Der Begriff „Dark Patterns“ rückt immer weiter in den Fokus der Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Dark Patterns sind bestimmte Gestaltungen von Benutzeroberflächen auf Internetseiten. Es handelt sich um inhaltliche oder graphische Muster, die auf subtile Weise so gestaltet sind, dass sie Nutzer* dazu verleiten, bestimmte Handlungen auszuführen. Dabei machen sie von typischen Verhaltensweisen der Nutzer Gebrauch, wie insbesondere Unaufmerksamkeit, Bequemlichkeit oder dem Vorhandensein von Vorerwartungen.
Derartige Gestaltungen sind vor allem auf Websites vermehrt vorzufinden, die Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten. Erst zu Beginn des Jahres hat die Europäische Kommission zusammen mit den Verbraucherschutzzentralen verschiedener Mitgliedsstaaten eine Statistik veröffentlicht, wonach 148 der 399 untersuchten Online-Shops Gestaltungen einsetzen, die als manipulativ eingestuft wurden.
Es gibt vielfältige Erscheinungsformen der Dark Patterns
Dark Patterns treten auf vielseitige und wechselhafte Weisen auf. Allgemeingültige Definitionen gibt es nicht. Häufig wird daher mit Kategorien gearbeitet, um den vagen Begriff Dark Patterns besser erfassen zu können.
Eine Erscheinungsform der Dark Patterns sind sog. „Scarity Patterns“. Diese suggerieren eine vermeintliche Knappheit oder Begehrtheit eines aufgerufenen Produkts und setzen den potenziellen Kunden unter Druck. Ein bekanntes Beispiel sind Countdowns, die die vermeintliche zeitliche Befristung eines Angebots angeben. In diese Kategorie fallen auch Angaben über das Verhalten anderer Nutzer (z.B. „Drei andere Nutzer sehen sich dieses Produkt gerade ebenfalls an.“).
Verbreitet ist auch das sog. „Confirmshaming“. Bei dieser Art der Dark Patterns werden Schaltflächen derart betitelt, dass die für das Unternehmen nachteilige Auswahl deutlich negativ dargestellt wird (z.B. „Ich möchte keine Zusatzversicherung abschließen und trage alle Risiken selbst.“).
Zum anderen werden Dark Patterns häufig in Form graphischer Gestaltungen eingesetzt. Bspw. werden die Masken zur Einholung einer Zustimmung zum Teil so gestaltet, dass die Zustimmung farblich besonders hervorgehoben ist, während die Ablehnung grau hinterlegt und insgesamt schlechter sichtbar ist.
Dass Internetseiten derart gestaltet sind, dass die angebotenen Waren oder Dienstleistungen bestmöglich präsentiert und möglichst erfolgreich vertrieben werden, ist gängiges Marketing und rechtlich regelmäßig unproblematisch. Wenn die Gestaltungen allerdings die Grenze zur Belästigung oder Manipulation der Nutzer überschreiten, geraten sie in Konflikt mit rechtlichen Vorgaben. Wann diese Grenze überschritten wird, ist in hohem Maße einzelfallabhängig und die rechtliche Einordnung gestaltet sich häufig sehr komplex.
Aufgrund der wachsenden praktischen Relevanz der Dark Patterns nimmt auch die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber in Berlin und Brüssel zu. Neben dem nationalen Wettbewerbsrecht in Form des UWG befasst sich auch der jüngst erlassene Digital Services Act (DSA) der EU mit der Zulässigkeit von Dark Patterns.
Die EU reagiert und verbietet manipulative Gestaltungen
Am 16. November 2022 trat der DSA der EU in Kraft. Hierbei handelt es sich um eine Verordnung, die somit unmittelbare Geltung in allen Mitgliedsstaaten entfaltet, ohne dass es einer Umsetzung in nationale Gesetze bedürfte.
Trotz des Inkrafttretens im November 2022 gilt die Mehrzahl der Regelungen der Verordnung erst ab dem 17. Februar 2024 (Art. 93 DSA). Betroffenen Unternehmen verbleibt also noch etwas Zeit, um ihren Internetauftritt den strikten Anforderungen des DSA anzupassen.
