Dieser Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle urheberrechtliche Fragen, welche sich im Zusammenhang mit generativer KI stellen.
Die rasante technische Entwicklung rund um generative KI hat dazu geführt, dass sich mittlerweile mit recht wenig Aufwand und in kürzester Zeit kreative Inhalte unterschiedlichster Art erstellen lassen. Während man mithilfe von generativer KI alle möglichen Arten von Texten erzeugen kann, ist darüber hinaus auch die Erstellung von Bildern, Programmcode oder Videos problemlos möglich.
So umfangreich die Möglichkeiten sind, welche generative KI mit sich bringt, so ungelöst und weitreichend sind auch die Probleme und Herausforderungen, welche sich aus urheberrechtlicher Sicht mit Blick auf Erzeugnisse stellen, die von bzw. mithilfe von generativer KI erzeugt wurden. Sowohl Rechteinhaber* als auch Nutzer von urheberrechtlich geschützten Inhalten sollten sich dieser Probleme und Herausforderungen bewusst sein, um mögliche Haftungsrisiken zu erkennen, welche sich mit Blick auf die Nutzung generativer KI bzw. der von ihr erzeugten Inhalte stellen.
Mittels KI geschaffenes Kunstwerk – Gericht in den USA verneint Urheberschaft
Bisher ungelöst, jedoch ganz grundlegend ist die Frage, wer Inhaber von Urheberrechten an den Inhalten sein kann, die mithilfe von generativer KI erzeugt werden.
Ein US-amerikanisches Gericht hat zu dieser Frage erst kürzlich Stellung bezogen. Am 18. August 2023 hat der US District Court for the District of Columbia eine Entscheidung in dem Fall Thaler v. Perlmutter erlassen. Gegenstand des Falles ist ein zweidimensionales Kunstwerk, welches von einer generativen KI mit der Bezeichnung „Creativity Machine“ erschaffen wurde, die der US-Amerikaner Stephen Thaler entwickelte. Thaler meldete das Kunstwerk sodann beim US Copyright Office zur Eintragung in das US-amerikanische Copyright-Register an.
Das US Copyright Office lehnte die Eintragung mit der Begründung ab, dass das Kunstwerk nicht von einem Menschen geschaffen worden sei. Diese Entscheidung hielt der US District Court for the District of Columbia aufrecht und betonte dabei, dass im Falle des Fehlens jeglichen menschlichen Einflusses auf die Erzeugung einer Schöpfung durch eine künstliche Intelligenz eine Urheberschaft zu verneinen sei. Die Urheberschaft Thalers an dem Kunstwerk entstehe auch nicht bereits dadurch, dass Thaler die „Creativity Machine“ selbst entwickelt hat.
Das Gericht hat jedoch die Urheberschaft von Menschen an KI-generierten Erzeugnissen nicht kategorisch ausgeschlossen. Es stellte klar, dass die Urheberschaft davon abhänge, wie sehr die Schaffung des KI-generierten Erzeugnisses letztlich von einem Menschen vorgegeben bzw. beeinflusst werde.
Mögliche Voraussetzungen für eine Bejahung der Urheberschaft an KI-generierten Erzeugnissen
Bei der Frage, wann eine Urheberschaft eines Menschen an einem KI-generierten Erzeugnis angenommen werden kann, betritt man rechtliches Neuland. Doch so wie das US-amerikanische Gericht im Fall Thaler v. Perlmutter eine Urheberschaft an KI-generierten Erzeugnissen nicht per se ausgeschlossen hat, so kommt es auch im deutschen Urheberrecht auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere darauf, wie das von der KI erschaffene Erzeugnis konkret entstanden ist und in welchem Ausmaß ein Mensch auf die Entstehung des Erzeugnisses Einfluss genommen hat.
Generative KI unterscheidet sich von herkömmlichen Werkzeugen zur Erschaffung urheberrechtlich geschützter Inhalte darin, dass die Inhalte von der KI ganz weitgehend „selbständig“ und auf Knopfdruck erstellt werden. Dies ist nicht nur aus US-amerikanischer, sondern auch aus deutscher urheberrechtlicher Sicht insofern problematisch, als ein Werk nach § 2 Abs. 2 UrhG nur dann geschützt ist, wenn es eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Zufallserzeugnisse oder Erzeugnisse, die in der Natur vorgefunden werden, genießen grundsätzlich keinen urheberrechtlichen Schutz. Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz ist stets, dass in der Werkerschaffung ein hinreichend steuernder Einfluss eines Menschen stattgefunden hat.
