Robo Advisor sind im Bereich der Geldanlage bereits seit mehreren Jahren im Einsatz. Durch die Nutzung von KI könnten sie noch weiter an Bedeutung zunehmen.
Künstliche Intelligenz (KI) und ihre möglichen Einsatzfelder sind spätestens seit der publikumswirksamen Einführung der sprachgesteuerter und generativer KI-Modelle in aller Munde. Gerade im Finanzsektor haben sich moderne Technologien unter dem Schlagwort der FinTechs allerdings schon früher bemerkbar gemacht. Nachdem die Digitalisierung Ende der 1980-er Jahre zunächst die Börsen eroberte, wandelte sich mit dem Einzug der Computer in die Haushalte auch die Art wie Anleger Anlagegeschäfte vornehmen. Benutzerfreundliche Bedienung, ständige Verfügbarkeit und Schnelligkeit wurden zentrale Anforderungen an eine funktionierende Finanzdienstleistung. Mit dem nächsten großen Schritt in der Digitalisierung, der KI, werden weitere Veränderungen auf uns zukommen.
Der Beitrag soll den aktuellen Stand der bereits bestehenden Nutzung von KI und Algorithmen basierten Anlagetools beleuchten und einen Ausblick auf kommende Veränderungen und damit einhergehende rechtliche Herausforderungen werfen.
Robo Advisor werden derzeit vor allem unterstützend eingesetzt
Aktuell werden KI und Algorithmen im Bereich der FinTechs insbesondere bei sog. Robo Advisors eingesetzt. Als Robo Advice werden die automatisierte und digitalisierte Finanzberatung und Portfolioverwaltung bezeichnet. So ungenau die Definition, so weit und divers ist die Umsetzung in der Praxis. Von der rein objektiven Auswertung der verfügbaren Daten bis zur „anlegerpassgenauen“ Zusammenstellung von Portfolios werden Robo Advisor bisher mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Die bislang geläufigste Einsatzart ist die Empfehlung einer Anlagestrategie als Umsetzung von Angaben der Kunden* wie Risikofaktor oder ESG-Kriterien. Endergebnis ist in der Regel die Empfehlung eines oder mehrerer ETFs, nicht aber von individuellen Titeln. So sollen eine angemessene Streuung und ausreichende Renditechancen sichergestellt werden. Dass diese Portfolios häufig gar nicht so individuell zugeschnitten sind, wie es den Anschein macht, tut der positiven Wahrnehmung bei den Anlegern keinen Abbruch.
Im Anschluss an die Ermittlung einer passenden Anlagestrategie übernehmen einige der Robo Advisor auch den Erwerb und die Strukturierung des Portfolios. Hierbei werden sowohl passive Verwaltungsstrategien im Sinne einer „Buy-and-Hold-Strategie“, bei der sich das Portfoliomanagement meist auf eine Neugewichtung der Vermögenswerte beschränkt, als auch aktive Verwaltungsstrategien, in denen beispielsweise auf Grundlage einer Value-at-Risk-Metrik die Anlage auf dem ursprünglich gewählten Risikoniveau gehalten wird, gewählt. Aufgrund der damit verbunden Kosten erfolgenden entsprechende Umschichtungen jedoch häufig eher zurückhaltend.
Somit stellen aktuell verwendete Robo Advisor von Anbietern wie beispielsweise Scalable, Quirion oder Growney aufgrund der fehlenden Individualität der „Beratung“ weniger eine KI-basierte Anlagevermittlung als vielmehr eine digitale Kundenschnittstelle dar, die auf von Menschen bereitgestellte Schemata zurückgreift.
Aufsichtsrechtlich fällt der Einsatz von Robo Advisors, als Werkzeug der Finanzdienstleister, unter die hierfür maßgeblichen allgemeinen Regelungen, wie beispielsweise dem Erfordernis einer BaFin-Erlaubnis, wenn es sich dabei um eine Finanz- oder Wertpapierdienstleistung handelt. Damit einher gehen die am Kapitalmarkt herrschenden Wohlverhaltenspflichten, die je nach konkreter Ausgestaltung der Robo Advisor variieren können.
