Der Bundesrat ebnet den Weg zur Bauplanungsrechtsnovelle. Zentrale Ziele sind die Nutzungsmischung in Innenstädten und die Erleichterung des Wohnungsbaus.
Nachdem der Bundestag am 09. März 2017 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt (im Folgenden: Bauplanungsrechtsnovelle 2017) verabschiedet hatte, hat dieses am 31. März 2017 den Bundesrat passiert.
Das Gesetz sieht Änderungen im BauGB, der BauNVO und der Planzeichenverordnung vor. Wir fassen die wichtigsten Neuerungen zusammen.
Das „urbane Gebiet“ als Herzstück der Bauplanungsrechtsnovelle 2017
Wohnen, Arbeiten und Freizeit in unmittelbarer Umgebung – so stellt sich der Gesetzgeber die „nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege“ vor. Das neu geschaffene „urbane Gebiet“ soll für eine lebendige und vielfältige Stadtgesellschaft sorgen, gleichzeitig aber auch die Neuinanspruchnahme von Flächen verringern. Damit steht die Novellierung in einer Linie mit den Städtebaurechtsnovellen von 2007 und 2013. Diese dienten insbesondere dem Ziel, die Innenentwicklung gegenüber einer Inanspruchnahme von Flächen „auf der grünen Wiese“ zu stärken.
Zentraler Bestandteil und Herzstück der Novelle ist die Einführung des urbanen Gebiets (MU) als neue Kategorie der Baugebiete, die durch Bebauungsplan festgesetzt werden können. Die Zweckbestimmung der neuen Gebietskategorie beschreibt der neue § 6a Abs. 1 BauNVO wie folgt:
Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein.
Sowohl mit der Bestimmung dieser Nutzungsmischung, als auch mit dem Verzicht auf deren Gleichgewichtigkeit, stellt die neue Gebietskategorie ein Novum dar. Im Übrigen ist schon aus der Zweckbestimmung ersichtlich, dass die neue Gebietskategorie nicht nur redaktionell zwischen dem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) und dem Kerngebiet (§ 7 BauNVO) angesiedelt ist.
Die allgemein zulässigen Nutzungen im urbanen Gebiet entsprechen denen der Nummern 1 bis 5 von Mischgebieten. Allgemein zulässig sind demnach (§ 6a Abs. 2 BauNVO n.F.):
- Wohngebäude,
- Geschäfts- und Bürogebäude,
- Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
- sonstige Gewerbebetriebe,
- Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
Lediglich die in den Nummern 6 bis 8 des § 6 Abs. 2 BauNVO für Mischgebiete festgelegten allgemein zulässigen Nutzungen finden sich in § 6a Abs. 2 BauGB n.F. nicht wieder. Im urbanen Gebiet sind demnach – wenig urbane – Gartenbaubetriebe sowie Tankstellen und Vergnügungsstätten nicht allgemein zulässig.
Ausnahmsweise zugelassen werden können Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind, sowie Tankstellen (§ 6a Abs. 3 BauNVO n.F.). Daneben erlaubt § 6a Abs. 4 BauNVO n.F. näher geregelte besondere Festsetzungen.
Mit dem neu geschaffenen urbanen Gebiet will der Gesetzgeber den Kommunen mehr Flexibilität einräumen. Das Bauen auch in stark verdichteten städtischen Gebieten oder Gewerbegebieten wird erleichtert. Abzuwarten bleibt, inwieweit die Kommunen von den neuen Spielräumen Gebrauch machen. Alles in allem ist aber zu erwarten, dass die intendierte Nutzungsmischung zu einer Belebung der Innenstädte beitragen und das Stadtbild unserer Großstädte erkennbar verändern wird.
Innenstädte: Wenig Platz, gut genutzt
In Innenstädten sind freie Flächen ein rares Gut. Dichter und höher zu bauen soll daher eine effektivere Flächennutzung ermöglichen: Die Grundflächenzahl des urbanen Gebiets liegt mit 0,8 zwischen der für Kern- und Mischgebiete und erlaubt somit eine dichte Bebauung. Dennoch lässt sie den nötigen Raum für die gewünschte Nutzungsmischung. Die Geschossflächenzahl entspricht mit 3,0 dem auch für Kerngebiete geltenden maximalen Wert nach der BauNVO. Damit wird angesichts des knappen Flächenangebots in Innenstädten ein Bauen in die Höhe ermöglicht.
Parallel zur Bauplanungsrechtsnovelle 2017 soll die TA Lärm angepasst werden. Dem hat der Bundesrat nur nach Maßgabe von Änderungen zugestimmt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah für das urbane Gebiet Lärm-Immissionsrichtwerte von tags 63 dB(A) und nachts 48 dB(A) vor. Die Werte lägen damit um jeweils 3 dB(A) über den Werten für Kern- und Mischgebiete. Diese Regelung war bereits im Vorfeld umstritten.
