4. Dezember 2024
Rückabwerbung Mitarbeiter
Wettbewerbsrecht (UWG)

Zulässigkeit der Rückabwerbung von Mitarbeitern

Das Landgericht Koblenz hat im Eilverfahren zur lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit hinsichtlich der Rückabwerbung von Mitarbeitern entschieden.

Im Fokus des Verfahrens vor dem Landgericht Koblenz (Beschluss v. 17. September 2024 – 11 O 12/24) standen Vorwürfe konzertierter Abwerbeaktionen und die Grenzen rechtmäßiger Kündigungsunterstützung. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Abwerbungen grundsätzlich erlaubt sind – sofern keine unlauteren Mittel oder Absichten im Spiel sind.

Mitarbeiter wechselten zunächst zur Antragsgegnerin, wurden von der Antragsgegnerin wieder rückabgeworben

Gestritten hatten zwei Wettbewerber aus der Branche für stationäre Brandschutzsysteme. Hintergrund war, dass ca. 25 Mitarbeiter*, die zunächst von der Antragsgegnerin zur Antragstellerin wechselten von der Antragsgegnerin wieder rückabgeworben wurden, wobei sechs wechselwillige Mitarbeiter bereits vor Eintrittsdatum gegenüber der Antragstellerin jeweils gleichlautende „außerordentliche fristlose Kündigungen, hilfsweise außerordentliche Kündigungen mit Frist“ erklärt hatten und ihre Arbeit bei der Antragstellerin in der Folge nicht aufnahmen. Ein wechselwilliger Mitarbeiter war sogar ohne vorherige Erklärung einer Kündigung nicht zur Arbeitsaufnahme erschienen. 

Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin vor, sie sei für die in Wortlaut, Aufbau und Form identischen und kurz vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigungen, die unberechtigt erfolgt seien, sowie für den darauffolgenden Nichtantritt der Arbeitsstelle verantwortlich. Zudem handele es sich um ein konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin. Sie stelle den wechselwilligen Mitarbeitern kostenfreie Rechtsberatung durch einen externen Anwalt zur Verfügung und habe den wechselwilligen Mitarbeitern eine Prämienzahlung versprochen, wenn sie von dem Wechsel Abstand nehmen würden. 

LG Koblenz: Mitarbeiterabwerbungen lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt

Das Landgericht Koblenz konnte in den Rückabwerbungen durch Antragsgegnerin indes kein lauterkeitswidriges Verhalten erblicken und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unbegründet zurück. 

Zunächst stellte die Kammer fest, dass Mitarbeiterabwerbungen lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt seien. Etwas anderes gelte nur dann, wenn besondere Umstände vorlägen, die Abwerbung also einen verwerflichen Zweck verfolgt oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden angewendet werden. Für den Fall der Rückabwerbung würden grundsätzlich dieselben Maßstäbe gelten, es sei denn die Abwerbung war bereits wettbewerbswidrig. Dann seien auch bei der Rückabwerbung mildere Maßstäbe anzulegen. 

Unlauter sei es etwa, wenn der Abwerber primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindert. Eine solche Behinderungsabsicht sei vorliegend indes nicht zu erkennen. Vielmehr bestünde ein erhebliches Eigeninteresse der Antragsgegnerin an der Weiterbeschäftigung der wechselwilligen Mitarbeiter.

Ferner sei es unlauter, Mitarbeiter zum Vertragsbruch zu verleiten. Dies habe die Antragstellerin allerdings nicht hinreichend glaubhaft machen können. Lediglich zwei der sechs erklärten Kündigungen seien kurz vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn und alle anderen jeweils mindestens einen Monat vor dem anvisierten Eintrittsdatum erfolgt. Doch selbst wenn die Lösung des Vertrags durch die wechselwilligen Mitarbeiter einen Vertragsbruch darstellen würde, sei dies vorliegend allein die Entscheidung des Beschäftigten. Unlauterkeit liege nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vor. Nicht rechtswidrig sei es hingegen dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie auszuloben. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass den wechselwilligen Mitarbeitern rechtliche Unterstützung von der Antragsgegnerin zugesichert worden sei, um trotz unterschriebenen Vertrages bei der Antragsgegnerin bleiben zu können, stelle dies noch keine kostenfreie Rechtsberatung dar. 

Keine Eilbedürftigkeit, wenn Kündigungen drei Monate vor Antragstellung erfolgt sind

Abschließend stellte die Kammer fest, dass es ohnehin an einem Verfügungsgrund gefehlt habe, da die ersten Kündigungen der wechselwilligen Mitarbeiter bereits drei Monate vor Antragstellung erfolgt seien. Für die Antragstellerin sei bereits zu diesem Zeitpunkt voraussehbar gewesen, dass die Mitarbeiter voraussichtlich nicht ca. eineinhalb Monate später zur Arbeitsaufnahme erscheinen würden. Spätestens als die Mitarbeiter am Tag der geplanten Arbeitsaufnahme nicht erschienen, habe die Antragstellerin vollumfänglich Kenntnis von der Gefährdung ihrer Rechtsstellung gehabt. Mit dem weiteren Zuwarten mit der Stellung des Antrags um 16 Tage habe die Antragsgegnerin die Dringlichkeit selbst widerlegt.

Die Entscheidung steht im Einklang mit der bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Fällen der Abwerbung von Mitarbeiten und stellt klar, dass solche Mitarbeiterabwerbungen lauterkeitsrechtlich grundsätzlich hinzunehmen sind. Rechtswidrig sind diese erst dann, wenn besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzukommen, die im vorliegenden Fall – wie auch so oft in der Praxis – nicht glaubhaft gemacht werden konnten. Darüber hinaus wird nochmal klargestellt, dass die Dringlichkeitsfrist bereits mit der ersten unlauteren (Rück)Abwerbung zu laufen beginnt und allenfalls dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder auflebt, wenn sich die Tatumstände wesentlich ändern.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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