Erneuerbare Energie wird in Russland gefördert – aber nur bei ausreichender Lokalisierung. Was ist zu beachten?
Das Konzept der Förderung erneuerbarer Energien in Russland nach der Verordnung Nr. 449 der Regierung der Russischen Föderation setzt einen starken Akzent auf die lokale Fertigung von Anlagen zur Energieerzeugung. Der Lokalisierungsgrad ist eine entscheidende Voraussetzung für die Zuteilung eines wirtschaftlich interessanten Tarifs für die Bereitstellung von Kapazitäten. Der Betreiber einer Anlage muss sicherstellen, dass seine Anlage zur Energieerzeugung den Anforderungen an die Lokalisierung entspricht.
In der Regel wird der künftige Betreiber die Erfüllung der Lokalisierungsanforderungen dem Hersteller seiner Anlage aufgeben und dies mit hohen Vertragsstrafen absichern. In diesem Fall muss der Hersteller dann die Anlage zur Energieerzeugung aus lokal beschafften Bauteilen montieren oder, wenn sie auf dem russischen Markt nicht erhältlich sind, eine eigene Fertigung in Russland aufbauen. Bei der Errichtung einer lokalen Fertigung wird der Hersteller in der Regel versuchen, sich über einen Spezial-Invest-Vertrag (SPIC) abzusichern.
Im vorliegenden Artikel werden zunächst die bestehenden Lokalisierungsanforderungen und dann die Grundprinzipien eines SPIC dargestellt.
Lokalisierungsanforderungen
Die russische Industriepolitik versucht seit 2012, den Import insbesondere von technologisch komplexen Produkten durch lokal produzierte Produkte zu ersetzen. Diese Politik wird in der Regel unter den Begriff des „Importersatzes“ und der „Lokalisierung“ gefasst.
Seit Inkrafttreten der Novelle des Gesetzes FZ Nr. 488 über Industriepolitik in der Russischen Föderation im Juni 2015 wurden die Regeln für öffentliche Beschaffungen von vielen Warengruppen geändert und die Anforderung aufgestellt, dass diese einzukaufenden Warengruppen lokal produziert sein sollen.
Einen ähnlichen Weg geht Russland jetzt auch auf verschiedenen Ebenen in der Förderung erneuerbarer Energien. Sowohl die Zuteilung von Kapazitäten als auch die Tarife für die Bereitstellung von Kapazitäten sind abhängig vom Lokalisierungsgrad der Anlage zur Energieerzeugung:
- während der Teilnahme im Tenderverfahren über die Auswahl von Investitionsprojekten über den Bau von Anlagen, die auf Grundlage erneuerbarer Energie funktionieren, (weiter – Tenderverfahren) verspricht der künftige Betreiber vor Errichtung der Anlage zur Energieerzeugung, die Energie mittels einer zu einem gewissen Prozentsatz lokal gefertigten Anlage zu erzeugen. Diese Verpflichtung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme an der Ausschreibung;
- nach Fertigstellung der Anlage zur Energieerzeugung unterliegt diese der Qualifizierung. Im Rahmen der Qualifizierung überprüfen die zuständigen Behörden unter anderem die Einhaltung der Lokalisierungsverpflichtung durch den Betreiber.
Zulassung zum Tenderverfahren
Um zum Tenderverfahren zugelassen zu werden, muss der Betreiber zunächst einen Status des Teilnehmers am Großhandelsmarkt erhalten. Kapazitätsbereitstellungsminimum für den Betreiber als Teilnehmer des Großhandelsmarktes beträgt 5 MW. Außerdem besteht für Betreiber von Wasserkraftanlagen eine Obergrenze von 25 MW.
Der Umfang der Bereitstellung von Kapazität wird durch den Betreiber vor der eigentlichen Errichtung der Anlage zur Energieerzeugung mittels Abschluss von Verträgen über die Planung und den Bau entsprechender Anlagen zur Energieerzeugung prognostiziert. Der prognostizierte Umfang wird in Lieferverträgen von Kapazitäten festgehalten, die mit Gewinnern der Ausschreibung abgeschlossen werden. Bei Nichteinhaltung des vereinbarten Umfanges der gelieferten Kapazitäten werden für den Betreiber Vertragsstrafen fällig.
Weiterhin muss der Betreiber bei der Planung der Teilnahme am Tenderverfahren die Einhaltung der Vorgaben zum maximalen Umfang der Kapitalinvestitionskosten für den Bau der Anlage zur Energieerzeugung berücksichtigen, die auch eines der Tenderauswahlkriterien ist. Der angegebene Wert hängt von der Art der erneuerbaren Energie und dem Jahr der Teilnahme an der Ausschreibung ab. So dürfen im Tenderjahr 2018 Kosten für den Bau von Kraftwerken auf Solarenergiebasis für das Jahr 2019 105.262 Rubel pro KW und für das Jahr 2020 103.157 Rubel pro KW usw. nicht überschreiten. Für Windenergieanlagen darf eine Kostenobergrenze von 109.561 Rubel pro KW im Jahre 2019 und 109.451 Rubel pro KW im Jahre 2020 nicht überschritten werden. Bei einer Energieversorgung mittels Kleinwasserkraftwerken liegen die Grenzwerte bei 146.000 Rubel pro KW von 2019 bis 2022. Somit konkurrieren die Unternehmen, die am Ausschreiben teilnehmen, also nur auf Basis der Kapitalinvestitionskosten.
„Lokalisierungsgrad“ für Anlagen zur Energieerzeugung
Wie oben erwähnt ist eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme an der Ausschreibung das Erreichen eines bestimmten Lokalisierungsgrades. Die Anlage zur Energieerzeugung bzw. deren Bauteile müssen zumindest teilweise in Russland hergestellt worden sein.
