Wird der Vertragspartner insolvent, stellt sich vielen Gläubigern die Frage, inwiefern sie ihre Rechtsposition noch weiter durchsetzen können.
Die Insolvenzordnung stellt dabei einen maßgeblichen Unterschied zwischen Gläubigern, die bloßer Inhaber einer Forderung sind, und Gläubigern, die ihre Forderung zusätzlich besichert haben, her. Während bloße Forderungsgläubiger von Unternehmen im Insolvenzverfahren im Jahr 2016 durchschnittlich nur mit einer Quote von 4,1 % der ursprünglichen Forderung rechnen konnten, war die Rechtsposition von sogenannten aus- und absonderungsberechtigten Gläubigern im Insolvenzverfahren deutlich stärker. Sie haben in der Regel nur geringe Einbußen zu befürchten.
Unterschiedlich gesicherte Gläubiger: Aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger
Im Insolvenzverfahren gibt es dabei nicht nur unterschiedliche Forderungsgläubiger, wie zum Beispiel Insolvenzgläubiger und sogenannte nachrangige Gläubiger (§§ 38, 39 InsO). Die Insolvenzordnung (InsO) differenziert vielmehr auch danach, wie Gläubiger mit einer dinglichen Rechtsposition und andere gesicherte Gläubiger ihre Rechte verwerten dürfen. Vor allem bei der Besicherung von Darlehen und bei Warenkrediten sind hierbei die sogenannten Aus- und Absonderungsrechte maßgeblich.
Ist die Sicherheit zur Masse gehörig oder „herausnehmbar″?
Hierbei teilt die Insolvenzordnung die gesicherten Gläubiger noch einmal in zwei verschiedene Gruppen: zum einen in solche Gläubiger, die Rechte an Gegenständen haben, die zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) gehören, und zum anderen in solche Gläubiger, die dazu berechtigt sind, Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, von den Vorschriften über die Durchführung des Insolvenzverfahrens auszunehmen und aus der Masse auszusondern (vgl. § 47 InsO).
Aussonderungsberechtigte Gläubiger: keine Einbindung in das Insolvenzverfahren
Zur Aussonderung berechtigte Gläubiger melden ihre Forderungen nicht gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle und müssen auf eine Ausschüttung entsprechend der Quote warten. Gemäß § 47 S. 2 InsO haben sie die Möglichkeit, ihre Ansprüche außerhalb der Regeln der Insolvenzordnung, das heißt im normalen Zivilprozess, zu verfolgen.
Zu diesen zur Aussonderung berechtigten Gläubigern gehört zunächst der „klassische″ Eigentümer, der das Eigentum nicht zu bloßen Sicherungszwecken innehat. Daneben bestehen aber noch weitere Positionen, die zur Aussonderung berechtigen, wie der Eigentümer beim einfachen Eigentumsvorbehalt und Inhaber bestimmter obligatorischer Herausgabeansprüche, wie zum Beispiel der Rückgabeanspruch des Vermieters oder Verleihers, nicht aber Inhaber bloßer Verschaffungsansprüche, wie Käufer einer Sache. Auch bestimmte Treuhandkonstellationen berechtigten zur Aussonderung.
Unberührte Rechtsposition aussonderungsberechtigter Gläubiger
Zu betonen ist, dass aussonderungsberechtigte Gläubiger rechtlich die vermeintlich stärkste Position im Insolvenzverfahren haben, da sie nicht den Regeln des Gesamtvollstreckungsverfahrens der InsO unterworfen sind. Aufgrund ihrer dinglichen Rechtsposition können sie den Gegenstand, an dem ihr Recht besteht, buchstäblich „aus der Masse herausnehmen″ und danach wie gewohnt über ihn verfügen.
In praktischer Hinsicht erhält diese rechtlich starke Position jedoch einige Einschränkungen. So muss beispielsweise der Verkäufer noch im Fall des einfachen Eigentumsvorbehaltes den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und der Vermieter einer Mietsache den Mietvertrag kündigen, um die Sache auch tatsächlich herausverlangen zu können.