Der Einsatz von Robo Advisors wird teilweise auch als Schritt zur Demokratisierung des Kapitalmarktes angesehen, da er durch seine einfache Bedienung und niedrigschwellige Zugänglichkeit auch kapitalmarktrechtlichen Laien eine Teilnahme am Kapitalmarkt ermöglicht. Daher mag die äußerst positive subjektive Bewertung der Robo Advisor durch die Nutzer herrühren, die sich jedoch nicht unbedingt in den objektiven Zahlen widerspiegelt. Laut Stiftung Warentest (08/2023) brachten Robo Advisor in einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren durchaus eine Rendite von 3,2 % p. a, jedoch verzeichneten verschiedene Anbieter auch Verluste von bis zu 0.7 % p. a.. Ein absoluter Vorteil gegenüber klassischer Anlageberatung ließ sich hingegen nicht erkennen.
Die Zukunft der Robo Advisor
Erste Anbieter konnten jedoch mittlerweile darlegen, dass KI nutzbringend auch über die reine Kundengewinnung hinaus im Bereich der Kapitalanlage eingesetzt wird. So kann eine mit Daten von hauseigenen Analysten, Ökonomen und sonstigen Spezialisten gefütterte KI in Zukunft Mitarbeiter bei Fragestellungen bezüglich interner Prozesse, zu bestimmten Finanzprodukten oder wirtschaftlichen Entwicklungen und beim schnellen und unkomplizierten Austausch von Spezialwissen, beispielsweise im Kunsthandel, unterstützen. Ziel der Nutzung von KI ist hierbei die Vereinfachung und Beschleunigung der Informationsgewinnung und -weitergabe, um den Mitarbeitern eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu bieten.
Die KI wird dabei oftmals nur rein unterstützend eingesetzt und gerade nicht selbstständig bestimmte Anlageentscheidungen treffen und umsetzen. Vielmehr bleibt es weiterhin Aufgabe der Mitarbeiter, die Ergebnisse der KI auszuwerten und darauf basierend Anlageentscheidungen zu treffen sowie die notwendigen Schritte zur Durchführung vorzunehmen. Durch die Beschränkung auf firmeneigenes Wissen wird insbesondere die Gefahr von sog. Halluzinationen gebannt, d.h. von Falschinformationen, die u. a. durch die Einbeziehung von sozialen Medien und anderen nicht verifizierten Quellen entstehen können.
Auch Chatbots unterstützen bereits in der Finanzberatung. So sind KI-gestützte Suchmaschinen im Einsatz, die durch die Auswertung von Gewinnmitteilungen der S&P500-Unternehmen ganze Branchen analysieren können. Langfristige Planung vieler Anbieter dürfte es jedoch sein, den größten Teil des Kundenkontakts an eine KI abzugeben, indem sich potenzielle Anleger über verschiedene Anlageprodukte informieren und dann unter Zuhilfenahme der Empfehlungen einer KI und unter deren Anleitung die Investitionen vornehmen können.
Als Reaktion auf die KI als neue „Leserschaft“ von Unternehmensmitteilungen passen sich auch die zu bewertenden Unternehmen zunehmend der Verwendung von KI in der Kapitalanlageberatung an. So werden Geschäftsberichte KI-freundlich gestaltet, indem unter anderem auf die Verwendung bestimmter Signalwörter verzichtet wird. Beispielsweise könnte die häufige Verwendung von Begriffen wie „immer“, „vielleicht“ oder „könnte“ zur Attestierung übertriebenen oder zu schwachen Selbstvertrauens und damit einer nachteiligen Bewertung führen.
Unterstützung durch sog. Digitale Zwillinge
Unterstützt wird dies durch den Einsatz von sog. Digital Twins. Digital Twins sind digitale Repräsentationen einer Person, eines Gegenstandes oder auch einer Kapitalanlage, die dazu genutzt werden, Daten in Echtzeit zu integrieren und komplexe Analysen durchzuführen, um optimale Problemlösungen zu finden. Eingesetzt werden diese Digitalen Zwillinge inzwischen in jedem denkbaren Bereich, im Immobilienbereich über Altersvorsorge bis hin zum Klimaschutz. Durch die Simulation hypothetischer Marktszenarien können Stärken und Schwächen einer Anlagestrategie ermittelt werden, ohne dass ein tatsächliches Schadensrisiko besteht. Diese Simulationen basieren auf einer umfassenden Auswertung der verfügbaren Daten. Dass diese Technologie auch im Bereich der Kapitalanlage von einigem Nutzen sein kann, liegt auf der Hand. So kann durch die Auswertung von Daten aus E-Commerce, Social-Media oder Online-Zahlungsabwicklungen eine noch detailliertere und individualisiertere Anlagestrategie entwickelt werden. Wie in anderen Bereichen, die mit großen und teilweise privaten Daten arbeiten, stellt sich auch hier die Frage nach einem ausreichenden Datenschutz. Der vermehrte Einsatz von Digitalen Zwillingen verspricht jedoch in Zukunft eine fortschreitende Optimierung der Einsatzfähigkeit von Robo Advisors.