Entscheidend dürfte dabei sein, wie sehr das kreative Erzeugnis bereits im Prompt vorgegeben ist und in welchem Ausmaß dadurch der „Gestaltungsspielraum“ der generativen KI eingeschränkt wird. Je mehr das Ergebnis vom Prompt vorgegeben ist und je weniger Gestaltungsspielraum die KI bei der Erzeugung des Inhalts hatte, desto eher wird man eine Rechtsinhaberschaft des Prompt-Erstellers am Erzeugnis annehmen können. Dies bedarf aber stets einer Prüfung im Einzelfall und nicht immer kann mithilfe eines Prompts das Ergebnis der KI eindeutig vorgegeben werden. Gerade bei Bild-generierender KI zeigt sich, dass bei Eingabe ein und desselben (detaillierten) Prompts oftmals dennoch ganz unterschiedliche Bilder entstehen.
Schutz von KI-generierten Erzeugnissen durch Leistungsschutzrechte?
Neben Werken schützt das Urheberrechtsgesetz auch bestimmte wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistungen (sog. „Leistungsschutzrechte“), die grundsätzlich keine persönliche geistige Schöpfung voraussetzen.
Aus verschiedenen Gründen eignen sich allerdings auch Leistungsschutzrechte nur sehr eingeschränkt dazu, Rechte an den Erzeugnissen generativer KI zu erwerben. So setzt beispielsweise das Leistungsschutzrecht des Lichtbildners nach § 72 UrhG voraus, dass das Lichtbild fotografisch oder fotografieähnlich erzeugt wurde, was bei computergenerierten Bildern nicht der Fall ist.
Das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers nach § 87a UrhG schützt außerdem nicht bereits die bloße Erzeugung von Daten, sodass die bloße Erschaffung von Erzeugnissen nicht bereits dazu führt, dass ein Datenbankherstellerrecht an diesen Erzeugnissen entsteht.
Das neue Presseverlegerleistungsschutzrecht nach § 87f UrhG schützt außerdem nur Presseveröffentlichungen, die hauptsächlich aus Schriftwerken journalistischer Art bestehen. Mittels KI erzeugte journalistische Texte stellen jedoch ohne weiteres keine Werke gemäß § 2 Abs. 2 UrhG dar.
Urheberrechtliches Risiko: Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten für das Training generativer KI
Für die Entwickler generativer KI stellt sich die Frage, ob sie urheberrechtlich geschützte Inhalte zum Training der generativen KI nutzen dürfen. Klar ist, dass generative KI den Einsatz großer Datensätze voraussetzt, die sehr häufig auch Material beinhalten, welches Urheberrechtsschutz genießt. Entwickler nutzen oftmals das Internet selbst mit seiner enormen Fülle an urheberrechtlich geschützten Inhalten, um Trainingsdatensätze zusammen zu stellen. Dies hat in den USA jedoch mittlerweile zu Einleitung mehrerer Gerichtsprozesse gegen verschiedene Entwickler generativer KI geführt.
Nach deutschem Urheberrecht stellt sich die Frage, ob die Zusammenstellung und Nutzung von Trainingsdatensätze zum Zwecke des Trainings generativer KI nach den Text und Data Mining-Schranken der §§ 44b und 60d UrhG gerechtfertigt ist. Die Schranken erlauben die Vervielfältigung von Schutzgegenständen zum Zwecke des Text und Data Mining, mithin also die Zusammenstellung von Korpora unterschiedlicher Schutzgegenstände zur automatisierten Analyse, um daraus Informationen über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.
Allerdings ist die Anwendung dieser beiden Schranken im Trainingsdaten-Kontext mit einer Reihe von Problemen verbunden. Während sich auf § 44b UrhG jedermann berufen kann, findet § 60d UrhG grundsätzlich nur im nicht-kommerziellen, wissenschaftlichen Kontext Anwendung. Hinzukommt, dass beide Schranken einen rechtmäßigen Zugang zu den geschützten Inhalten voraussetzen. Zu beachten ist außerdem, dass im Rahmen von § 44b UrhG Werke nicht vervielfältigt werden dürfen, wenn der Rechteinhaber einen Rechtevorbehalt gemäß § 44b Abs. 3 UrhG erklärt hat, was faktisch eine vorherige Rechteklärung mit Blick auf alle zum Training genutzten rechtlich geschützten Inhalte erforderlich macht. Schließlich sehen beide Schranken auch umfassende Löschpflichten vor, was einem umfassenden Einsatz geschützter Werke im Rahmen von Trainingsdaten entgegenstehen kann.
