24. August 2023
Wohnungsrecht
Restrukturierung und Insolvenz

Wohnungslos trotz Wohnungsrecht?

BGH bestätigt die Pfändbarkeit des schuldnerischen Wohnungsrechtes am eigenen Grundstück – Was bedeutet das für die Insolvenzverwaltung und den Schuldner?

Als beschränkt persönliche Dienstbarkeit kann auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers* als Wohnung zu benutzen, sog. Wohnungsrecht (§ 1093 BGB).

Das Wohnungsrecht im Vergleich zum Wohnrecht

Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich um ein lebenslanges mietzinsfreies Recht z. B. an einer Wohnung zugunsten einer Person. Es schließt die Nutzung des Eigentümers aus, was bedeutet, dass die Immobilie bzw. die Wohnung ausschließlich vom Inhaber des Wohnungsrechtes genutzt werden kann. Das Wohnungsrecht ist insofern vom Wohnrecht abzugrenzen, bei dem ein Mitbenutzungsrecht für einen Berechtigten vereinbart wird, ohne dass der Berechtigte selbst Eigentümer der Immobilie ist.

BGH bestätigt Pfändbarkeit des schuldnerischen Wohnungsrechtes 

Der BGH hat mit Beschluss vom 2. März 2023 (V ZB 64/21) bestätigt, dass sich der Wohnungsberechtigte bei personenidentischen Grundstückseigentümern und Wohnungsberechtigten für die Pfändung so behandeln lassen muss, als habe er es gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechtes einem anderen zu überlassen. Infolgedessen ist ein Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar. 

Der Insolvenzschuldner kann die Löschung des Wohnungsrechtes somit nicht dadurch verhindern, dass er sein Eigentum an Dritte überträgt und sich ein Wohnungsrecht daran im Grundbuch bestellt.

Umgekehrt bedeutet das Urteil für Insolvenzverwalter, dass diese nun im Rahmen der Verwertung des immobilen Vermögens des Insolvenzschuldners die Löschung des Wohnungsrechtes bewilligen können, da das Eigentümerwohnungsrecht aufgrund der Pfändbarkeit bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse fällt. 

BGH bestätigt Löschung des Wohnungsrechts 

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Insolvenzschuldner eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstückes, an welchem er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Bestimmung bestellte, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden könne. Zudem brachte der Insolvenzschuldner das Grundstück als Einlage in eine GbR ein. Die GbR wurde sodann als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zugleich erfolgte im Grundbuch die Eintragung des Wohnungsrechtes zugunsten des Insolvenzschuldners. 

Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde ca. drei Jahre später das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm der bestellte Insolvenzverwalter die GbR und die weiter an ihr beteiligte Gesellschafterin im Wege der Insolvenzanfechtung erfolgreich auf Rückgewähr des Grundstückes in Anspruch und erwirkte die Auflassung des Grundbesitzes an den Insolvenzschuldner. Der Insolvenzverwalter bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Daraufhin wurde der Insolvenzschuldner wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen und das Wohnungsrecht gelöscht. Der Insolvenzschuldner legte Beschwerde gegen die Löschung des Wohnungsrechtes ein, welche vom Kammergericht zurückgewiesen wurde. Hiergegen wandte sich der Insolvenzschuldner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Der Insolvenzverwalter beantragte die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Der Bundesgerichtshof folgte dem Kammergericht.

Pfändbarkeit des Eigentümerwohnungsrechts bei Personenidentität

Grundsätzlich ist das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar, §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO. Etwas anderes gilt, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB gestattet ist, § 857 Abs. 3 ZPO

Der BGH beschäftigte sich mit der Rechtsfrage, ob ein Wohnungsrecht entgegen dem Wortlaut der §§ 1092 Abs. 1857 Abs. 3 BGB i. V. m § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO pfändbar ist und somit in die Insolvenzmasse fällt, wenn die Überlassung der Ausübung an Dritte im Sinne des § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB zwar nicht gestattet ist, Grundstückseigentümer und Inhaber des Wohnungsrechts jedoch personenidentisch sind.

Bereits mit Urteil vom 11. März 1964 entschied der BGH (V ZR 78/62), dass eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit bei einer Personenidentität von Grundstückseigentümer und Berechtigten der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit und der Grunddienstbarkeit pfändbar ist, da die Gestattung der Übertragung der Ausübung auf einen anderen für die Pfändung stets als erteilt zu erachten ist. Der BGH hält mit seiner Entscheidung vom 2. März 2023 auch bei dem Sonderfall des Wohnungsrechtes an seiner Rechtsauffassung fest. 

Massezugehörigkeit des Eigentümerwohnungsrechts

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.

Da der Insolvenzschuldner im vorliegenden Fall das Eigentum an dem Grundstück in Folge der erfolgreichen Insolvenzanfechtung zurückerlangt hat und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigentümerwohnungsrecht geworden ist, fällt das Eigentümerwohnungsrecht aufgrund der Pfändbarkeit bei einer Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse und ist vom Insolvenzverwalter zu verwerten.

BGH schafft Voraussetzung für eine dem Insolvenzzweck entsprechende bestmögliche Verwertung des Grundstücks 

Im Vorfeld der Insolvenz versuchen gewiefte Insolvenzschuldner hin und wieder, Vermögenswerte zu verschleiern, um diese vor einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter zu schützen. Gerade bei immobilen Vermögenswerten schien die Bestellung eines Wohnungsrechtes für einen Insolvenzschuldner auf den ersten Blick eine geeignete Möglichkeit zu sein, eine Verwertung zu verhindern, denn nach §§ 1092, 1093 BGB ist das Wohnungsrecht, als beschränkt persönliche Dienstbarkeit, nicht übertragbar und unterliegt damit nicht der Zwangsvollstreckung. Damit schien das Wohnungsrecht nicht zur Insolvenzmasse zu gehören, denn gemäß § 36 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse.

Nach dem gesetzlichen Leitbild sind jedoch der Berechtigte aus dem Wohnungsrecht und der Grundstückseigentümer personenverschieden, denn gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB soll der Wohnungsberechtigte „unter Ausschluss des Eigentümers“ zu einer umfassenden Nutzung der ihm zugewiesenen Räume berechtigt sein. Hierdurch soll der Wohnungsberechtigte vor einem unberechtigten Zugriff durch den Grundstückseigentümer bzw. durch Dritte geschützt werden. Umgekehrt schließt § 1092 Abs. 1 BGB zum Schutz des Eigentümers die Übertragbarkeit der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit aus, wenn die Überlassung nicht ausdrücklich gestattet ist. 

Ist der Wohnungsberechtigte jedoch zugleich Eigentümer der Immobilie, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen. Das bedeutet, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt.

Daraus folgt laut BGH, dass das Eigentümerwohnungsrecht übertragbar und damit pfändbar ist und somit gemäß § 35 InsO der Insolvenzmasse unterfällt. In der Folge ist der Insolvenzverwalter berechtigt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen und das Grundstück gegebenenfalls lastenfrei zu veräußern. Mit seiner Entscheidung erleichtert der BGH damit Insolvenzverwaltern künftig die Verwertung schuldnerischen Grundbesitzes. Zudem spiele es nach Auffassung des BGH keine Rolle, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wurde oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt. In der Praxis wird damit die Möglichkeit entzogen, Vermögen je nach Sichtweise vor einer Insolvenz zu schützen oder zu entziehen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: beschränkt persönliche Dienstbarkeit Restrukturierung und Insolvenz Wohnungsrecht