Kritik und Bedenken an der Nutzung von Robo Advisors
Bei aller Euphorie schlagen den Robo Advisors auch Bedenken entgegen. Sie sind zwar benutzerfreundlich und damit auch einer großen Masse an unerfahrenen Anlegern zugänglich, die sonst aufgrund der Komplexität des Finanzmarktes nur sehr schwer beziehungsweise sehr kostenintensiv an diesem teilnehmen können. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Robo Advisor zwar ein Informationsdefizit der Anleger hinsichtlich der Finanzinstrumente aufwiegen können, gleichzeitig aber ein neues Informationsdefizit einführen. So sind aufgrund der Vielgestaltigkeit und des Umfangs der dem jeweiligen Robo Advisor zugrundliegenden Daten und Algorithmen, diese aus Sicht der meisten Anleger kaum zu durchdringen. Eine genaue Überprüfung des Zustandekommens der Empfehlungen ist somit nicht möglich. Diese Intransparenz führt zu einem erhöhten Schutzbedürfnis der Anleger.
Auch besteht die Gefahr, dass gerade die Kleinanleger den Empfehlungen der Robo Advisor aufgrund ihrer objektiv-mathematischen Richtigkeit Vertrauen schenken und diesen uneingeschränkt folgen. Die daraus resultierende besondere Schutzbedürftigkeit, die zusätzlich zu den allgemeinen Anlegerschutzinteressen tritt, dürfte auch den nationalen und europäischen Gesetzgeber auf den Plan rufen, um eine Schlechterstellung der Anleger durch eine „Flucht in die Technik“ zu verhindern.
Bisher keine speziellen Auswirkungen der KI-Verordnung
Dass diese Bedenken zeitnah aufgefangen werden, ist nach dem bisherigen Entwurf der EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz (KI-Verordnung) nicht zu erwarten. Dieser zieht die Anlageberatung und Vermögensverwaltung – im Gegensatz beispielsweise zur Kreditwürdigkeitsprüfung – nicht in den Anwendungsbereich der erhöhten Transparenz- und Entwicklungsanforderungen ein. Gerade um die Informationsdefizite der Anleger bezüglich der Funktionsweise der Robo Advisor aufzuwiegen, wäre ein Einbeziehung auch im Sinne der Rechtssicherheit der Anbieter wünschenswert. Zumal nicht unmittelbar ersichtlich ist, inwieweit ein Benutzer im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung durch KI-basierte Programme einem gänzlich anderen Risiko ausgesetzt ist als bei einer KI-basierten Anlageberatung. In beiden Fällen ist gerade die Funktionsweise der KI für die Vermögenslage des Benutzers von zentraler Relevanz (siehe auch: KI-Verordnung – Verbotene Praktiken und Hochrisiko-KI-Systeme (cmshs-bloggt.de)).
Haftungsrechtliche Aspekte
Haftungsrechtlich spannend dürfte die Frage werden, wer am Ende rechtlich die Verantwortung dafür trägt, sollte ein Robo Advisor aufgrund eines Fehlers der genutzten KI nicht wie gewünscht funktionieren.
