Beschleunigung von Unternehmensgründungen, Unterstützung bei der Start-up-Finanzierung, Förderung von Gründerinnen – das sind die Versprechen der Ampel-Parteien.
Deutschland soll führender Start-up-Standort in Europa werden: Das ist eines der ambitionierten Ziele der künftigen Regierung in ihrem Koalitionsvertrag. Hierfür setzen die Ampel-Parteien auf eine „umfassende Start-up-Strategie“.
Wir stellen vor, was diese Strategie im Einzelnen umfasst und welche Versprechen der Koalitionsvertrag für die deutsche Start-up-Szene beinhaltet.
„One-Stop-Shops“ zur Unternehmensgründung
Die strikten Formvorschriften, die fehlende Digitalisierung, die lange Dauer des Gründungsprozesses – all dies sind bekannte Hindernisse, die Gründern in Deutschland das Leben schwer machen. Diese Hürden wollen die Koalitionäre abbauen und flächendeckende „One-Stop-Shops“ schaffen, also Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung. Gepaart mit einer weitreichenden Digitalisierung des Gesellschaftsrechts sollen dadurch Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden ermöglicht werden.
Die Idee klingt vielversprechend, aber es wird auf die konkrete Umsetzung ankommen. Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, sind z.B.: Wie werden die Notare eingebunden, die jedenfalls für die Gründung und Anmeldung eines Start-ups in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft nach der derzeitigen Rechtslage zwingend erforderlich sind? Welche Kompetenzen hat diese zentrale Anlaufstelle, ist sie z.B. auch für die Entgegennahme von Anträgen für Genehmigungen, beispielsweise nach der Gewerbeordnung, zuständig? Welche Schritte einer Unternehmensgründung können künftig rein online erledigt werden?
Abschluss von Finanzierungsrunden per Video-Call?
Diese Idee der Vereinfachung und Entformalisierung setzt sich auch an anderen Stellen des Koalitionsvertrags fort. So sieht dieser auch vor, dass Beurkundungen per Videokommunikation möglich sein sollen, und zwar auch bei komplizierteren Verfahren wie Gründungen mit Sacheinlage. Hauptversammlungen bei der Aktiengesellschaft sollen dauerhaft online durchgeführt werden können.
Ob diese Vorhaben in der Konsequenz bedeuten, dass sich Gründer und Investoren in Zukunft nicht mehr beim Notar treffen, sondern sich bloß per Teams oder Zoom mit dem Notar zusammenschalten, bleibt abzuwarten. Es ist aber ein richtiger und längst überfälliger Schritt, um den oft diskutierten Wettbewerbsnachteil des deutschen Gesellschaftsrechts, insbesondere gegenüber dem angloamerikanischen Raum, abzubauen.
Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die drei Kernthemen, die sich auch im Start-up-Kontext durch den Koalitionsvertrag ziehen. Nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch an Hochschulen, Forschungsinstituten und durch gezielte Science-Entrepreneurship-Initiativen sollen Innovationen gefördert und soll eine flächendeckende Gründungsinfrastruktur geschaffen werden.
Die Regierungsparteien beabsichtigen die Gründung einer Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) und wollen Ausgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen stärker forcieren. Damit dies gelingt, will die zukünftige Regierung auch Mittel des Bundes bereitstellen und im Rahmen der bestehenden Förderstrukturen die Entwicklungsschritte von der Innovation hin zum Markteintritt unterstützen. Gefördert werden dabei insbesondere solche Geschäftsmodelle, die grundlegende Innovationen hervorbringen, technologische Vorsprünge sichern oder besonders nachhaltig sind.
Für FinTechs, InsurTechs, Plattformen, NeoBroker und weitere Start-ups mit hohem Innovationspotential soll Deutschland einer der führenden Standorte innerhalb Europas werden. Neue Technologien, wie z.B. Blockchain, sollen gezielt gefördert werden, allerdings innerhalb eines angemessenen regulatorischen Rahmens und unter einer gemeinsamen europäischen Aufsicht. Was das konkret bedeutet und wie eng der regulatorische Rahmen insbesondere für Kryptoassets gesteckt werden wird, bleibt abzuwarten. Hier europaweit gültige Standards zu schaffen, ist angesichts der grenzüberschreitenden Tätigkeit der meisten FinTechs, InsurTechs und sonstigen Plattformen im Bereich der digitalen Finanzdienstleistungen auf jeden Fall begrüßenswert und würde zu mehr Rechtssicherheit und Planbarkeit für diese Unternehmen führen.