Ziel des DSA ist es nach Art. 1 Abs. 1 DSA u.a., durch die Festlegung harmonisierter Vorschriften ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld zu schaffen und den Verbraucherschutz zu fördern. Auf der anderen Seite erkennt auch die EU an, dass wirtschaftliches Agieren ohne umfassendes Marketing nicht erfolgreich sein kann. Rechtmäßige Werbepraktiken, die mit dem Unionsrecht im Einklang stehen, sind daher von Dark Patterns abzugrenzen.
Ein Mittel, um den Zweck eines vertrauenswürdigen Online-Umfelds zu sichern, ist das Verbot von Dark Patterns in Art. 25 Abs. 1 DSA. Dieses Verbot gilt allerdings nur für Betreiber von Online-Plattformen nach Art. 3i DSA. Erfasst sind insbesondere Social-Media-Plattformen und Online-Marktplätze. Herkömmliche Online-Shops, die Waren im eigenen Namen verkaufen, sind von dem in Art. 25 Abs. 1 DSA enthaltenen Verbot daher nicht betroffen.
Welche Praktiken konkret vom DSA erfasst werden sollen, ist bisher nicht gerichtlich geklärt.
In Art. 25 Abs. 1 DSA heißt es:
Anbieter von Online-Plattformen dürfen ihre Online-Schnittstellen nicht so konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden.
Dieser Tatbestand ist gespickt von offenen Rechtsbegriffen, die der Auslegung bedürfen. Daher ist es begrüßenswert, dass Art. 25 Abs. 3 DSA der Kommission die Möglichkeit eröffnet, durch Leitlinien zu konkretisieren, welche Handlungen künftig als verbotene Manipulation einzustufen sind.
Bei Verstößen gegen Art. 25 Abs. 1 DSA drohen den Diensteanbietern ab Februar 2024 gem. Art. 52 Abs. 3 DSA Geldbußen i.H.v. 6 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Bereits jetzt sind viele Formen von Dark Patterns als wettbewerbswidrig einzustufen
Doch auch für klassische Online-Shops, die von Art. 25 DSA nicht erfasst werden, und vor Inkrafttreten des DSA am 17. Februar 2024 sind Dark Patterns rechtlich relevant und überschreiten teilweise bereits jetzt die Grenze des Erlaubten. Von Bedeutung sind hier insbesondere die Regelungen des Wettbewerbsrechts.
Das nationale Wettbewerbsrecht ist der wesentliche Gradmesser für die rechtliche Zulässigkeit von Dark Patterns und bleibt dies auch nach dem 17. Februar 2024. Art. 25 Abs. 2 DSA stellt klar, dass vom DSA nur Fälle erfasst sein sollen, die nicht bereits nach der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG – sog. UGP-Richtlinie) unzulässig sind. Diese Richtlinie wurde in verschiedenen Vorschriften des deutschen UWG umgesetzt.
Zu den durch die UGP-Richtlinie maßgeblich geprägten Vorschriften gehört auch das Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen in § 4a Abs. 1 UWG. Danach sind aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet sind, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte, unlauter. Gem. § 4a Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung. Es ist gerade der Zweck einiger Erscheinungsformen der Dark Patterns, die Entscheidungsfreiheit der Nutzer zu beeinträchtigen. Diese fallen daher in den Anwendungsbereich des § 4a Abs. 1 UWG. In den Bereich der Beeinträchtigung durch Belästigung fallen bspw. Pop-up-Fenster, die sich nicht oder nur sehr schwer wegklicken lassen.
Der Anwendungsbereich des § 4a Abs. 1 UWG erfasst allerdings nur besonders drastische Formen. Dark Patterns, die bestimmte Schaltflächen optisch hervorheben, mögen die Entscheidungsfreiheit des Nutzers zwar zumindest subtil beeinträchtigen. Die Schwelle zur unzulässigen Beeinflussung i.S.d. § 4a Abs. 1 UWG überschreiten derartige Gestaltungen dennoch regelmäßig nicht, weil sie nicht die vom Tatbestand geforderte Erheblichkeit aufweisen. Daher fällt auch die Mehrzahl des sog. „Confirmshaming“ nicht in den Anwendungsbereich des § 4a Abs. 1 UWG. Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit ist ein wichtiges Merkmal, um im Einzelfall rechtmäßige Marketingtätigkeiten von rechtswidrigen Manipulationen abzugrenzen.
