Mit einer ziemlich bemerkenswerten Begründung hat das OLG Celle (Urteil v. 08.03.2012, 13 U 174/11) einem (stationären) Einzelhändler die Klagebefugnis abgesprochen, Unterlassungsansprüche gegen einen Internethändler geltend zu machen. Denn es sei nur „theoretisch″ denkbar, dass sich beide Parteien im Wettbewerb in die Quere kämen.
Geklagt hatte ein Goldhändler gegen seinen Online-Kollegen. Das Gericht wies die Klage ab:
„Der maßgeblich relevante räumliche Markt ist der der Geschäftstätigkeit des Beklagten. Dieser betreibt sein Ladengeschäft in W. (Niedersachsen). Zwar ist der Internetauftritt der Klägerin, mit dem sie damit wirbt, dass sie Gold auch auf dem Postweg ankauft, als solcher selbstverständlich auch in W. zu empfangen. Rein theoretisch käme daher in Betracht, dass Kunden aus W. und Umgebung, die beabsichtigen, Gold zu verkaufen, zunächst auf den Internetauftritt der Klägerin aufmerksam werden und sich dann auch tatsächlich dazu entschließen, von diesem Verkaufsweg Gebrauch zu machen. Indes hat die Klägerin weder dargelegt geschweige denn unter Beweis gestellt, dass Derartiges in der Praxis tatsächlich geschieht, was dem Senat im Übrigen auch als lebensfremd erscheinen würde.″
An der Vertretbarkeit dieser Ansicht kann man durchaus Zweifeln, denn nach der Rechtsprechung des BGH kommt es nur darauf an, ob sich das Verhalten des Wettbewerbers auf den potenziellen Kundenkreis des Gewerbetreibenden auswirken kann. Der räumlich relevante Markt kann zwar – je nach den Umständen – örtlich oder regional begrenzt sein. Bei bundesweiter Werbung, wie etwa im Fernsehen, Print oder im Internet wird er aber in der Regel das ganze Bundesgebiet erfassen (z.B. BGH 14.11.1996 I ZR 162/94 „Münzangebot″). Dass dem Kläger hier sogar die Beweislast dafür aufgebrummt soll, dass „Derartiges in der Praxis geschieht″ verlangt das Gesetz aber keinesfalls.
Auch interessant ist, dass das Gericht auch nicht glauben wollte, dass überhaupt jemand Gold über das Internet bzw. auf dem Postweg verkauft:
„Wie dem Senat aus eigenem Wissen bekannt ist, gibt es heutzutage stationäre Goldankaufstellen in jeder Stadt in größerer Anzahl. Dass es angesichts dessen Personen gibt, die ihre Goldvorräte, anstatt sie in ein Geschäft vor Ort zu bringen, auf dem – unsicheren und kostenauslösenden – Postweg an die Klägerin versenden, wo die Ware und der eventuell zu zahlende Erlös überhaupt erst einmal geprüft werden muss, ohne dass der potentielle Verkäufer zu diesem Zeitpunkt noch Zugriff auf sein Gold hat, erscheint dem Senat als überaus lebensfremd, zumal die Klägerin auch gar nicht behauptet, dass ihr Angebot sich von dem anderer Goldankaufsstellen im für den potentiellen Kunden positiven Sinne unterscheidet.″
Tja, dieses Internetz. Übrigens: Mit dem vielfach kritisierten und von manchen Amtsgerichten verteufelten „fliegenden Gerichtsstand″ hat dieses Urteil nichts zu tun.