Seit 2016 müssen Solaranlagen zu 70 % aus russischer Produktion stammen. Windenergieanlagen müssen im Jahre 2018 zu 55 % und ab 2019 zu 65 % in Russland hergestellt worden sein. Für Kleinwasserkraftwerke liegt die Mindestprozentzahl bei 65 %.
Die Verordnung Nr. 426 der Regierung der Russischen Föderation bestimmt, welche Bauteile und Verfahren und in welchem Umfang bei dem Lokalisierungsgrad berücksichtigt werden. Falls der Betreiber nicht den Mindestlokalisierungsgrad gewährleisten kann, ist seine Teilnahme am weiteren Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen. Der deklarierte Lokalisierungsgrad basiert auf Prognosen des Betreibers und wird aufgrund von Planungen lokaler Fertigungsanlagen und Verträgen mit Zulieferern (Lieferanten) von Ausrüstungen und Bauteilen etabliert.
Die Lokalisierungsanforderungen sind anspruchsvoll, da wesentliche Komponenten für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energie in Russland bisher nicht produziert werden. Der Teilnehmer am Ausschreibungsverfahren steht in der Regel vor der Herausforderung, eine eigene Fertigung innerhalb kurzer Zeit nach Vertragsschluss über die Bereitstellung von Kapazitäten zu errichten. Hält der Teilnehmer die zeitliche Vorgabe nicht ein und erreicht den deklarierten Lokalisierungsgrad nicht, unterliegt er Vertragsstrafen in Höhe von 85 % bis 100 % des Vertragswertes für die Bereitstellung von Kapazitäten.
Nach erfolgreicher Teilnahme an dem Tenderverfahren und anschließendem Abschluss der Errichtung der Anlage ist für die Festlegung des Bereitstellungstarifs der Kapazitäten eine Qualifizierung der angegebenen Anlage als energieerzeugendes Objekt, das auf Grundlage erneuerbarer Energie funktioniert, der abschließende Schritt.
Zum Zwecke solcher Qualifizierung muss der Betreiber zunächst einen Antrag an das Ministerium für Industrie und Handel der Russischen Föderation auf Feststellung des Lokalisierungsgrades stellen. Nach Erhalt dieses Antrages reicht das Ministerium den Antrag an die Kommission zur Feststellung des Lokalisierungsgrades für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie weiter. Nach Durchsicht der bereitgestellten Dokumente erstellt die Kommission einen Beschluss, aufgrund dessen das Ministerium eine Stellungnahme über den Lokalisierungsgrad erstellt und eine Kopie davon an den Marktrat abgibt. Schließlich klassifiziert der Marktrat die Anlage zur Energieerzeugung und ordnet sie in eine von drei Kategorien ein, abhängig davon, ob der Lokalisierungsgrad unter 50 %, zwischen 50 % und 70 % oder über 70 % liegt. Je nach zugeordneter Kategorie wird unter anderem auch der Breitstellungstarif für die Kapazität bestimmt.
Bei der Qualifizierung bestimmter Bauteile als in Russland hergestellt, gelten die allgemeinen Regeln der Bestimmung des Ursprungslandes der Ware, die von der Zollgesetzgebung vorgesehen sind. Dabei gilt aufgrund der direkten Bestimmung des Gesetzes eine Ausnahme zu dieser allgemeinen Regel für Bauteile, die im Rahmen eines SPIC hergestellt werden.
Absicherung über einen Spezial-Invest-Vertrag (SPIC)
Wie die Praxis gezeigt hat, ist der Abschluss des SPIC eine der entscheidenden Bedingungen der Einhaltung der Lokalisierungsanforderungen. Es gibt dem Betreiber, der den SPIC abgeschlossen hat, das Recht, in den Anfangsstadien des Investitionsprojektes zum Zwecke der Berechnung des Lokalisierungsgrades auch Importbauteile als in Russland hergestellt zu berücksichtigen.
Der SPIC taucht erstmals im Gesetz FZ Nr. 488 „Über die Industriepolitik der Russischen Föderation“ auf. Mit Verabschiedung der Regierungsverordnung Nr. 708, die unter anderem einen Mustervertrag für den SPIC enthält, wurde der SPIC dann in der Praxis verwendbar. Zu beachten ist, dass der Abschluss des SPIC sowohl auf der föderalen Ebene, als auch mit der Teilnahme von regionalen und lokalen Behörden möglich ist.
Hauptverpflichtung des Investors im Rahmen eines SPIC ist typischerweise die Schaffung oder Modernisierung einer Produktionsanlage. Unter anderem sollen bislang nicht in Russland produzierte Güter mit einer festgelegten Mindestinvestitionssumme und einem Mindestproduktionsumfang und gemäß abgestimmten Businessplan und Produktionsplan hergestellt werden. Die Details sind Anlagen zum SPIC.
Die Erfüllung der Verpflichtungen des Investors im Rahmen eines SPIC wird durch die Behörden überwacht. Im Gegenzug werden dem Investor steuerliche Vergünstigungen, Präferenzen im Bereich der öffentlichen Beschaffung, sowie vereinfachte Bestätigung des Lokalisierungsgrades zugesagt. Dabei ist zu beachten, dass der Umfang der Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen des SPIC nur auf die Maßnahmen beschränkt ist, die durch das Gesetz vorgesehen sind. Der SPIC wird auf eine Laufzeit abgeschlossen, die nach Businessplan für das Erreichen des Break-Even errechnet ist, zuzüglich weiterer 5 Jahre, maximal aber für 10 Jahre.