Vor diesem Hintergrund besteht aktuell die einzig rechtssichere Methode der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten als Trainingsdatensätze in der Einholung entsprechender Lizenzen und Erlaubnisse von den Rechteinhabern.
Gefahr von Rechtsverletzungen durch den Einsatz von KI-generierten Inhalten
Auch die Nutzung von Inhalten, welche die generative KI erzeugt hat, kann mit Verletzungen von Rechten Dritter einhergehen.
Da das Urheberrecht keine Stile schützt, steht es grundsätzlich jedermann frei, Werke im Stil eines bestimmten Künstlers zu schaffen. So kann auch generative KI dazu genutzt werden, Werke zu kreieren, welche den Anschein erwecken, dass sie von einem bestimmten bekannten Künstler stammen. Hierbei ist stets darauf zu achten, dass deutlich wird, dass das Werk nicht wirklich von dem jeweiligen Künstler stammt. Wird demgegenüber der Eindruck erzeugt und aufrechterhalten, dass das Werk von einem bestimmten Künstler stammt, kann dies eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Künstlers darstellen.
Ferner besteht bei der Nutzung von Inhalten generativer KI stets das Risiko, dass die Inhalte selbst Bearbeitungen oder Vervielfältigungen derjenigen Inhalte darstellen, mit denen die generative KI trainiert wurde. So ist es nicht auszuschließen, dass in bestimmtem Fällen, etwa wenn ein Bild selten ist und als Trainingsdatum Verwendung gefunden hat, dieses Bild (unverändert) im Output wiedergegeben wird.
Regelungen im Entwurf der KI-Verordnung zum Urheberrecht
In der aktuellen Fassung des Entwurfs einer KI-Verordnung finden sich nur an wenigen Stellen Regelungen zu urheberrechtlichen Fragen.
Der Entwurf bestimmt in Art. 28b Ziff. 4 c), dass Betreiber generativer KI verpflichtet sind, Trainingsdaten, welche urheberrechtlich geschützt sind und die beim Training der KI Verwendung gefunden haben, zu dokumentieren und offenzulegen.
Der Verordnungsentwurf stellt darüber hinaus klar, dass er die bisher erlassenen Richtlinien des Unionsgesetzgebers zum Urheberrecht unberührt lässt. Die Fragen nach der Schutzfähigkeit von KI-Erzeugnissen sowie nach der Zulässigkeit der Nutzung von urheberechtlich geschützten Inhalten als KI-Trainingsdaten werden damit auch nach Inkrafttreten der KI-Verordnung in ihrer jetzigen Fassung nach dem etablierten und in der EU harmonisierten Urheberrecht beantwortet (in unserem Blog erhalten Sie weitere Informationen zur Regulierung generativer KI durch die KI-Verordnung).
Das Aufkommen generativer KI-Systeme stellt Rechteinhaber und Nutzer von Werken vor eine Reihe verschiedener urheberrechtlicher Herausforderungen
Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte in Deutschland die Fragen der Urheberschaft an KI-Erzeugnissen und der Rechtmäßigkeit der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten als Trainingsdaten entscheiden werden. Nicht auszuschließen ist derzeit auch, dass weitere das Urheberrecht betreffende Regelungen in der KI-Verordnung aufgenommen werden. Rechteinhaber und Nutzer sollten sich gleichermaßen der Risiken bewusst sein, die mit dem Einsatz von generativen KI-Systemen verbunden sind und stets sorgfältig prüfen, ob an dem jeweiligen KI-Erzeugnis Rechte entstehen oder ob hierdurch Rechte Dritter verletzt werden könnten.
Auch vor der Rechtsberatung macht KI keinen Halt. Dies hat CMS bereits früh erkannt: Wie künstliche Intelligenz die Arbeit in Kanzleien verändert (cmshs-bloggt.de). Auf unserer Innovationen-Homepage und in unserem CMS To Go Podcast „Einfach.Innovativ“ erhalten Sie weitere Informationen.
In unserem CMS-Blog informieren wir Sie in unserer Blog-Serie „Künstliche Intelligenz“ fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesen Themen. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Weitere Informationen finden Sie zudem auf unserer Insight-Seite: Implikationen für Künstliche Intelligenz und Recht | CMS Deutschland.
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*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.