Erneuerbare Energien entwickeln sich nur dann erfolgreich, wenn ein Mechanismus zur wirtschaftlich tragfähigen Vermarktung geschaffen wird. Russland hat einen eigenwilligen Weg gefunden, erneuerbare Energien in den bestehenden Großhandelsmarkt zu integrieren.
Die heutige Organisation der Elektroenergetik in Russland hat sich in einem komplizierten Prozess der Dezentralisierung staatlich geregelter Tätigkeiten seiner Subjekte entwickelt. Das Gesetz über Elektroenergetik Nr. 35-FZ schreibt fest, dass zwischen den Marktteilnehmern die Prinzipien von Wettbewerb und Marktwirtschaft gelten sollen. Andererseits sollen gleichzeitig Grundsätze der Energiesicherheit in Russland sowie störungsfreie und zuverlässige Funktion der Elektroenergetik gewährt werden. Der Markt für elektrische Energie und Kapazität in Russland stellt somit derzeit eine komplexe Struktur dar, die marktwirtschaftliche Elemente mit staatlichen Regelungsmechanismen kombiniert.
Dieser Beitrag bietet eine allgemeine Übersicht über die für die Organisation des Marktes für elektrische Energie und Kapazität in Russland geltenden Grundsätze. Im Vordergrund steht dabei der Großhandelsmarkt (nachfolgend: „GMEK“), die Beschreibung der Marktteilnehmer und deren Funktionen sowie der wichtigsten Verfahren zum Verkauf elektrischer Energie und Produktionskapazität. Besondere Beachtung findet hier die Einbindung der mittels erneuerbarer Energiequellen erzeugten elektrischen Energie (nachfolgend: „EEQ“) in das bestehende System.
Grundzüge der Organisation des GMEK
Der Verkauf von elektrischer Energie und Produktionskapazität in Russland erfolgt zum einen auf dem GMEK, zum anderen auf dem Einzelhandelsmarkt für elektrische Energie.
Der Einzelhandelsmarkt ist ein Markt für den Weiterverkauf elektrischer Energie an Endverbraucher, auf dem grundsätzlich staatlich geregelte Tarife gelten. Im Gegensatz dazu handeln auf dem GMEK ausschließlich Großerzeuger und Großabnehmer mit elektrischer Energie und Kapazitäten. Die Tätigkeit auf dem GMEK wird durch die Regierungsverordnung Nr. 1172 (nachfolgend: „GMEK-Regeln“) geregelt, die insbesondere den Zugang zum GMEK und die organisatorischen Grundlagen des Handels innerhalb des GMEK festlegen.
Die wichtigsten Grundsätze der GMEK-Organisation sind:
- freier Zugang zum GMEK für alle Verkäufer und Abnehmer elektrischer Energie;
- freie Wahl des Verfahrens zum Verkauf und Kauf elektrischer Energie durch die GMEK-Teilnehmer;
- Beachtung der Besonderheiten für die GMEK-Teilnahme für einzelne Subjekte;
- verpflichtender Kapazitätserwerb durch die GMEK-Teilnehmer in den durch die Regierung der Russischen Föderation festgelegten Fällen.
Marktgebundene Mechanismen und staatliche Regulierung greifen, wie dargestellt, also eng ineinander.
Die wichtigsten GMEK-Teilnehmer und ihre Funktionen
Das Gesetz über Elektroenergetik Nr. 35-FZ nennt als GMEK-Teilnehmer vor allem Lieferanten und Abnehmer elektrischer Energie und Kapazitäten. Letztere müssen hierbei bestimmten festgelegten Kriterien entsprechen, um als Großabnehmer zu gelten.
Um als Lieferant oder Abnehmer Zugang zum GMEK zu erhalten, muss der jeweilige Teilnehmer sich vertraglich an das GMEK-Handelssystem binden und dem sogenannten Marktrat als der selbstregulierenden Organisation der GMEK-Teilnehmer (nachfolgend: „der Marktrat“) beitreten.
Wichtigste Aufgaben des Marktrates sind die Wahrung des Interessenausgleichs zwischen den GMEK-Teilnehmern und die Sicherstellung einer einheitlichen Funktion der gewerblichen Infrastruktur des GMEK. Zu diesem Zweck führt der Marktrat insbesondere ein Register der GMEK-Teilnehmer, arbeitet GMEK-Geschäftsordnungen sowie standardisierte Muster für die im Rahmen des GMEK abzuschließenden Verträge aus und überwacht deren Einhaltung durch die GMEK-Teilnehmer.
