LKWs in Europa müssen umfangreiche Begleitpapiere mitführen. Bald können diese digital bereitgestellt werden. Das ist eine neue Chance für den E-Frachtbrief.
Am 20. August 2020 trat die Verordnung über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (Verordnung (EU) Nr. 2020/1056) in Kraft (EFBI-Verordnung). Die EFBI-Verordnung regelt die Art und Weise, wie Frachtinformationen den Behörden bereitgestellt werden können.
Auf den Umfang der obligatorischen Informationen hat die Verordnung keine Auswirkung. Ihr Anwendungsbereich ist nicht auf einzelne Transportarten beschränkt, eine besonders große Bedeutung kommt ihr aber für Straßentransporte zu.
Umfangreiche Dokumentationspflichten für Straßentransporte
Bei LKW-Transporten müssen aufgrund von europäischen und nationalen Vorschriften Dokumente zur Ladung mitgeführt werden. Das bedeutet administrativen Aufwand für Verlader und Frachtführer. So muss nach Art. 6 Nr. 2 VO (EWG) 11/1960 ein „Begleitpapier″ mit Informationen wie Art und Gewicht des Gutes, Datum der Übernahme und Ablieferungsort an Bord sein (vgl. in Deutschland auch § 7 Abs. 1 Nr. 3 GüKG).
In der Praxis gibt es verschiedene Dokumente, die hierfür verwendet werden, etwa ein CMR Letter, ein Frachtbrief, ein Speditionsauftrag, eine Ladeliste oder ähnliche Dokumente, ggf. mit Anlagen. Hinzu kommen weitere Nachweise, die etwa beim Transport von Abfällen oder Gefahrgut mitgeführt werden müssen.
Informationen statt Dokumente
Auch wenn die heutige Rechtslage das Mitführen bestimmter Papiere fordert, geht es in der Sache nicht um Urkunden, sondern um die darin enthaltenen Informationen, sowie deren Verlässlichkeit.
Die EFBI-Verordnung fokussiert sich daher nicht auf einzelne Dokumente, sondern die einschlägigen Informationen (Frachtbeförderungsinformationen), die bei den versendeten Unternehmen heute ohnehin elektronisch vorliegen und künftig auch für Kontrollzwecke (nur) elektronisch vorgehalten werden müssen.
Behörden müssen elektronische Frachtbeförderungsinformationen akzeptieren
Unternehmen können ab August 2024 Frachtbeförderungsinformationen elektronisch bereitstellen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die erforderliche Infrastruktur für ihre Kontrollbehörden einzurichten und elektronisch bereitgestellten Informationen zu akzeptieren. Die Verwendung herkömmlicher Transportdokumente bleibt möglich.
Regelung der technischen Umsetzung erfolgt durch die Kommission
Die EFBI-Verordnung beauftragt die Europäische Kommission, technische Details zu erarbeiten, insbesondere
- das Datenformat und
- die Anforderungen an die Plattformen zur Datenübermittlung.
Ein einheitliches Format soll gewährleisten, dass die Daten für alle Zugriffsberechtigten lesbar sind.
Eine Zurverfügungstellung der Daten über IT-Plattformen soll gewährleisten, dass nachvollziehbar ist, wer die Informationen erstellt hat, und dass diese nicht manipuliert wurden.
Nutzung der eigenen Plattform oder Beauftragung eines Drittanbieters?
Die Verordnung sieht keine zentrale staatliche Plattform für die Bereitstellung der Frachtbeförderungsinformationen vor. Private Unternehmen können solche Plattformen einrichten, wenn sie die Anforderungen der EU erfüllen.
Ein Plattformbetreiber wird das durch eine akkreditierte Prüfstelle zertifizieren lassen müssen.
In den kommenden Jahren werden insbesondere große Verlader daher entscheiden müssen, ob sie eigene Plattformen aufbauen und zertifizieren lassen, oder ob sie dafür auf Dienstleister zurückgreifen. Letztere wird es sicher aus der IT-Branche und aus der Logistikbranche geben. Für einen eigene Plattform könnte sprechen, dass damit eine bessere Kontrolle über sensible Daten gewahrt werden kann.
Sollte man auf Plattformdienstleister zurückgreifen, ist auf Regelungen zur Datenhoheit und Nutzungsverbote seitens der Dienstleister großen Wert zu legen. Wer nicht gezwungen sein will, sich auf anbieterfreundliche ABG eines Dienstleisters einzulassen, sollte das Thema frühzeitig angehen.
In jedem Fall empfiehlt es sich, die Optionen frühzeitig abzuwägen und passende vertragliche Regelungen mit Kunden und Dienstleistern zu vereinbaren.
