27. Juni 2019
Haftung Agentur Wettbewerbsverstoß
Wettbewerbsrecht (UWG)

Haftung einer Werbeagentur für Wettbewerbsverstöße

Das OLG Köln urteilte, dass Werbeagenturen, die für Onlineshops Postfächer einrichten und Servicerufnummern betreiben, für deren Werbeaussagen haftbar sind.

Die Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 05. April 2019 – 6 U 151/18) erging zwischen einem Verein zur Wahrung der Regeln des lauteren Wettbewerbes und einer Werbeagentur, die für diverse Unternehmen Onlineshops entwickelt und betreut. Zu ihrer Kundschaft zählte auch ein Onlineshop, der ein sog. diätisches Lebensmittel zur Migräneprophylaxe unter Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche relevante Vorgaben für Lebensmittel zu besonderen medizinischen Zwecken, bewarb.

Im Impressum des Onlineshops sowie in dessen AGB waren als Kontaktmöglichkeiten für dessen Kundschaft sowie für den Fall eines Widerrufs eine Postfachadresse sowie eine Rufnummer angegeben. Das angegebene Postfach war dem Geschäftsführer der beklagten Werbeagentur zugewiesen. Auch die Rufnummer war der Beklagten als Anschlussinhaberin zugeordnet.

Dies hatte zur Folge, dass der klagende Wettbewerbsverein seine wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen der unlauteren Werbeaussagen mit Blick auf das Migränemittel nicht nur an den Onlineshop, sondern auch an die Werbeagentur richtete und beide zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte.

Förderung von Geschäftsabschlüssen oder untergeordnete Hilfstätigkeit der Werbeagentur?

Der Verein vertrat die Auffassung, die Werbeagentur geriere mit ihrem Verhalten Geschäftsabschlüsse und fördere den Absatz der Waren des Onlineshops. Bereits die Einräumung der Kontaktmöglichkeiten in Form des Postfaches und der Rufnummer sprächen für eine wettbewerbsrechtliche Verantwortung der Beklagten, weil das den Onlineshop betreibende Unternehmen die Kontaktmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrieb des Produktes zur Migräneprophylaxe nutze.

Die Werbeagentur ist dem mit der Argumentation entgegengetreten, bei der Bereitstellung eines Postfachs sowie der Anmietung einer Telefonnummer handele es sich um übliche Dienstleistungen einer Werbeagentur. Eine solche Dienstleistung sei dem Grunde nach unverfänglich und insofern ungeeignet, eine wettbewerbsrechtliche Verantwortung zu begründen.

Postfachbereitstellung und Anmietung einer Telefonnummer nicht mit Kleben eines Plakats oder dem Druck einer Zeitung vergleichbar

Das OLG Köln hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen und zur Bejahung einer Haftung der Beklagten entscheidend auf die Zurverfügungstellung des Postfachs abgestellt.

Ob dieses oder die von der Beklagten betriebene Telefonnummer jemals zum Abschluss eines Geschäfts genutzt worden seien, sei irrelevant, weil bereits die Angabe von Kontaktdaten und die Möglichkeit der Nutzung das angegriffene Geschäftsmodell des Onlineshops gefördert habe.

Der Tatbeitrag sei auch nicht derart untergeordnet, dass er keine Teilnahmehaftung begründen könne. Insbesondere sei er nicht mit der unselbstständigen Tätigkeit einer Person zu vergleichen, die ein Plakat mit wettbewerbswidriger Werbung klebt oder unlautere Werbung in einer Zeitung abdruckt. Diesen Personen komme keine eigene Entscheidungsbefugnis zu, wohingegen die Beklagte eine Entscheidungsbefugnis dahingehend habe, welche Dienstleistungen sie ihrer Kundschaft zur Verfügung stelle. Kontaktaufnahmemöglichkeiten seien für den Online-Versandhandel auch von gewisser Relevanz für den Erfolg ihrer geschäftlichen Betätigung. Aus diesem Grund hafte die Beklagte gleich dem Onlineshop.