Grundsätzlich gelten im aktuellen Einsatzfeld der Robo Advisor als unterstützendes Hilfsmittel im Rahmen einer Finanzdienstleistungen dieselben Wohlverhaltenspflichten wie auch bei einer klassischen Anlageberatung, um das Wissensdefizit der Anleger um die Funktionsweise des Kapitalmarktes aufzuwiegen. Noch nicht abschließend geklärt ist jedoch, wie bei der Wissenslücke über die Funktionsweise der Robo Advisor und der zugrunde liegenden KI zu verfahren ist. Denkbar wäre, dass die allgemeinen Aufklärungs- und Wohlverhaltenspflichten diesbezüglich weit ausgelegt werden und somit auch eine Aufklärung über die technischen Hintergründe der Robo Advisor umfassen. Dies hätte gegenüber einer gesetzlichen Vorgabe den Vorteil der Flexibilität, da sich die Auslegung stets an den aktuellen Marktgegebenheiten orientieren kann. Die Einführung von hierauf zugeschnittenen gesetzlichen Bestimmungen würde hingegen größere Rechtssicherheit für die Anbieter von Robo Advisors schaffen. Solche Regelungen müssten jedoch möglichst technologieneutral gestaltet werden, um die notwendige Flexibilität bei digitalem Fortschritt zu gewährleisten. Um eine Überfrachtung der Informationspflichten zu vermeiden, wäre dabei hinsichtlich jeder Information kritisch zu hinterfragen, ob diese für den beratenen Anleger für seine Anlageentscheidung relevant ist oder ob es sich um technische Detailfragen handelt.
Neben der Haftung des anbietenden Finanzdienstleisters könnte auch eine Haftung des Entwicklers der eingesetzten Software unter dem Haftungsregime der neuen Produkthaftungsrichtlinie der EU in Betracht kommen. Zu klären wäre unter anderem, wie ein hierfür erforderlicher Vermögensschaden aussehen könnte. Möglicherweise könnte die nachteilige Entwicklung eines durch den KI-basierten Robo Advisor verwalteten Portfolios unter die Beeinträchtigung von Vermögensgegenständen zu fassen sein, aber auch eine Subsumtion unter „Verlust oder Verfälschung von Daten“ scheint nicht ausgeschlossen. Dass Software durch die Neuerung nun ausdrücklich auch „Produkt“ sein kann, stellt Art. 4 Abs. 2 des Entwurfs der Produkthaftungsrichtlinie fest. Als haftungsrelevante Fehler können sowohl Fehler durch falsches Lernen, als auch Sicherheitslücken in Betracht kommen.
Zudem stellt sich die Frage, wie vorgegangen werden soll, wenn Fehlfunktionen der KI auf „mangelhafte“ beziehungsweise nicht gesicherte Datensätze zurückzuführen sind. Im Falle einer externen Gewinnung der Daten im Sinne eines „Datenkaufs“ könnte möglichweise eine zumindest oberflächliche Prüfungspflicht des KI-Anbieters in Betracht gezogen werden, ähnlich der Pflicht aus § 377 HGB.
Haftungsrechtlich bleiben in jedem Fall noch einige Punkte zu klären (siehe daneben zur Richtlinie über KI-Haftung auch: Richtlinie über KI-Haftung: Haftungsregulierung? (cmshs-bloggt.de)).
Die Digitalisierung der Kapitalanlage schreitet voran
Auch wenn Robo Advisor bisher schon gerne und auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden, haben sie bisher vor allem unterstützende Funktion und dienen der Kundengewinnung. Durch die Integration von sprachgesteuerten KI ergänzt durch Digitale Zwillinge haben Robo Advisor jedoch das Potenzial, mehr und mehr die Anlageberatung und -verwaltung gerade für Privat- und Kleinanleger vollständig zu übernehmen. Die weitere Spezifizierung der Robo Advisor insbesondere durch generative KI dürfte somit zur fortschreitenden Digitalisierung der Kapitalanlage führen. Aufgrund der Gefahr von Halluzinationen wird KI in Zukunft wohl trotzdem noch eine detaillierte Überwachung durch klassische Anlageberater und deren geprüftes Wissen benötigen. Viele Fragen sind aber noch offen.
In unserem CMS-Blog halten wir Sie in unserer Blog-Serie „Künstliche Intelligenz“ fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesen Themen auf dem Laufenden. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge benachrichtigt. Im Rahmen dieser Blog-Serie sind bereits Beiträge erschienen zu Themen wie: Künstliche Intelligenz und der Journalismus der Zukunft; Endspurt für die Regulierung von KI; Verbotene Praktiken und Hochrisiko-KI-Systeme; Hochrisiko-KI-Systeme als regulatorischer Schwerpunkt; Pflichten entlang der Wertschöpfungskette und für Anbieter von Basismodellen; Transparenzpflichten, Rechte für Betroffene, AI Office und Sanktionen sowie Robo Advisor. Weitere Informationen finden Sie zudem auf unserer Insight-Seite: Implikationen für Künstliche Intelligenz und Recht | CMS Deutschland.
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*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.