Im Streit um ein Sample aus dem Song „Metall auf Metall" gibt es nun die elfte Gerichtsentscheidung, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Es gibt kaum ein Urheberrechtsverfahren, das länger läuft und erbitterter geführt wird: Im nunmehr dritten Jahrzehnt wird über die Zulässigkeit eines Samples aus dem Jahr 1997 gestritten. Nach LG, OLG, BVerfG, BGH und EuGH war erneut der BGH am Zug.
Der Streit um ein Sample aus „Metall auf Metall“ reicht über 20 Jahre zurück
Im Jahr 1997 entschied sich Moses Pelham dazu, eine ca. zweisekündige Rhythmussequenz aus dem elektronischen Song „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk zu sampeln und in fortlaufender Wiederholung in einer eigenen Hip-Hop-Produktion einzusetzen. Musiker von Kraftwerk sahen hierin eine Verletzung ihrer Urheberrechte und reichten im Jahre 1999 Klage vor dem Landgericht Hamburg ein.
Nachdem das BVerfG, der EuGH und BGH in den letzten sechs Jahren Entscheidungen dazu gefällt hatten, ist das OLG Hamburg nun zum dritten Mal an der Reihe gewesen. Das Urteil vom 28. April 2022 (Az. 5 U 48/05) ist die zehnte Entscheidung in diesem Rechtsstreit – und dürfte nicht die letzte bleiben.
Phase 1: Sampling von § 24 UrhG gedeckt
Das OLG Hamburg musste aufgrund rechtlicher Entwicklungen zwischen drei Zeitabschnitten unterscheiden – Handlungen bis zum 22. Dezember 2002 (Phase 1), zwischen dem 22. Dezember 2002 und 6. Juni 2021 (Phase 2) und ab dem 7. Juni 2021 (Phase 3). In der Phase 1 und 3 hat es das Sampling als zulässig angesehen, in Phase 2 sah es sich an Feststellungen des BGH gebunden und hat die dortigen Handlungen als rechtswidrig eingestuft.
In der ersten Phase war die Entscheidung aus 2016 zu berücksichtigen, mit der das BVerfG zwei vorangegangene Urteile des BGH moniert hatte. Der BGH hatte zuvor entschieden, dass das Sampling dann nicht von § 24 UrhG gedeckt sei, wenn der Künstler* die übernommene Sequenz auch hätte selbst einspielen können. Das BVerfG sah das als nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG an. Daraufhin entschied das OLG nun, dass die im Jahr 1997 vorgenommene Handlung von § 24 UrhG gedeckt gewesen sei.
Phase 2: Keine Erlaubnis nach § 24 UrhG mangels Umsetzung der InfoSoc-RL
In der zweiten Phase spielte es eine entscheidende Rolle, dass die EU das Urheberrecht mit der InfoSoc-Richtlinie zu weiten Teilen harmonisiert hat. Maßgebend waren daher nicht mehr die nationalen, sondern unionsrechtliche Maßstäbe.
Nach Vorlage durch den BGH – deren Nichtvorhandensein das BVerfG zuvor ebenfalls kritisiert hatte – entschied der EuGH im Jahr 2019, dass das Sampling dann keine Vervielfältigung darstelle, wenn der entnommene Bestandteil des vorigen Werks nicht mehr wiedererkannt werden könne. Darüber hinaus sei Sampling aber nur dann zulässig, wenn eine der im Unionsrecht vorgesehenen Schranken greife.
An dieser Stelle kam die Besonderheit dieser Schranken zum Tragen – denn der nationale Gesetzgeber hatte keine Verpflichtung, die im Unionsrecht vorgesehenen Schranken umzusetzen. Im Hinblick auf die Schranke des Pastiches aus Art. 5 Abs. 3 der InfoSoc-RL hatte sich der deutsche Gesetzgeber zunächst gegen eine Umsetzung entschieden, wie der BGH letztes Jahr betonte. Eine Anwendung von § 24 UrhG kam daher in der zweiten Phase nicht mehr in Betracht.
Hieran sah sich das OLG gebunden und nahm, da in der gesampelten Sequenz der Song „Metall auf Metall“ wiedererkennbar sei, eine Verletzungshandlung an.
Phase 3: Sample als Pastiche nach neuem § 51a UrhG erlaubt
In Phase 3 hingegen wandte das Oberlandesgericht die im Jahr 2021 vom Gesetzgeber neugeschaffene Schranke des § 51a UrhG an, die nunmehr auch der Pastiche umfasst. Zur Umsetzung war Deutschland durch die neuerliche EU-Urheberrechtsreform aus 2019 gezwungen worden.
