gegen § 13 UrhG aus.

Probleme ergeben sich aber dann, wenn der Urheber Rechte am Originalwerk an Dritte übertragen hat, wie bspw. ein ausschließliches Recht zur Vervielfältigung oder ein ausschließliches Nutzungsrecht. In diesen Fällen verstößt der Selbstplagiator gegen die vertragliche Vereinbarung mit dem Dritten. Praxisrelevant ist das bei Künstlern, deren Originalwerke an Wert verlieren, wenn sie durch den Künstler selbst kopiert werden.

Plagiat: Zwischen medialer Aufmerksamkeit und rechtlicher Grauzone

Die dargestellten Facetten aus der Welt des Plagiatsbegriffs zeigen, wie schwierig die Beurteilung des Diebstahls geistigen Eigentums sein kann. Die Aussagekraft der von einer Plagiat-Software gefundenen Übereinstimmungen zwischen zwei Werken wird daher nicht umsonst von Rechtswissenschaftlern erst einmal zurückhaltend bewertet. Die Gefahr einer Vorverurteilung ist groß, zumal Plagiatsvorwürfe nur selten vor Gericht geklärt werden. Dies macht es dem vermeintlichen Plagiator schwer, eine offizielle Entlastung zu erreichen. Auf der anderen Seite bedarf es strenger und effektiver Regelungen, um Plagiate aufzudecken und zu sanktionieren. Nicht umsonst genießt der Schutz des Urheberpersönlichkeitsrecht nach deutschem Rechtsverständnis eine große Bedeutung.

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