Die neu gefasste Chemikalien-Verbotsverordnung ist in Kraft getreten. Für Unternehmen können sich neue Anforderungen ergeben.
Die neu gefasste Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens und über die Abgabe bestimmter Stoffe, Gemische und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung – ChemVerbotsV) ist am 27. Januar 2017 in Kraft getreten. Dies war aufgrund der Änderungen im europäischen Stoffrecht längst überfällig.
Hintergrund der Neufassung
Die Chemikalien-Verbotsverordnung enthält Verbote und Beschränkungen für das Inverkehrbringen bestimmter gefährlicher Stoffe und Gemische oder Erzeugnisse, die diese Stoffe oder Gemische freisetzen oder enthalten, sowie Anforderungen für die Abgabe solcher Stoffe und Gemische. Zudem werden nationale Ausnahmen zu den unionsrechtlichen Beschränkungen statuiert.
Eine Überarbeitung der Chemikalien-Verbotsverordnung war insbesondere aufgrund der Neuregelung des europäischen Stoffrechts in der REACH– und der CLP-Verordnung und der unionsrechtlichen Regelung der Abgabevorschriften für Sprengstoffgrundstoffe in der Verordnung EU 98/2013 erforderlich. Die in der bisherigen Fassung der Chemikalien-Verbotsverordnung enthaltenen Verbote und Beschränkungen waren im Hinblick auf die Zulassungs- und Beschränkungsvorgaben der REACH-Verordnung überwiegend obsolet geworden. Zudem musste sie an den endgültig zum 01.06.2015 mit der CLP-Verordnung eingeführten GHS-Standard zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien angepasst werden. Darüber hinaus waren die Abgabevorschriften der bisher geltenden Fassung der Chemikalien-Verbotsverordnung wegen der zahlreichen Ausnahmen und Rückausnahmen, die im Laufe der Zeit eingefügt worden waren, nur noch schwer verständlich.
Bewertung der Neufassung
Die Neufassung der Verordnung behält die bisherige Grundstruktur bei: Insbesondere wird hinsichtlich der Anforderungen für die Abgabe der erfassten Stoffe und Gemische weiterhin zwischen der Abgabe im gewerblichen Bereich (Wiederverkäufer, berufsmäßige Verwender, öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- und Lehranstalten) auf der einen und an die Allgemeinheit auf der anderen Seite unterschieden. Anknüpfungspunkt sind zudem nach wie vor die Gefährlichkeitsmerkmale der jeweiligen Stoffe und Gemische. Auch die Differenzierung zwischen Erlaubnis- und Anzeigepflicht, die Anforderungen an die abgebende Person, die Unterrichtungs-, Dokumentations- und Aufbewahrungsverpflichtung sowie die Vorgaben zur Vertriebsform (Selbstbedienung, Versandhandel) bleiben im Wesentlichen unberührt.
Durch die Aufnahme der erfassten Chemikalien und der für den jeweiligen Empfängerkreis anwendbaren Vorschriften in Anlage 2 wird die Verordnung jedoch erfreulicherweise deutlich einfacher lesbar.
Wesentliche Neuerungen
Die neu gefasste Verordnung enthält neben mehreren Klarstellungen insbesondere folgende Neuerungen:
- Anlage 1 der Verordnung, in der Stoffe und Gemische genannt sind, die nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen in Verkehr gebracht werden dürfen, wurde deutlich gekürzt. Im Vergleich zur vorherigen Fassung der Chemikalien-Verbotsverordnung wurden rund 50 Stoffverbote und -beschränkungen aufgehoben, da hierfür bereits Beschränkungen gemäß REACH-Verordnungen vorgesehen sind. In Anlage 1 der Chemikalien-Verbotsverordnung werden nun nur noch die wenigen im bisherigen nationalen Regelungsbestand bereits vorhandenen und noch nicht unionsrechtlich harmonisierten Verbote und Beschränkungen fortgeführt.
- Die bisherigen Gefahrensymbole und R-Sätze gemäß der außer Kraft getretenen Stoff- und Zubereitungsrichtlinie werden durch die Gefahrenpiktogramme und H-Sätze der CLP-Verordnung ersetzt.
- Um ungewollte Ausweitungen des Anwendungsbereichs durch die Umstellung auf das Einstufungs- und Kennzeichnungssystem der CLP-Verordnung zu vermeiden, wurde in der Neufassung der Verordnung zudem überwiegend auf die Einbeziehung von Stoffen und Gemischen verzichtet, die nach der Stoff- und Zubereitungsrichtlinie mit F+ (hochentzündlich) und R40, R62, R63 und R68 (CMR-Verdachtsstoffe) zu kennzeichnen waren.
