Wer KI zu Werbezwecken einsetzt, sollte die wettbewerbsrechtlichen Grenzen im Blick halten.
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Marketing und Vertrieb wird als treibender Erfolgsfaktor für Unternehmen angesehen. Mithilfe von KI können Unternehmen ihr Marketing effizienter gestalten und automatisieren. KI-gestützte Datenanalyse macht es möglich, das Verhalten von Kunden* besser zu verstehen und vorherzusehen. Systeme, die KI verwenden, zeigen Kunden vollautomatisch personalisierte Werbung und Preise an. KI gestützte Chat-Bots treten mit potenziellen Kunden direkt in Kontakt.
Die zahlreichen Möglichkeiten, die der Einsatz von KI in der Werbung bietet, Kunden gezielter und subtiler anzusprechen und zu einem Kauf zu bewegen, wirft die Frage auf, was KI-gesteuerte Werbung in rechtlicher Hinsicht darf bzw. nicht darf.
Über die datenschutzrechtlichen und urheberrechtlichen Herausforderungen des Einsatzes von KI wird bereits lebhaft diskutiert. Demgegenüber ist festzustellen, dass die rechtlichen Grenzen für den Einsatz von KI-gestützter Werbung, die sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ergeben, nur selten thematisiert werden.
Dabei ist nicht zu übersehen, dass bestimmte Phänomene, die mit dem Einsatz von KI-gestützter Werbung einhergehen können, wie Manipulation von Verbrauchern, mangelnde Transparenz oder Lock-in-Effekte, in einem Spannungsverhältnis zu den Schutzzwecken des UWG stehen: Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer sollen vor unlauteren geschäftlichen Handlungen geschützt werden.
Das UWG selbst trifft keine KI-spezifischen Aussagen darüber, welche Arten KI-gestützter Werbemaßnahmen möglich sind oder unterbleiben müssen. Ob der Einsatz KI-gestützter Werbung wettbewerbsrechtlich zulässig ist, hängt also vom Einzelfall ab, der unter die generellen Regelungen des UWG gefasst werden muss.
Folgende Aspekte sind dabei zu beachten, wenn KI in rechtlich zulässiger Weise zu Marketingzwecken eingesetzt werden soll:
Derjenige, der KI zu Werbezwecken einsetzt, haftet für die Wettbewerbsverstöße der KI
KI ist bloßes Werkzeug des Werbenden. Sie verfügt über keine eigene Rechtspersönlichkeit. Derjenige, der KI für seine Marketingbemühungen einsetzt, haftet daher für die Wettbewerbsverstöße der KI. Eine Haftung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn Unternehmen ihr Marketing mithilfe von generativer KI automatisieren und z.B. ihre Webpräsenz gänzlich durch eine KI generieren lassen.
Im Fall eines UWG-Verstoßes besteht die Gefahr, von Wettbewerbern oder Verbraucherverbänden auf Unterlassung, Schadensersatz oder Gewinnabschöpfung in Anspruch genommen zu werden. Auch Bußgelder drohen.
Falsche oder ungenaue werbliche Angaben eines Chat-Bots können einen UWG-Verstoß begründen
Die Antworten von KI-Sprachmodellen können falsch oder jedenfalls ungenau und daher irreführend sein. Irreführende geschäftliche Handlungen sind nach §§ 5 ff. UWG verboten. Wer also z.B. einen KI-Chat-Bot zur automatischen Kundenansprache nutzt, haftet für die irreführenden Angaben des Chat-Bots. Es ist daher ratsam, Maßnahmen zu treffen, die das Risiko irreführender Angaben minimieren.
Werbliche Kommunikation eines Chat-Bots muss als Werbung kenntlich sein
Nach § 5a Abs. 4 UWG ist Werbung als solche kenntlich zu machen. Werden Chat-Bots zu Werbezwecken eingesetzt, muss für Kunden deutlich werden, dass die Kommunikation kommerziellen Zwecken dient. Einer Kenntlichmachung als Werbung bedarf es nur dann nicht, wenn sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergibt. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Chat-Bot in einem Internetshop zum Einsatz kommt.
Eine Kennzeichnung von KI ist in der Regel nicht erforderlich
Irreführend ist es gem. § 5a UWG außerdem, wenn wesentliche Informationen vorenthalten werden, die Kunden benötigen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.
Oft dürfte es sich, bei dem Umstand, dass eine KI und keine reale Person hinter der kommerziellen Kommunikation steckt, um keine wesentliche Information, über die aufzuklären wäre, handeln. So dürfte für Adressaten einer Werbung unerheblich sein, dass die personalisierte Werbung, die ihnen angezeigt wird, mittels KI erstellt wurde. Etwas anderes kann aber gelten, wenn Chat-Bots zu geschäftlichen Zwecken eingesetzt werden und Kunden es gerade darauf ankommt, mit einer realen Person zu kommunizieren. Zu denken sind hier z.B. an Interaktionen auf einer Dating-Plattform.
Handelt es sich bei dem Vertragsgegenstand selbst um eine KI-generierte Leistung oder um eine Leistung, die mithilfe von KI erbracht wird, ist Vorsicht geboten. Häufig kann es für Kunden von erheblicher Bedeutung sein, ob der Vertragsgegenstand ausschließlich eine menschliche Leistung darstellt oder eine KI zum Einsatz kam. Dann ist über diesen Umstand aufzuklären.
Gesetzliche KI-Kennzeichnungspflichten sind zu beachten
Im Einzelfall können in Zusammenhang mit dem Einsatz von KI und der damit einhergehenden Automatisierung gesetzliche Kennzeichnungspflichten bestehen. Die Verletzung dieser Kennzeichnungspflichten kann nach § 3a UWG einen Wettbewerbsverstoß begründen. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht von KI-gestützten Inhalten gibt es jedoch nicht.
Eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für automatisch erstellte Inhalte besteht nach § 18 Abs. 3 Medienstaatsvertrag (MStV) für Anbieter von Telemedien in sozialen Netzwerken. Auf den Umstand der Automatisierung ist ausdrücklich hinzuweisen, wenn das verwendete Nutzerkonto seinem äußeren Erscheinungsbild nach für die Nutzung durch natürliche Personen bereitgestellt wurde.
Nach § 312d BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 EGBGB besteht bei personalisierten Preisen gegenüber Verbrauchern eine Hinweispflicht, dass der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde.
Zukünftig wird es aller Voraussicht nach eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Chat-Bots und Deepfakes geben. Art. 52 des Entwurfs einer Verordnung zur Festlegung Harmonisierter Vorschriften für KI (KI-VO-E) sieht Transparenzpflichten für Anbieter von Chat-Bots und Nutzer von Deepfakes vor. Das Inkrafttreten der Verordnung wird gegen Ende 2023 erwartet. Die KI-VO wird wahrscheinlich mit einer Übergangsfrist von 24 Monaten wirksam werden und in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.
KI-gestützte Werbung muss transparent und diskriminierungsfrei sein
Verstöße gegen Vorgaben der Preisangabenverordnung (PAngV) oder § 19 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der Diskriminierungen aufgrund bestimmter Merkmale wie Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft verbietet, sind gem. § 3a UWG Wettbewerbsverstöße. Wer also mithilfe von KI personalisierte oder dynamische Preise verwendet, hat darauf zu achten, dass die Regeln hinsichtlich Preiswahrheit und Preisklarheit eingehalten werden und, dass die Preisdifferenzierung nicht diskriminierend ist.
Auch der Einsatz generativer KI birgt das Risiko von Diskriminierungen. Diskriminierende Werbung kann gem. § 3 Abs. 1 UWG wettbewerbswidrig sein. Unternehmen, die ihre Werbung mithilfe von KI gestalten, sind daher gut beraten, ihre Werbung auf Diskriminierungen hin zu überprüfen und so z.B. sexistische Werbung auszuschließen.
Werbliches Ansprechen von Personen durch Chat-Bots ohne deren ausdrückliches Einverständnis ist im Zweifel wettbewerbswidrig
Werbung mit elektronischer Post ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Empfänger in die werbliche Kontaktaufnahme zuvor ausdrücklich eingewilligt hat. Unter den Begriff der elektronischen Post fällt nicht nur die mittels KI erstellte personalisierte E-Mail-Werbung. Auch die Nachricht eines Chat-Bots stellt eine elektronische Post dar. Wer Chat-Bots zur werblichen Kommunikation einsetzt, benötigt daher das ausdrückliche Einverständnis des Empfängers in die werbliche Kontaktaufnahme. Eine Ausnahme besteht gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG nur dann, wenn Kontaktaufnahme im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung erfolgt und für ähnliche Waren und Dienstleistungen geworben wird.
Aggressive Chat-Bots sind wettbewerbswidrig
Aggressive Geschäftspraktiken, die die Entscheidungsfreiheit von Kunden beeinträchtigen sind verboten.
Stets unzulässig ist es nach Nr. 26 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, Verbraucher hartnäckig und unerwünscht mittels für den Fernabsatz geeigneter Kommunikationsmittel anzusprechen. Verboten sind damit nicht nur Spam-Mails, sondern auch aggressive Chat-Bots.
KI darf nicht eingesetzt werden, um Kunden unter Druck zu setzen
Wettbewerbswidrig ist es gem. § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG außerdem, auf Kunden so Einfluss zu nehmen, dass ihre Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt wird. Eine solche unzulässige Beeinflussung kann vorliegen, wenn zum Beispiel sog. dark patterns eingesetzt werden, also das User-Interface z.B. einer Webseite oder App so gestaltet wird, dass Nutzer eine Aktion ausführen, die sie eigentlich nicht veranlassen wollten.
Der Einsatz von KI zu Werbezwecken allein, z.B. um personalisierte Werbung zu erstellen und einzusetzen, dürfte in der Regel jedoch keine unzulässige Beeinflussung darstellen. Zwar macht es KI möglich, durch Zusammenführen von Daten aus verschiedenen Quellen Kunden gezielter und subtiler zu einer Kaufentscheidung zu bewegen. Eine unzulässige Beeinflussung von Konsumenten ist damit jedoch nicht zwingend verbunden.
Einsatz von KI muss unternehmerischer Sorgfalt entsprechen
Auch, wenn der Einsatz von KI-gestützter Werbung in den oben genannten Fällen erlaubt ist, bedeutet dies nicht, dass der Einsatz von KI ohne Weiteres wettbewerbsrechtlich zulässig ist. § 3 Abs. 2 UWG verbietet generalklauselartig geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern, die nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten wesentlich zu beeinflussen. Ob der Einsatz von KI noch der unternehmerischen Sorgfalt entspricht, bedarf einer genauen Überprüfung des Einzelfalls.
Der Einsatz von KI zu Werbezwecken, ist mit dem Risiko verbunden, wettbewerbsrechtlich zu haften. Wer KI zu Werbezwecken einsetzt, sollte daher sorgfältig prüfen, ob der beabsichtigte Einsatz von KI wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Auch sollte kontrolliert werden, ob das Ergebnis des KI-Einsatzes gesetzlichen Vorgaben entspricht.
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*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit Willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.