Trotzdem erfahren aussonderungsberechtigte Gläubiger wirtschaftlich die geringsten Einbußen, weil sie nicht zur Verwertung der Sache gezwungen sind, welche bei der abgesonderten Befriedigung zumeist durch den Insolvenzverwalter erfolgt und bestimmte Abschläge vom Erlös mit sich bringt.
Absonderungsberechtigte Gläubiger: Vorrangige Teilhabe am Verwertungserlös
Sogenannte absonderungsberechtigte Gläubiger haben Rechte an Gegenständen, die zur Insolvenzmasse gehören. Ihre Rechtsposition im Insolvenzverfahren ist von dem Grundgedanken geprägt, dass den Gläubigern nicht ihre ursprüngliche rechtliche Gewalt über den Gegenstand zusteht, sondern sie aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch Anspruch auf den in der Sache verkörperten wirtschaftlichen Wert haben.
Einbindung in die Regeln der InsO
Absonderungsberechtigte Gläubiger werden vorrangig aus dem Verwertungserlös der Gegenstände, an denen sie Rechte haben, befriedigt. Die Verwertung der Gegenstände richtet sich dabei anders als bei den aussonderungsberechtigten Gläubigern nicht nach den allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften, sondern nach den Vorschriften der InsO (§§ 165 ff. InsO).
Zwangsversteigerung oder -verwaltung bei Grundstücken
Handelt es sich bei dem zur Insolvenzmasse gehörigen Gegenstand um einen unbeweglichen Gegenstand, was in der Regel ein Grundstück ist, an dem der Gläubiger eine Hypothek, Grundschuld oder Reallast hat, kann der Gläubiger ebenso wie außerhalb des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) betreiben, er kann also die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung betreiben (vgl. § 165 InsO). Tut er dies nicht, steht diese Möglichkeit dem Insolvenzverwalter offen.
Hier zeigt sich die schwächere Position des absonderungsberechtigten Gläubigers im Vergleich zum aussonderungsberechtigten Gläubiger, der diesen vermeintlichen Druck zur Verwertung der Sache vom Insolvenzverwalter nicht zu befürchten hat.
Verwertung durch den Insolvenzverwalter bei beweglichen Sachen
Handelt es sich bei dem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand dagegen um eine bewegliche Sache, ist die Reihenfolge hinsichtlich der Verwertung in der Regel umgekehrt. Die Insolvenzordnung schreibt vor, dass der Insolvenzverwalter die Sache verwerten darf, wenn er sie in seinem Besitz hat (vgl. § 166 InsO). Dies ist der Regelfall, da der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Inbesitznahme der Insolvenzmasse verpflichtet ist (vgl. § 148 InsO). Erst wenn dies nicht der Fall ist, kann der Gläubiger die Sache selbst verwerten.
Bei beweglichen Sachen zählen zu den absonderungsberechtigten Gläubigern vor allem Sicherungseigentümer, Inhaber einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung sowie Eigentümer im Rahmen eines verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts. Ebenso Pfandgläubiger sowie Gläubiger eines handelsrechtlichen Zurückbehaltungsrechtes und die öffentliche Hand in Bezug auf Sicherheiten für öffentliche Abgaben zählen hierzu.
Für die Frage, ob eine Sicherheit zur Masse gehörig ist und ein Absonderungsrecht besteht, oder ob die Sicherheit im Rahmen der Aussonderung „herausnehmbar″ ist, kommt es daher entscheidend darauf an, ob beispielsweise ein einfacher Eigentumsvorbehalt oder Sicherungseigentum eingeräumt wurde. Gläubiger sollten bei der Einräumung von Sicherheiten daher genau darauf achten, welche Art von Sicherheit ihnen eingeräumt wird.
