30. Juli 2021
Filesharing Dateisegment Upload
Urheberrecht

EuGH zu Filesharing: Upload von Dateisegmenten rechtswidrig

Der Upload von Dateisegmenten in Peer-to-Peer-Netzwerken (sog. Filesharing) kann ein urheberrechtswidriges Verhalten darstellen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigte sich mit Urheberrechtsverstößen durch Filesharing und der diesbezüglichen Rechtsverfolgung durch die Rechteinhaberin. In diesem Zusammenhang nahm er zudem zu den dabei auftretenden Fragen des Datenschutzes Stellung (EuGH, Urteil v. 17. Juni 2021 – C-597/19). Das Unternehmensgericht Antwerpen (Belgien) hatte dem EuGH drei Rechtsfragen aus einem Urheberrechtsstreit zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Klägerin in diesem Verfahren war die Mircom International Content Management & Consulting (M.I.C.M.) Limited. Sie ist Inhaberin bestimmter Urheberrechte an einer großen Zahl pornografischer Filme und klagte gegen ein belgisches Telekommunikationsunternehmen (Telenet BVBA). Die Klägerin beantragte unter anderem, der Beklagten aufzugeben, die Daten zur Identifizierung ihrer Kunden und Kundinnen vorzulegen, deren Internetanschlüsse dazu genutzt worden sein sollen, in einem Peer-to-Peer-Netz über das BitTorrent-Protokoll Filme aus dem Repertoire von Mircom zu teilen.

Ein Peer-to-Peer-Netzwerk ist ein Netzwerk, bei dem alle beteiligten Geräte gleichberechtigt miteinander verbunden sind. Es kann als Online-Tauschbörse für Video- oder Musikdateien (sog. Filesharing) genutzt werden. 

Bereits der Upload der Dateisegmente kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen, auch wenn dieser automatisch erfolgt

Mit seiner ersten Vorlagefrage wollte das vorlegende Gericht wissen, ob auch der Upload einzelner für sich betrachtet unbrauchbarer Dateisegmente eines urheberrechtlich geschützten Werkes innerhalb eines Peer-to-Peer-Netzwerks eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne der einschlägigen europäischen Richtlinie darstellt, auch wenn der Upload durch die verwendete Software automatisch veranlasst wird. 

Der EuGH äußerte sich hierzu, dass bereits das Hochladen einzelner Segmente von urheberrechtlich geschützten Werken als öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 der RL 2001/29 qualifiziert werden könne, obwohl diese Segmente als solche erst nach dem Herunterladen eines bestimmten Prozentsatzes aller Segmente nutzbar sind. Denn diese Segmente seien nicht Teile eines Werks, sondern Teile der Datei, die das Werk enthält. Diese das Werk enthaltende Datei werde zugänglich gemacht. Daher sei es unerheblich, dass die einzelnen Dateisegmente für sich genommen unbrauchbar sind. Denn die Filesharing betreibende Person stelle die Segmente, die zuvor auf den Computer heruntergeladen wurden, anschließend durch Upload zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Segmente könne die Datei durch andere Nutzer und Nutzerinnen des Netzwerks leicht wieder zusammengesetzt werden. Dadurch trage jede Person dazu bei, dass letztlich alle Nutzerinnen und Nutzer Zugriff auf die vollständige Datei erhalten.

Einer Mindestmenge von heruntergeladenen Dateisegmenten bedürfe es für die Bejahung der Urheberrechtsverletzung nicht. Vielmehr sei

jede Handlung, mit der ein Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens Zugang zu geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen gewährt, eine Zugänglichmachung

im Sinne der Richtlinie. Dabei sei unerheblich, dass dieses Hochladen aufgrund der Konfiguration der Filesharing-Software automatisch erfolge, wenn der Anwendung zugestimmt wurde, nachdem eine ordnungsgemäße Information über die Eigenschaften der Software erfolgt sei. Denn dann handelten die betreffenden Personen in voller Kenntnis ihres Verhaltens und der Folgen, die dieses haben kann.

Der Gerichtshof bejahte auch die „Öffentlichkeit“ der Zugänglichmachung gegenüber einem „neuen Publikum“. Dazu führte das Gericht instruktiv aus, dass ein solches „neues Publikum“ beim Filesharing auch dann vorliege, wenn das geschützte Werk einmal ohne Copyright-Schutz und mit Zustimmung der berechtigten Person veröffentlicht wurde. Denn diese habe an eine Weiterverbreitung via Filesharing nicht gedacht, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubte. 