Zugang zum Wagniskapitalmarkt für institutionelle Investoren und Rolle der KfW
Unter dem vielsagenden Stichwort „Zukunftsinvestitionen“ versprechen die Ampel-Parteien der Venture-Capital-Szene besseren Zugang zu Wagniskapital. Sie beabsichtigen, den Wagniskapitalmarkt – endlich – auch für deutsche institutionelle Investoren zu öffnen. Dadurch soll das private Kapital institutioneller Anleger, wie Versicherungen und Pensionskassen, für die Start-up-Finanzierung mobilisiert werden. Flankierend wird die Rolle der staatlichen Förderbank KfW aufgewertet und deren Kapitalbasis, wenn nötig, gestärkt. Diese soll als Innovations- und Investitionsagentur sowie als Co-Wagniskapitalgeber wirken, insbesondere für die von den Koalitionären als besonders förderungswürdig eingestuften Branchen KI, Quantentechnologie, Wasserstoff, Medizin, nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft. Auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank soll gezielt ausgeweitet werden.
Von dieser Finanzierung durch institutionelle Anleger dürften aufgrund des Risikoprofils voraussichtlich reifere Start-ups überdurchschnittlich profitieren. Insgesamt ist dieser Schritt aber sehr zu begrüßen. Bisher sind es vielfach ausländische institutionelle Investoren, die deutsche Start-ups in der Wachstumsphase mit viel frischem Kapital versorgen. Möchte man Deutschland als Innovationsort stärken und gleichzeitig Wissenstransfer ins Ausland verhindern, braucht es einheimische Investoren, die in die Start-up-Szene investieren.
Erleichterung für öffentliche Ausschreibungen und Börsengänge
Schließlich will auch der Staat selbst von innovativen Geschäftsmodellen profitieren und Start-ups und jungen Unternehmen einen vereinfachten, rechtssicheren Zugang zu öffentlichen Aufträgen ermöglichen. Öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungsprozesse sollen für Start-ups einfacher gestaltet werden und dadurch soll mehr privates Kapital für Transformationsprojekte aktiviert werden. Wie dies im Kontext des stark regulierten Vergaberechts konkret umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Details hierzu nennt der Koalitionsvertrag nicht.
Die zukünftige Regierung beabsichtigt zudem, Börsengänge und Kapitalerhöhungen sowie Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten (Dual Class Shares) in Deutschland gerade auch für Wachstumsunternehmen und KMUs zu erleichtern. Auch dieser Schritt führt im Ergebnis zu einer Angleichung an die Standards des angloamerikanischen Rechts und soll erfolgreiche Start-ups davon abhalten, ihren Börsengang nur deshalb an der New York Stock Exchange oder anderen ausländischen Börsen zu platzieren, weil über die Dual Class Shares dort die Möglichkeit besteht, durch das IPO Kapital einzuwerben, aber gleichzeitig die Kontrolle über das Unternehmen durch Zeichnung von mit Stimmrechten ausgestatteten Aktien zu behalten.
Mitarbeiterbeteiligung und Gründerinnen-Förderung
Sonstige Versprechen der zukünftigen Regierungsparteien mit Bezug zur Start-up-Szene beinhalten die Steigerung der Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und die Anhebung der Frauenquote unter den Gründern durch eine gezielte Förderung von Gründerinnen.
Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung soll durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags attraktiver werden. Außerdem plant die zukünftige Regierung einen erleichterten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung, von dem auch Selbstständige sowie Gründerinnen und Gründer profitieren.
Durch ein spezielles Gründerinnen-Stipendium sollen Gründerinnen besseren Zugang zu Wagniskapital erhalten. Auch einen Teil des Anfang 2021 gegründeten Zukunftsfonds möchte die zukünftige Regierung speziell für Gründerinnen reservieren. Was genau das Gründerinnen-Stipendium beinhaltet – „nur“ finanzielle Unterstützung oder auch Coaching, Zugang zu ausgewählten Netzwerken oder sonstige Unterstützungsleistungen –, nennt der Koalitionsvertrag nicht. In der Zusammenschau mit der erfolgreichen Initiative #stayonboard und der Neuregelung des „FüPoG II“, wonach Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, SE-Direktoren und GmbH-Geschäftsführer künftig Anspruch auf familiär bedingte und haftungsfreie Auszeiten haben, ist die gezielte Förderung von Gründerinnen, wie auch immer sie im Detail ausfallen wird, ein zu begrüßender Schritt hin zu mehr Diversität in der Gründerszene.
In unserer Blog-Serie „Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages“ halten wir Sie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrages für in den verschiedenen Sektoren tätige Unternehmen auf dem Laufenden.