Der Bundesrat hat nun lediglich dem neuen Immissionsrichtwert von tags 63 dB(A) zugestimmt. In der Nacht soll es beim bisherigen Richtwert von 45 dB(A) bleiben. Begründet wird dies mit wissenschaftlichen Erkenntnissen des Gesundheitsschutzes. Darüber hinaus sehe auch das bestehende Rechtssystem für Mischgebiete als lauteste Gebiete, in denen dauerhaft und von jedermann gewohnt werden dürfe, einen Höchstwert von 45 dB(A) in der Nacht vor. Die Bundesregierung muss sich mit der Änderung nun nochmals befassen. Die endgültige Regelung bleibt abzuwarten.
Erleichterung des Wohnungsbaus – im Innenbereich wie auf der „grünen Wiese“
Ein weiteres Ziel der Novelle ist die Erleichterung des Wohnungsbaus. Dem dient die Änderung des § 34 Abs. 3a Nr. 1 BauGB. Danach war bislang im unbeplanten Innenbereich ein Absehen vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung möglich, wenn ein Gewerbe- oder Handwerksbetrieb zu Wohnzwecken umgenutzt werden sollte.
Künftig umfasst die Regelung die Nutzungsänderung sämtlicher baulicher Anlagen, also nicht nur von Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, zu Wohnzwecken. Damit wird der Anwendungsbereich wesentlich erweitert.
Darüber hinaus gibt der Gesetzgeber dem Plangeber Erleichterungen zur Schaffung neuen Wohnraums auf der „grünen Wiese“ an die Hand. So erweitert der neue § 13b BauGB n.F. den Anwendungsbereich des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen.
Das beschleunigte Verfahren gilt künftig entsprechend für „kleine“ Bebauungspläne (Grundfläche von weniger als 10 000 m2), die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründen, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Wenn Kommunen solche Planungen in Ortsrandlagen beabsichtigen, müssen sie sich jedoch beeilen: Die Regelung ist befristet bis zum 31. Dezember 2019.
Die Vereinfachung von Nutzungsänderungen zu Wohnzwecken ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele ebenso konsequent, wie die Regelungen zur Bebauungsdichte für die neue Gebietskategorie und die Anpassung der TA Lärm. Die zeitliche Befristung des § 13a BauGB n.F. ist hingegen knapp bemessen. Kommunen sollten entsprechende Planvorhaben zeitnah umsetzen, um in den Genuss des beschleunigten Verfahrens zu kommen.
Weitere städtebaurechtliche Neuerungen: Vorbeugung von Störfällen, Verhinderung von Rollladensiedlungen und Ferienwohnungen als Gewerbebetriebe
Flankierende Regelungen enthält die Novelle zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (Seveso-III-Richtlinie). Im Baurecht erlaubt die Neuregelung den Kommunen zum einen gezielte Festsetzungen für bauliche und sonstige technische Maßnahmen an Gebäuden zur Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 c) BauGB n.F.). Zum anderen bietet sie eine Steuerungsmöglichkeit für die Ansiedlung von Nutzungen und Gebäuden in der Nähe von Störfallbetrieben (§ 9 Abs. 2c BauGB n.F.).
Ferner sieht die Novelle Regelungen zu Nebenwohnungen (Zweitwohnungen) im Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung vor. Die Gemeinden sollen „Rollladensiedlungen“ durch einen großen Anteil von Zweitwohnungen wirksamer eindämmen können.
Zwar erlaubt § 22 BauGB bereits bisher, für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum Genehmigungsvorbehalte einzuführen. Entsprechende kommunale Satzungen können aber durch die Bildung von Bruchteilseigentum nach § 1008 BGB umgangen werden, das bislang nicht von § 22 BauGB umfasst ist. Die Reform schließt diese Lücke.
Ein neuer § 13a BauNVO n.F. ordnet künftig Ferienwohnungen „in der Regel“ den nicht störenden bzw. sonstigen Gewerbebetrieben im Sinne der BauNVO zu. Gesetzgeberischer Regelungsbedarf bestand, weil in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit über die einschlägige Nutzungsart herrschte.
Die herrschende Rechtsprechung sah in der Nutzung als Ferienwohnung mangels Dauerhaftigkeit keine Wohnnutzung. Die weitere Einordnung war unter den Gerichten streitig: Eine Zuordnung als Beherbergungs- oder Gewerbebetrieb wurde ebenso vertreten wie die Auffassung, dass keine dieser Nutzungsarten einschlägig sei. Insofern wird nun Rechtssicherheit hergestellt.