Digitalisierung bedeutet das „Aus“ für rein regulatorische Dokumente
Nach der Verordnung wird das Mitführen von allen Papierdokumenten überflüssig, die allein regulatorischen Zwecken dienen, also als Nachweis gegenüber Behörden. Konkret betrifft dies etwa die Nachweise für die Verbringung von Abfällen oder Beförderungspapiere für Gefahrgut.
Da die Arbeit mit elektronischen Informationen Abläufe vereinfachen und Kosten reduzieren dürfte, kann man erwarten, dass solche Dokumente in Zukunft nur noch sehr selten in Papierform erstellt werden.
Folgen für frachtrechtlich relevante Papiere
Nicht ohne weiteres übertragbar ist das auf Dokumente, die neben dem Nachweis gegenüber Behörden noch weitere Funktionen haben. So werden als Begleit- und Beförderungspapiere in der Praxis auch Frachtbriefe verwendet. Diese vertraglichen Dokumente enthalten quasi „nebenbei″ die für behördliche Kontrollen erforderlichen Informationen.
Für Zwecke des Frachtvertrags ist es aber nicht erforderlich, bei einem Straßentransport einen Frachtbrief mitzuführen. Für rein praktische Zwecke werden die Beteiligten künftig mit den elektronischen Informationen arbeiten können, die ja ohnehin in einem allgemeingültigen Format verfügbar sein werden.
Elektronische Frachtbeförderungsinformationen: Verzicht auf den gedruckten Frachtbrief?
Daher ist fraglich, welche Relevanz der gedruckte Frachtbrief in Zukunft überhaupt noch hat. Wenn er nicht mehr als Begleitpapier genutzt wird, kann sich diese nur aus dem Zivilrecht ergeben: Sowohl im HGB als auch in der CMR dient der Frachtbrief als Nachweis des Vertragsschlusses und von Instruktionen an den Frachtführer. Außerdem wird vermutet, dass das Transportgut in einwandfreiem Zustand und in der angegebenen Menge übernommen wurde, wenn keine Vorbehalte eingetragen sind.
Inhaltlich gleichlaufende Regeln können die Parteien jedoch auch vertraglich vereinbaren und diese etwa an bestimmte Einträge in IT-Systemen knüpfen. Zwar hat der Frachtführer nach § 408 Abs. 1 HGB einen Anspruch auf Ausstellung eines Frachtbriefs. Auch Art. 4 CMR geht davon aus, dass ein Frachtbrief ausgestellt wird. Trotzdem können die Parteien sich im Zivilrecht für einen anderen Weg entscheiden.
Neue Chance für den elektronischen Frachtbrief
Eine weitere Möglichkeit, Papierdokumente zu reduzieren, bietet der elektronische Frachtbrief. Dieser ist im HGB vorgesehen, hat aber bislang nur eine geringe praktische Bedeutung.
Nach § 408 Abs. 3 HGB muss nämlich sichergestellt sein, dass die „Authentizität und die Integrität″ der elektronischen Aufzeichnung gewahrt bleibt. Was dazu erforderlich ist, wurde bisher noch nicht geklärt. Die Bundesregierung hat von ihrer Möglichkeit, diese unbestimmten Begriffe in einer Rechtsverordnung zu konkretisieren, keinen Gebrauch gemacht.
Das Zusatzprotokoll zur CMR zum elektronischen CMR-Frachtbrief (das Deutschland bislang nicht ratifiziert hat) enthält vergleichbare Anforderungen.
Schützenhilfe der Union für HGB und CMR
Die EFBI-Verordnung könnte – zumindest faktisch – für eine Klärung dieser Anforderungen sorgen: Nach deren Art. 9 Abs. 1 lit. e und j müssen die Plattformen über eine „eindeutige, die Identifizierung ermöglichende elektronische Verbindung″ arbeiten und die Daten gegen „Verfälschung und Diebstahl″ schützen. Welche technischen Anforderungen hierfür zu erfüllen sind, wird die Kommission in Einzelnen festlegen.
Vieles spricht dafür, dass eine Plattform, die diesen Anforderungen entspricht und zertifiziert ist, auch den Vorgaben des HGB und des Zusatzprotokolls zur CMR entspricht. Über solche Plattformen ließen sich dann auch weitere Informationen zum Frachtvertrag übermitteln – als E-Frachtbrief.
Im Zuge der ohnehin zu erwartenden Umstellungen und Investitionen bietet sich damit die Chance, mit überschaubarem Mehraufwand auch gleichzeitig auf elektronische Frachtbriefe umzustellen. Diese vollständige Digitalisierung dürfte sowohl dem Frachtführer als auch der Ladungsseite einen echten Mehrwert bieten.