Speziell zur Förderung der erneuerbaren Energien übernimmt der Marktrat folgende Funktionen:
- Anerkennung von Kraftwerken als qualifizierter Erzeuger erneuerbarer Energie. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil die Anerkennung eine Voraussetzung für den Kapazitätsverkauf zu den gesetzlich festgelegten Tarifen darstellt;
- Führung eines Registers von Zertifikaten, die den Umfang der durch erneuerbare Energiequellen erzeugten elektrischen Energie bescheinigen;
- Kontrolle über die Einhaltung der Verpflichtung zum Erwerb der durch erneuerbare Energiequellen erzeugten elektrischen Energie im festgelegten Umfang durch Abnehmer auf dem GMEK zum festgelegten Tarif.
Eine wichtige Rolle spielen Infrastrukturorganisationen auf dem GMEK, die die Funktion der technologischen und gewerblichen Infrastruktur sicherstellen. Unter den genannten Infrastrukturorganisationen ist insbesondere der sogenannte Wirtschaftliche Betreiber zu erwähnen, der den Handel auf dem GMEK organisiert. Er führt insbesondere Ausschreibungen durch und registriert die auf dem GMEK abgeschlossenen Kaufverträge über elektrische Energie und Kapazitäten.
Der Handel mit elektrischer Energie und Kapazität auf dem GMEK
Der GMEK besteht aus mehreren Segmenten mit jeweils eigenen Bedingungen für den Abschluss von Kaufverträgen über elektrische Energie.
Im Segment der regulierten Verträge erfolgt der Verkauf elektrischer Energie zu festgelegten Tarifen. Der Wirtschaftliche Betreiber wählt selbstständig Lieferanten und Abnehmer, für die der Abschluss eines Versorgungsvertrags über elektrische Energie verpflichtend ist. Auf diese Weise wird zum einen die für die Versorgung der Bevölkerung bestimmte elektrische Energie gehandelt. Daneben gehört auch der Handel mit Energie aus erneuerbaren Energiequellen in dieses Segment. Die Tarife für erneuerbare Energie sind festgelegt. Sie differieren je nach Lokalisierungsgrad der errichteten Anlage.
Auf dem Day-ahead-Markt (Spot-Markt) werden Verträge über elektrische Energie zum sogenannten Gleichgewichtspreis abgeschlossen, der vom Wirtschaftlichen Betreiber durch Vergleich und Konkurrenzabgleich der Angebote von Lieferanten und Abnehmern bestimmt wird.
Im Freihandels-Segment werden schließlich Verträge zwischen Lieferanten und Abnehmern zu den durch die Parteien vereinbarten Bedingungen (einschließlich des Preises und des Lieferumfanges) abgeschlossen.
Ein besonderer Teil des GMEK ist der Kapazitätsmarkt. Gegenstand ist der Ankauf von Energieerzeugungskapazitäten durch den Abnehmer beim Energieerzeuger. Seinem Wesen nach stellt ein solcher Vertrag eine entgeltliche Berechtigung (häufig auch Verpflichtung) der Abnehmer dar, mit den Lieferanten zukünftig Kaufverträge über bestimmte Umfänge elektrischer Energie abzuschließen.
Der Kapazitätsmarkt erfüllt folgende Aufgaben: er sichert die Finanzierung der Errichtung neuer Stromerzeugungsobjekte, deckt die konstanten Kosten der Stromerzeuger und sichert die Elektrizitätsversorgung. Ähnlich dem Energiemarkt kann der Handel auf dem Kapazitätsmarkt reguliert oder frei sein.
Eine besondere Rolle spielt aufgrund der Verordnung Nr. 449 der Kapazitätsverkauf als Maßnahme zur Förderung des Aufbaus erneuerbarer Energiequellen auf dem GMEK: hier garantiert die Einstufung einer Anlage als erneuerbare Energiequelle einen die Erstellungs- und Fixkosten deckenden Tarif für einen Zeitraum von 12 Jahren. Dies ist eine der wesentlichen Maßnahmen zur Förderung des Aufbaus erneuerbarer Energiequellen.
Fazit: Förderung erneuerbarer Energie ins System integriert
Charakteristisch für den Handel mit elektrischer Energie und Kapazität auf dem GMEK ist das Nebeneinander von marktwirtschaftlichen und regulatorischen Elementen, wobei letztere vornehmlich der Sicherung einer störungsfreien und zuverlässigen Funktion der Elektroenergetik dient.
Die Zahl der Marktteilnehmer ist naturgemäß gering. Die regulativen Elemente des GMEK haben es ermöglicht, die aktive Förderung erneuerbarer Energie in das System einzubauen, was, wie dargestellt, durch Zuteilung von Sondertarifen sowohl für Energielieferungen als auch für Kapazitätsbereitstellung erfolgt.