Im Sample von Moses Pelham sah der Senat sodann auch ein Pastiche, das sich im Wesentlichen durch eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk auszeichne und dieses in etwas Neues verwandle. Pelham habe sich – so auch der eigene Vortrag – mit der Kälte des Klangs auseinandersetzen wollen. Auch sei ein deutlicher stilistischer Umbruch von elektronischer Musik zu Hip-Hop zu erkennen. Aufgrund dessen bestehe auch keine Konkurrenzsituation zwischen dem alten und neuen Werk. Ferner spreche in der weiteren Abwägung für eine Zulässigkeit, dass ein zeitlicher Abstand gegeben sei, und ein in Verbindungbringen der Kläger mit Moses Pelham sei nicht unzumutbar.
Auf Grundlage dieser Unterscheidung kam das OLG zu dem Schluss, dass ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben sei. Dafür hätte das Verhalten in Phase 3 noch rechtswidrig sein müssen. Für die Phase 2 hat das OLG die Beklagten jedoch zur Auskunft verurteilt und festgestellt, dass die Beklagten für diesen Zeitraum auch schadensersatzpflichtig sind.
EuGH wird Auslegung des Begriffs „Pastiche“ klären müssen
Es ist bereits jetzt klar, dass auch die dritte Entscheidung des OLG Hamburg nicht die letzte bleiben wird. Beim BGH ist bereits die Revision der Kläger anhängig (Az. I ZR 74/22). Da der Begriff des Pastiches, auf den das OLG Hamburg sich gestützt hat, ein Begriff des Europarechts ist, der noch vollständig ungeklärt ist, wird der BGH dies Sache wohl wieder dem EuGH vorlegen.
Der EuGH wird sich also ebenfalls ein weiteres Mal mit dem Fall beschäftigen. Die Auslegung des Begriffs Pastiche dürfte auch dem EuGH nicht gerade leichtfallen. Der aus dem französischen Recht stammende Begriff ist aus Literatur- und Kunstgeschichte als „stilistische Nachahmung“ bzw. als „anlehnende Nutzung“ bekannt. Im Urheberrecht sind jedoch weder Stil noch Idee als solche schutzfähig. Daher ist eine Auslegung vom gewöhnlichen Sprachgebrauch her, wie sie der EuGH in der Regel vornimmt, wenig hilfreich.
Klar zu sein scheint, dass der Pastiche von einer Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk geprägt ist und grundsätzlich die urheberrechtlich relevante Übernahme fremder Werke oder Werkteile ermöglichen soll. Anderenfalls hätte die Ausnahmebestimmung mangels Schutzfähigkeit von Stil und Idee keinen eigenen Anwendungsbereich.
So langwierig der Prozess bereits jetzt ist, ist doch zu hoffen, dass im Fortgang des Verfahrens weitere Klarheit über die Reichweite der Pastiche-Schranke geschaffen wird. Das ist nicht nur für sampelnde Künstler von großer Bedeutung. Vielmehr wird die Pastiche-Schranke auch für den alltäglichen Internetnutzer Relevanz aufweisen, denn u.a. die Zulässigkeit von Memes, GIFs, Mashups und Fan-Art wird künftig wohl hieran gemessen werden.
In der Sache selbst ist die Entscheidung des OLG Hamburg gut begründet. Die Unterscheidung in drei Zeitabschnitte ist durch die Entwicklungen im Urheberrecht bedingt, der Fall wurde durch diese einerseits immer wieder überholt und ist andererseits dennoch am Puls der Zeit. Die vom OLG herangezogenen Kriterien sind aufgrund ihrer Objektivität grundsätzlich gut geeignet, eine angemessene Abwägung der gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen. Es ist jedoch fraglich, ob dies auch für den zeitlichen Abstand gilt, auf den das OLG auch abgestellt hat. Auf diesen Aspekt darf es jedenfalls nicht entscheidend ankommen, anderenfalls könnten auch ansonsten zulässige zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzungen allein wegen der zeitlichen Nähe zum Ausgangswerk unterbunden werden. Welche Kriterien am Ende zum Tragen kommen, wird wohl der EuGH entscheiden.
Update vom 22. September 2023: BGH setzt Verfahren erneut aus und legt EuGH Fragen zu Pastiches vor
Nun hat der BGH entschieden – wie erwartet: Mit Beschluss vom 14. September 2023 hat der BGH das Verfahren erneut ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Auslegung des Begriffs des Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt.
Zum einen stelle sich dem BGH die Frage, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne der vorgenannten Norm ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk ist und ob einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten. Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein, die deshalb notwendig sei, weil der Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form und den übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden könne.
Zum anderen stelle sich die weitere Frage, ob die Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiches im Sinne der vorgenannten Norm die Feststellung einer Absicht des Nutzers erfordert, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiches zu nutzen oder ob die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen genügt, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt.
Damit sind zentrale Fragen der Auslegung der Pastiches-Schranke angesprochen. Es bleibt spannend zu sehen, wie der EuGH sie beantworten wird.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.