Für Geltendmachung von Schadensersatz ist eine darüberhinausgehende Nutzung des Urheberrechts nicht erforderlich 

Mit Blick auf die zweite Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts stellte der EuGH klar, dass grundsätzlich auch Personen, denen nur vertraglich Nutzungsrechte an geistigem Eigentum eingeräumt wurden, die Rechtsbehelfe der relevanten RL 2004/48 und damit auch der Auskunftsanspruch nach Art. 8 dieser Richtlinie zustehen. Zum Hintergrund dieser Klagebefugnis führte der EuGH aus, dass Verletzungshandlungen auch die normale Verwertung der Urheberrechte der nutzungsberechtigten Personen behindern können und prinzipiell geeignet sind, deren Einkünfte aus den Rechten zu verringern. Eine Rechteinhaberin könne insbesondere 

nicht wegen unterlassener Nutzung dieser [Urheber-]Rechte vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgeschlossen werden.

Vielmehr genüge es, wenn die vertraglich zur Nutzung berechtigte Person nur Schadenersatzansprüche gegen mutmaßliche Verletzende geltend mache. Dabei sei es ausreichend, wenn die auf Schadensersatz klagende Person ihre Rechte abgetreten bekommen habe. Denn eine Abtretung berühre für sich genommen nicht die Art der verletzten Rechte und die der geschädigten Person zustehenden Rechtsbehelfe. Dazu heißt es in der Entscheidung des EuGH:

Entscheidet sich ein Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums dafür, die Beitreibung von Schadensersatzforderungen im Wege einer Forderungsabtretung oder eines anderen Rechtsgeschäfts an ein spezialisiertes Unternehmen auszulagern, sollte er deshalb nicht ungünstiger behandelt werden als ein anderer Inhaber solcher Rechte, der sich dafür entscheidet, diese Rechte persönlich geltend zu machen.

Dem Auskunftsanspruch stehe ebenfalls nicht entgegen, dass die klagende Person häufig nicht plane, eine Schadensersatzklage zu erheben, sondern eine außergerichtliche Einigung gegen Entschädigungszahlung anstrebe. Denn zum einen sei das Scheitern einer außergerichtlichen Einigung oft Vorbedingung für die Erhebung der eigentlichen Schadensersatzklage. Zum anderen diene das Auskunftsrecht dem in der Grundrechtecharta verbürgten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Grundrecht auf Eigentum, zu dem das geschützte Recht des geistigen Eigentums gehöre. 

Auskunftsantrag darf nicht rechtsmissbräuchlich sein 

Der Antrag der nach Maßgabe der obigen Grundsätze klagebefugten Person müsse jedoch begründet und verhältnismäßig sein, was vom nationalen Gericht zu prüfen sei. Zudem dürfe der Antrag nicht rechtsmissbräuchlich erfolgen. Dabei könne maßgeblich sein, wie die Rechteinhaberin den mutmaßlich rechtsverletzenden Personen gütliche Lösungen vorschlägt, und ob sie tatsächlich Klage erhebe, wenn eine gütliche Einigung scheitert.

Weiterhin könne das nationale Gericht prüfen, ob die Rechteinhaberin vorliegend

unter dem Anschein, gütliche Lösungen wegen angeblicher Rechtsverletzungen vorzuschlagen, in Wirklichkeit versucht, aus der Zugehörigkeit der betroffenen Nutzer zu einem Peer-to-Peer-Netz wie dem hier in Rede stehenden wirtschaftliche Einnahmen zu erzielen, ohne die durch dieses Netz bewirkten Urheberrechtsverletzungen konkret bekämpfen zu wollen.

Sammeln von IP-Adressen aus Filesharing-Netzwerken nicht per se datenschutzwidrig 

Mit seiner dritten Rechtsfrage wollte das vorlegende Gericht schließlich wissen, ob die massenhafte Speicherung der zur Teilnahme am Peer-to-Peer-Netzwerk und zum dortigen Upload verwendeten IP-Adressen durch die klagebefugte oder eine von ihr beauftragte dritte Person nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO zulässig ist. Danach können Daten im überwiegenden berechtigten Interesse der datenverarbeitenden oder einer dritten Person verarbeitet werden. 

Hierzu stellte der EuGH zunächst fest, dass das Speichern von dynamischen IP-Adressen der Filesharing betreibenden Personen durch die Rechteinhaberin oder eine in ihrem Auftrag handelnde dritte Person eine Datenverarbeitung darstellt, sofern die Rechteinhaberin über rechtliche Mittel verfügt, die es ihr erlauben, die betreffenden Personen anhand der Zusatzinformationen, über die das Telekommunikationsunternehmen dieser Personen verfügt, bestimmen zu lassen. Zu diesen rechtlichen Mitteln zählt auch der Auskunftsanspruch aus Art. 8 der RL 2004/48. Dies entspricht, soweit es die Qualifikation dynamischer IP-Adressen als personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts betrifft, der ständigen Rechtsprechung des EuGH. 