Bloße Teilhabe am wirtschaftlichen Wert
Auch wenn Sicherungseigentümer und Eigentümer im Rahmen eines verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts formal die Stellung eines Eigentümers haben, sind sie – anders als außerhalb des Insolvenzverfahrens in der Einzelzwangsvollstreckung – nicht zur Aussonderung der Sache berechtigt. Dies rührt daher, dass diesem Personenkreis wirtschaftlich ebenso wie einem Pfandgläubiger nur der in der Sache wirtschaftlich verkörperte Wert zugewiesen ist.
Bei der Einzelzwangsvollstreckung kann der der (Sicherungs-)Eigentümer mit der Drittwiderspruchsklage die Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen. Bei einem Gesamtvollstreckungsverfahren – bei dem in der Regel ohnehin ein umfassender Verwertungsprozess erfolgt – ist es hingegen gerechtfertigt, Sicherungseigentümer und Eigentümer beim verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt den Regeln des Gesamtvollstreckungsverfahrens der InsO zu unterwerfen und auf ihre wirtschaftliche Position zu verweisen.
Ist der Insolvenzverwalter in Besitz der Sache oder Inhaber einer vom Schuldner zur Sicherheit abgetretenen Forderung, hat er das alleinige Verwertungsrecht. Nach der Verwertung wird der absonderungsberechtigte Gläubiger dann aus dem Erlös befriedigt. Zuvor sind allerdings noch Kosten der Feststellung und der Verwertung mit pauschal 9 % des Verwertungserlöses sowie eine eventuell zulasten der Masse angefallene Umsatzsteuer abzuziehen sind.
Hat der Gläubiger dagegen die Möglichkeit der Verwertung, weil der Insolvenzverwalter die Sache nicht in seinem Besitz hatte (wie zum Beispiel rechtsgeschäftlich verpfändete Forderungen und Sicherungsgut im Besitz des Gläubigers), kann er die Verwertung selbst im Rahmen der ihm vertraglich oder gesetzlich zustehenden Möglichkeiten betreiben. Sein Vorteil ist hier, dass er zwar zur Verwertung der Sache verpflichtet ist, aber keine Feststellungs- und Verwertungskosten anfallen. Einen Erlös, der die Höhe seiner Forderung übersteigt, muss er an die Masse auskehren.
Anmeldung der Forderungen nur in Höhe des Ausfalls
Da absonderungsberechtigte Gläubiger anders als aussonderungsberechtigte Gläubiger am Insolvenzverfahren teilnehmen, steht ihnen die Möglichkeit offen, ihre Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden (vgl. §§ 174 ff. InsO). Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass absonderungsberechtigte Gläubiger bereits aufgrund ihrer Teilhabe am Verwertungserlös befriedigt wurden. Sie können daher ihre Forderung nur soweit zur Insolvenztabelle anmelden, wie sie auf ihr Recht zur abgesonderten Befriedigung verzichtet haben oder mit ihrer Forderung trotz der Teilnahme am Verwertungserlös ausgefallen sind (§ 52 InsO).
Fazit: Privilegierung durch Aus- und Absonderungsrechte – entscheidende Weichen bereits bei der Vertragsgestaltung stellen!
Aus- und Absonderungsrechte spielen eine maßgebliche Rolle bei der Determinierung der Rechtsposition eines Gläubigers im Fall der Insolvenz. Die starke Position eines aussonderungsberechtigten Gläubigers, der von den Einflüssen des Insolvenzverfahrens unbehelligt bleibt, unterscheidet sich dabei maßgeblich von den absonderungsberechtigten Gläubigern, die in der Regel nur am Verwertungserlös teilhaben.
Gläubiger sollten auf jeden Fall Wert darauf legen, sich bereits bei Vertragsschluss für den Fall einer Insolvenz abzusichern. Denn auch eine Teilhabe am Verwertungserlös als absonderungsberechtigter Gläubiger ist wirtschaftlich vorteilhafter als eine Stellung als einfacher Insolvenzgläubiger. Während die Gläubiger bei der Teilhabe am Verwertungserlös meist immerhin noch den Zerschlagungswert abzüglich der Verwertungskosten erhalten, erlangen sie als Insolvenzgläubiger in der Regel nur eine geringe Quote des ursprünglichen Wertes ihrer Forderung.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt.