21. Juli 2020
YouTube Auskunft Kontaktdaten
Urheberrecht

Urheberrecht: YouTube und die Kontaktdaten seiner Nutzer

EuGH: YouTube muss bei Urheberrechtsverletzungen nur die Anschrift der Nutzer herausgeben, nicht jedoch E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine grundlegende Frage zum Umfang des Auskunftsanspruchs geklärt: Bei Urheberrechtsverletzungen auf einer Plattform wie YouTube können Rechteinhaber nur Auskunft zur Postanschrift der Nutzer verlangen, nicht jedoch zur E-Mail-Adresse, Telefonnummer oder IP-Adresse (Urteil vom 9. Juli 2020 – C‑264/19). Im zugrunde liegenden Fall verfolgt die Filmverwertungsgesellschaft Constantin Film illegale Uploads von Filmen wie „Parker″ und „Scary Movie 5″ auf YouTube. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dem EuGH die Fragen zum Umfang des Auskunftsanspruchs im Jahr 2019 vorgelegt.

Vorgaben der europäischen Enforcement-Richtlinie zum Auskunftsanspruch

Die für den Umfang des Auskunftsanspruchs maßgebliche Vorgabe findet sich in Art. 8 Abs. 2 lit. a) der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG. Nach der Vorschrift kann der Rechteinhaber von anderen an der Rechtsverletzung Beteiligten unter anderem Auskunft über „Namen und Adresse“ des Verletzers verlangen. Es geht also darum, wie weit oder wie modern dieser Begriff der Adresse zu verstehen ist. Auf diese Regelung geht auch die deutsche Umsetzung des Auskunftsanspruchs in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG zurück. Dort ist für das deutsche Recht der Umfang des Auskunftsanspruchs geregelt. Die deutsche Vorschrift spricht auch vom Namen des Verletzers, allerdings statt „Adresse“ von „Anschrift“.

Für die Rechteinhaber ist insbesondere die IP-Adresse der Nutzer von herausragender Bedeutung. Denn mit der IP-Adresse können Rechteinhaber über den Umweg des Internetproviders die Identität und die Anschrift des Anschlussinhabers ermitteln.

Nur die Postanschrift fällt unter den Begriff der Adresse

Der EuGH erteilt einer weiten Auslegung des Begriffs der Adresse eine klare Absage. Nur die Postanschrift sei von der Adresse erfasst. E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen fallen nicht unter den Begriff. Der EuGH stellt zunächst auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch das Wort Adresse ab. Danach sei nur die Postanschrift erfasst, also der Wohnsitz einer Person. Außerdem sei der Entstehungsgeschichte der Enforcement-Richtlinie kein Anhaltspunkt zu entnehmen, wonach der europäische Gesetzgeber den Begriff „Adresse“ über die Postanschrift hinausgehend verstanden wissen wollte. Andere europäische Richtlinien würden außerdem auch nicht nur von „Adresse“ sprechen, wenn die Telefonnummer, die IP-Adresse oder die E-Mail-Adresse gemeint sei.

Schließlich stehe diese Auslegung auch in Einklang mit dem Ziel der Enforcement-Richtlinie. Zwar soll der Auskunftsanspruch die Durchsetzung der Urheberrechte ermöglichen. Allerdings mache die Enforcement-Richtlinie den Mitgliedstaaten nur Mindestvorgaben. Sie können bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen. Dabei sind die sich gegenüberstehenden Rechte (Urheberrecht vs. Datenschutzrecht) in ein angemessenes Verhältnis zu bringen.

Effektivität der Durchsetzung von Urheberrechten im Internet eingeschränkt

Die Konsequenz des Urteils überrascht insbesondere, wenn man sich die Durchsetzungsmöglichkeiten der Rechteinhaber nur mit einer Postanschrift der Nutzer vor Augen führt: Für die Anmeldung auf YouTube müssen die Nutzer ein Google-Konto benutzen (Google ist die Muttergesellschaft von YouTube). Bei Google müssen Nutzer nur einen Namen, eine E-Mail-Adresse und ein Geburtsdatum hinterlegen – die Postanschrift fragt Google gar nicht erst ab. Wenn Rechteinhaber aber keinen Anspruch auf eine Auskunft zur E-Mail-Adresse oder zur noch wichtigeren IP-Adresse haben, so läuft der Auskunftsanspruch letztlich ins Leere.

Es ist für eine effektive Rechtsdurchsetzung gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet erforderlich, dass der Auskunftsanspruch den Weg zur Identifizierung des Rechtsverletzers ebnet oder jedenfalls ebnen kann. Die Ausführungen des EuGH kann man in diesem Zusammenhang als Auftrag an die Mitgliedstaaten verstehen, den Umfang des Auskunftsanspruchs neu auszuloten. Es ist nun also Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, das Urteil des EuGH zu berücksichtigen und den Auskunftsanspruch in § 101 UrhG nachzubessern. Ein mögliches Ergebnis wäre etwa die Aufnahme der IP-Adresse in den Umfang des Auskunftsanspruchs – bei gleichzeitigem Schutz der personenbezogenen Daten der Nutzer durch den Richtervorbehalt des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs.

Tags: Anschrift Auskunft E-Mail-Adresse IP-Adresse Rechtsverletzung Telefonnummer Youtube