Die Speicherung der dynamischen IP-Adressen von Filesharing betreibenden Personen sei als Datenverarbeitung unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: Erstens müsse ein berechtigtes Interessen der für die Verarbeitung verantwortlichen Person oder einer dritten Person an der Datenverarbeitung erkennbar sein. Zweitens müsse die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten verarbeitet werden, nicht überwiegen. Dies entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen der Datenverarbeitungsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO.

Der EuGH betonte, dass die Durchsetzung von Forderungen und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Filesharings ein solches berechtigtes Interesse darstellen können. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten sei in diesem Zusammenhang auch erforderlich, weil die Identifizierung der Filesharing betreibenden Person oft nur auf der Grundlage der IP-Adresse und der vom Telekommunikationsunternehmen übermittelten Informationen möglich sei. Schließlich sei mit Blick auf die erforderliche Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen festzustellen, dass diese grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängig sind. Diese Umstände seien von den nationalen Gerichten zu überprüfen und zu berücksichtigen. 

Die Verarbeitung von IP-Adressen stellt keinen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar

Mit Blick auf die Schwere des Persönlichkeitseingriffs aufgrund der Datenspeicherung stellte der EuGH klar, dass bei der Weitergabe der Namen und Adressen der Filesharing betreibenden Personen an die Rechteinhaberin kein schwerwiegender Eingriff stattfinde. Zwar handele es sich bei den dynamischen IP-Adressen grundsätzlich um sogenannte Verkehrsdaten. Die Auskunft zu den IP-Adressen gebe jedoch nur Aufschluss über Identität und Anschrift der den Anschluss innehabenden Person und insbesondere keinen Hinweis auf Datum, Uhrzeit, Ort sowie Häufigkeit oder Inhalt der Kommunikation und zu den beteiligten Personen. Der Auskunftsanspruch diene zudem einem angemessenen Ausgleich zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem Schutz der personenbezogenen Daten. 

Danach erscheint es, abhängig vom Einzelfall, möglich, auf Grundlage der berechtigten Interessen an der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen IP-Adressen zur Vorbereitung eines Auskunftsverlangens zu erfassen. Der EuGH betonte jedoch, dass die DSGVO keine Pflicht der Telekommunikationsunternehmen, diese personenbezogenen Daten seiner Kunden und Kundinnen an private Dritte weiterzugeben, um die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen vor den Zivilgerichten zu ermöglichen, normiere. Eine mit der auf der Grundlage der Richtlinie eingeräumten Befugnis korrespondierende Verpflichtung könne daher nur aus nationalem Recht resultieren. 

Gewährleistung der Rechtsdurchsetzung vs. Rückenwind für Urheberrechtstrolle

Der EuGH hatte bereits in einer früheren Entscheidung judiziert, dass das Betreiben einer Filesharing-Plattform urheberrechtswidrig sein könne (EuGH, Urteil v. 14. Juni 2017 – C-610/15). Nunmehr stellte er ergänzend klar, dass auch die Beteiligung an einem solchen Netzwerk und das Hochladen von Dateisegmenten eine urheberrechtswidrige Zugänglichmachung darstellen kann. Zudem bietet die Rechtsprechung wertvolle Anhaltspunkte zur Auslegung des deutschen urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs in § 101 UrhG, der auf der europäischen Richtlinie beruht.

Die Feststellung des EuGH zum weiten Verständnis urheberrechtswidriger öffentlicher Zugänglichmachung und die gewährte Möglichkeit, die Rechtsdurchsetzung durch Forderungsabtretung auf spezialisierte Unternehmen zu übertragen, erleichtert zwar die Durchsetzung von Urheberrechten und dient deren Schutz. Dabei sollten die vom EuGH erwähnten Grenzen missbräuchlicher und unverhältnismäßiger Anspruchsstellung jedoch strikte Beachtung finden, um sog. Urheberrechtstrollen, die urheberrechtliche Nutzungsrechte in gewerblichem Umfang erwerben, um aus zügigen und kompromisslos geführten Rechtsverletzungsverfahren Einnahmen zu generieren, nicht Tür und Tor zu öffnen. 

Tags: Dateisegment Filesharing Schadensersatz Upload
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Annina Barbara Männig