- Für die Abgabe von Stoffen, die der Erlaubnis- bzw. Anzeigepflicht unterliegen, muss ein Sachkundenachweis erbracht werden. Neu ist, dass die Sachkunde durch Fortbildungsveranstaltungen aufgefrischt werden muss. Aufgrund der vorgesehenen Übergangsvorschrift ist eine Auffrischung ab dem 01.06.2019 erforderlich, sofern die Sachkundeprüfung oder anderweitige Qualifikation bereits sechs Jahre zurückliegt. Wahlweise ist dann entweder alle sechs Jahre eine eintägige oder alle drei Jahre eine halbtägige Fortbildungsveranstaltung zu besuchen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 4 ChemVerbotsV).
- Neben der Anzeige der Aufnahme einer anzeigepflichtigen Tätigkeit ist nun auch die Aufgabe der Tätigkeit anzeigepflichtig (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ChemVerbotsV).
- Das zu Dokumentationszwecken ggf. zu führende Abgabetagebuch kann nunmehr in elektronischer Form geführt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 2 ChemVerbotsV).
- Zudem werden die von den Abgabevorschriften ausgenommenen Produkte um Methanol und methanolhaltige Gemische zur Verwendung in Brennstoffzellen sowie elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter erweitert (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 9 ChemVerbotsV).
Weitere Änderungen ab 2019
Aufgrund der unionsrechtlichen Regelung der Abgabevorschriften für Sprengstoffgrundstoffe in der Verordnung EU 98/2013 werden diese nur noch eingeschränkt und übergangsweise in der Chemikalien-Verbotsverordnung fortgeführt (Anlage 2 Eintrag 2). Ab dem 01.01.2019 wird Anlage 2 durch eine um die Sprengstoffgrundstoffe bereinigte Fassung ersetzt. Die Übergangsregelung berücksichtigt den voraussichtlichen Zeitbedarf für die vorgesehene Durchführungsrechtsetzung zur Verordnung EU 98/2013.
Hinweis für die Praxis
Aufgrund der inhaltlich von dem bisherigen Einstufungs- und Kennzeichnungssystem abweichenden Vorgaben der CLP-Verordnung ist damit zu rechnen, dass bestimmte Stoffe und Gemische, die bisher von der Chemikalien-Verbotsverordnung erfasst waren, aus dem Anwendungsbereich herausfallen und dass für andere Stoffe und Gemische, die bisher nicht erfasst waren, nunmehr die Anforderungen der Verordnung gelten. Beispielsweise dürften MDI-haltige Produkte nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen.
Unternehmen, die gefährliche Stoffe oder Gemische als solche oder in Erzeugnissen abgeben, sollten daher prüfen, ob sie noch bzw. jetzt unter die Chemikalien-Verbotsverordnung fallen und welche Anforderungen für sie gelten. Zu beachten ist hierbei auch die bis zum 01.01.2019 geltende Übergangsvorschrift gemäß § 14 Abs. 5 ChemVerbotsV, die für bereits auf dem Markt befindliche Gemische gilt, die noch nach der Zubereitungsrichtlinie eingestuft und gekennzeichnet sind.
Sofern Unternehmen erstmals unter die Chemikalien-Verbotsverordnung fallen, sind die Anforderungen umgehend umzusetzen: Sofern erforderlich, ist insbesondere ein Erlaubnisantrag gemäß § 6 Abs. 2 ChemVerbotsV zu stellen bzw. eine Anzeige gemäß § 7 Abs. 1 ChemVerbotsV zu erstatten. Zudem sollte ein System entwickelt und in den Bestellablauf eingebunden werden, das die Einhaltung der Abgabeanforderungen sicherstellt. Verstöße gegen die Chemikalien-Verbotsverordnung sind bußgeld- und teilweise auch strafbewehrt.
Unternehmen, die weiterhin unter die Chemikalien-Verbotsverordnung fallen, sollten rechtzeitig vor Ablauf der Übergangsregelung prüfen, wann Fortbildungen ihrer Mitarbeiter erforderlich werden und die entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen, die nunmehr entwickelt werden, buchen.
Schließlich sei nochmals darauf hingewiesen, dass die in der Neufassung der Chemikalien-Verbotsverordnung weggefallenen Stoffverbote und -beschränkungen in der REACH-Verordnung geregelt sind. Diese sind weiterhin zu beachten.