Hintergrund: Die Grundsätze der Teilnahmehaftung

Die Teilnahmehaftung setzt grundsätzlich voraus, dass die betreffende Person einen objektiv fördernden Beitrag zur wettbewerbswidrigen Haupttat leistet und mit jedenfalls bedingtem Vorsatz hinsichtlich der rechtswidrigen Haupttat handelt.

Physische Formen der Hilfeleistung können dabei im Zusammenhang mit Onlineshops neben der Zurverfügungstellung eines Online-Marktplatzes auch in der Überlassung von Telefon-, Fax oder E-Mail-Anschlüssen liegen.

Da eine Haftung darüber hinaus voraussetzt, dass die betreffende Person einen Wettbewerbsverstoß für möglich hält und diesen billigend in Kauf nimmt und sich ihr diesbezügliches Bewusstsein auch auf die Rechtswidrigkeit der Haupttat bezieht, genügt die den Geschäftsabschluss fördernde Dienstleistung zur Haftungsbegründung allein nicht.

Auch wenn die betreffende Person ursprünglich eventuell keine Kenntnis oder Vorahnung mit Blick auf einen möglichen Wettbewerbsverstoß hatte, so kann ihr Vorsatz, durch einen Hinweis auf die Rechtslage, beispielsweise im Wege einer plausibel begründeten Abmahnung, begründet werden. Die erste Abmahnung kann die gutgläubig handelnde Person daher nachträglich bösgläubig werden lassen. Stellt die Person ihren fördernden Tatbeitrag daraufhin ein, so knüpfen sich daran keine weiterreichenden Konsequenzen. Insbesondere können in diesem Fall auch keine Kosten als Aufwandsentschädigung für die Abmahnung verlangt werden. Setzt sie ihre fördernde Tätigkeit jedoch fort, so kann sie für den geförderten Wettbewerbsverstoß haftbar gemacht werden.

Wege aus der Haftung

Die Entscheidung reiht sich in eine Reihe von älteren Urteilen ein, welche die Zurverfügungstellung von Telefonanschlüssen als Beitrag zur Förderung wettbewerbswidriger Handlungen zum Gegenstand hatten (bspw. OLG Frankfurt, Urteil v. 28. August 1986 –  6 U 176/85 und OLG Hamm, Urteil v. 17. Oktober 1991 – 4 U 174/91).

Obgleich in den dort entschiedenen Fallgestaltungen die Angabe einer Telefonnummer in Ermangelung anderweitiger Kontaktaufnahmemöglichkeiten zur Abwicklung der wettbewerbswidrigen Geschäftsabschlüsse dringend erforderlich war, ist dem OLG Köln darin zuzustimmen, dass auch im Zusammenhang mit Online-Bestellungen die Angabe physischer Kontaktaufnahmemöglichkeiten für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb unabdingbar ist.

Gleichwohl brauchen Dienstleistungsunternehmen, wie z. B. Werbeagenturen, die Webshops betreuen und Werbung konzipieren, keine ausufernde Haftung nach dem Wettbewerbsrecht zu fürchten. Soweit nämlich keine offensichtlichen Wettbewerbsverstöße der von ihnen betreuten Unternehmen in Rede stehen, bedarf es zur Begründung des Vorsatzes der Dienstleistungsunternehmen einer plausibel begründeten Abmahnung oder eines anderweitigen Hinweises auf einen möglichen Wettbewerbsverstoß. In der Folge einer solchen Abmahnung oder eines anderweitigen Hinweises auf Wettbewerbsverstöße ihrer Kundschaft müssen Werbeagenturen und andere Dienstleistungsunternehmen sodann jedoch eine gründliche Prüfung ihres Tatbeitrages vornehmen und ihren fördernden Tatbeitrag gegebenenfalls schnellstmöglich einstellen, um einer Haftung zu entgehen. Vorkehrungen zum Beschwerdemanagement im Unternehmen können auch in diesem Zusammenhang eine wertvolle Hilfe leisten.

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Annina Barbara Männig