Eine andere Ausprägung von Dark Patterns, die als „Roach Motel“ („Schabenfalle“) bezeichnet wird, ist hingegen unzweifelhaft als aggressive geschäftliche Handlung gem. § 4a Abs. 2 Nr. 4 UWG verboten. Diese ist dadurch geprägt, dass der Abschluss eines Vertrages denkbar einfach gestaltet wird, während die Möglichkeit zur Kündigung in den Tiefen der Website versteckt wird. Gegenüber Verbrauchern würde ein derartiges „Verstecken“ der Kündigungsmöglichkeit zudem einen Verstoß gegen die Pflicht zur Bereitstellung eines Kündigungsbuttons nach § 312k Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BGB darstellen.
Letztlich können gewisse Ausprägungen von Dark Patterns auch in den Anwendungsbereich der sog. „schwarzen Liste“, dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG fallen. Vorgehensweisen, die in dieser Liste genannt sind, erachtet der Gesetzgeber als besonders verwerflich und/oder gefährlich, weshalb diese stets unzulässig sind.
Nr. 7 dieser schwarzen Liste erfasst „unwahre Angaben über zeitliche Begrenzung eines Angebots“. Die Vorschrift soll potenzielle Kunden vor unbegründetem Entscheidungsdruck, der durch derartige Angaben aufgebaut wird, schützen. Der Tatbestand stellt jedoch explizit auf den Wahrheitsgehalt der zeitlichen Begrenzung ab und lässt sich daher leicht umgehen. Nicht verboten ist nach Nr. 7 der schwarzen Liste die Anzeige eines Countdowns, der zwar implizit Zeitdruck aufbaut, aber nicht explizit behauptet, das Angebot sei nach Ablauf des Countdowns nicht mehr verfügbar (z.B. „Der Artikel ist noch fünf Minuten für Sie reserviert.“″). Auch andere wahre Aussagen, die einen von der zeitlichen Verfügbarkeit unabhängigen Entscheidungsdruck generieren, fallen nicht in den Anwendungsbereich. Die Aussage „Drei andere Nutzer sehen sich dieses Produkt gerade ebenfalls an“ ist lauterkeitsrechtlich ebenfalls unbedenklich, sofern sie wahr ist.
Dark Patterns rücken weiter in den Fokus der EU – maßgeblich bleibt allerdings das nationale Lauterkeitsrecht
Der Umstand, dass die Dark Patterns nun auch in den DSA aufgenommen worden sind, verdeutlicht, dass die EU der Manipulation von Verbrauchern im Internet weiter besondere Aufmerksamkeit widmet. Immerhin stellt der DSA das Werkzeug der EU dar, von dem sich die Kommission weitgehende Erfolge für ein sicheres Online-Umfeld erhofft.
Zwar wird der direkte Anwendungsbereich des DSA aufgrund des ausdrücklichen Vorrangs der UGP-Richtlinie klein bleiben. Entscheidend bleiben die aus der UGP-Richtlinie resultierenden lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedsstaaten.
Jedenfalls muss Art. 25 DSA jedoch zukünftig bei der Auslegung nationaler Vorschriften hinreichend berücksichtigt werden. Die in Art. 25 Abs. 3 DSA genannten Beispiele sind daher auch unter die offenen Rechtsbegriffe der Unlauterkeitstatbestände des UWG zu subsumieren. Art. 25 DSA veranschaulicht die Erkenntnis der EU, dass bestimmte Gestaltungen das Potenzial haben, die Fähigkeit der Nutzer einer freien und informierten Entscheidung zu beeinträchtigen. Ein derartiges Vorgehen soll nach dem Willen des EU-Gesetzgebers künftig mit Mitteln des DSA und des nationalen Wettbewerbsrechts verhindert werden.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.