Sowohl die Automobilbranche als auch der chinesische Markt haben zuletzt eher selten für positive Schlagzeilen gesorgt. Es gibt dennoch Grund für Optimismus.
Die deutschen Autohersteller erzielen über 30% Ihres Umsatzes auf dem chinesischen Markt. Dies geschieht zum Teil mit eigener Fertigung vor Ort in China, wo zumeist Modelle des unteren und mittleren Preissegments produziert werden. Die Oberklassemodelle hingegen werden überwiegend außerhalb Chinas hergestellt und nach China exportiert.
Für beide Geschäftsmodelle gibt es erfreuliche Neuigkeiten infolge geänderter rechtlicher Rahmenbedingungen in China. Bei Produktion im Land können deutsche Hersteller vom Wegfall des Joint Venture-Zwangs profitieren, beim Export nach China von den reduzierten Einfuhrzöllen.
Joint Ventures bereits in vielen chinesischen Industriebereichen kein Zwang mehr
Wenig ist dem deutschen Wirtschaftsinteressierten geläufiger als das Vorurteil, in China müssten alle ausländischen Unternehmen Joint Ventures gründen, um wirtschaftlich tätig zu werden. Das stimmt nicht, hat doch der chinesische Foreign Investment Guideline Catalogue schrittweise immer mehr Industriebereiche vom Joint Venture-Zwang befreit, so dass vielfach längst 100%-ige Tochtergesellschaften (Wholly foreign-owned Enterprises bzw. „WFOEs“) erlaubt sind.
Ein Industriebereich, der aufgrund seiner Bedeutung für die deutsche Wirtschaft hierzulande stark die Vorstellung von den Gegebenheiten in China prägt, unterlag jedoch tatsächlich bis zuletzt dem Joint Venture-Zwang: In der Automobilindustrie sind Joint Ventures vorgeschrieben, bei denen der ausländische Partner höchstens 50% der Geschäftsanteile halten darf. Zudem sind pro Investor nur maximal zwei Joint Ventures in China erlaubt.
Als Grund dieser Regelung wird allgemein angenommen, dass der chinesische Gesetzgeber vor vielen Jahren die Automobilfertigung als Schlüsseltechnologie erkannte, in der die einheimischen Hersteller nicht abgehängt werden sollten. Know-how-Transfers innerhalb der Joint Venture sollten den ausländischen Technologievorsprung einebnen. Der Joint Venture-Zwang betraf jedoch auch hier nur die Endfertigung von Kraftfahrzeugen, während Automobilzulieferer seit jeher in der Form eines WFOEs bestehen konnten.
Wegfall des Joint Venture-Zwangs auch bei der Automobilendfertigung
Diese Beschränkung ausländischer Unternehmen auf Joint Ventures wird nun auch für die Endfertigung von Kraftfahrzeugen ein Ende finden. Der Markt ist offenbar gesättigt; in Großstädten wie Beijing und Shanghai dürfen neue PKW nur streng kontingentiert in kostspieligen Losverfahren zugelassen werden. Der technologische Vorsprung der ausländischen Hersteller scheint abgenommen zu haben, das Hauptziel der Joint Ventures, d.h. Know-how-Transfers in den Joint Ventures an den chinesischen Partner, somit erreicht.
Hinzu kommt das geringere Zukunftspotential der Verbrennungstechnologie insgesamt – China verfolgt ein groß angelegtes Förderprogramm für Elektromobilität. All dies hat die chinesische Regierung dazu bewogen, den Joint Venture-Zwang schrittweise aufzuheben. Den Anfang machen Fahrzeuge mit alternativem Antrieb (sog. New Energy Vehicles), deren Endfertigung bereits seit 2018 auch durch WFOEs betrieben werden darf. Im Jahre 2020 wird die Endherstellung von LKW folgen und im Jahre 2022 die Endherstellung konventioneller PKW, die dann sämtlich auch in WFOEs produziert werden dürfen. Auch die Beschränkung auf höchstens zwei Joint Ventures in China durch denselben Investor wird dann fallen.
Vereinzelt haben ausländische Autohersteller bereits darauf reagiert und angekündigt, Geschäftsanteile an derzeitigen 50-50 Joint Ventures zu Mehrheitsbeteiligungen auszubauen, sobald 2022 die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sein werden.
Niedrigere Einfuhrzölle in China für ausländische Fahrzeuge
Seit dem 1. Juli 2018 hat China den Einfuhrzoll für ausländische Fahrzeuge sowie Fahrzeugteile gesenkt. Für 139 im Ausland produzierte Fahrzeugmodelle gilt nun statt der bisherigen 20% bzw. 25% ein einheitlicher reduzierter Einfuhrzoll von lediglich 15%. Für 79 Arten von im Ausland produzierten Fahrzeugteilen gilt statt der bisherigen 8% bzw. 25% ein einheitlicher reduzierter Einfuhrzoll von lediglich 6%.
Dies kommt sowohl ausländischen als auch chinesischen Herstellern zugute. Erstere profitieren davon direkt, letztere indirekt, sofern sie Fahrzeugteile aus dem Ausland für ihre Fertigung in China beziehen und diese nunmehr günstiger einkaufen können. In erster Linie erfreulich ist dies jedoch für die deutschen Hersteller. Legt man zugrunde, dass in China ein ausländisches Importfahrzeug der deutschen Oberklassehersteller EUR 400.000 kosten kann, hat eine Zollsenkung von 25% auf 15% einen Vorteil von EUR 40.000 pro Fahrzeug zur Folge, der an den Verbraucher weitergegeben werden oder der Marge zugutekommen kann.
Nicht von der Zollsenkung profitieren können hingegen in den USA hergestellte Fahrzeuge sowie Fahrzeugteile. Für sie gelten im Zuge des US-chinesischen „Handelskriegs“ aktuell sogar erhöhte „Strafzölle“. Diese reichen von 25% bis zu 40% für Fahrzeuge sowie 6% bis 35% für Fahrzeugteile. Die gegen US-Produkte gerichteten Zölle sind auch der Grund dafür, dass bei vielen deutschen Autoherstellern im laufenden Jahr wenig Freude aufkam. Zwar profitieren sie von der Zollsenkung beim Import von in Deutschland gefertigten Fahrzeugen nach China (15% für bestimmte Modelle, siehe oben). Zugleich produzieren einige deutsche Hersteller jedoch in den USA vor allem zahlreiche SUV-Modelle. Beim Import dieser von chinesischen Kunden besonders gefragten Modelle schlagen dann bedauerlicherweise die Strafzölle zu Buche (25% bis 40%, siehe oben).
Weiterer Verlauf des Handelskriegs nicht absehbar – vorläufig Waffenstillstand
Die globale Verflechtung der Automobilwirtschaft könnte kaum besser als an diesem Beispiel verdeutlicht werden. Deutschland als Gewinner des US-chinesischen Handelskriegs zu sehen, greift daher zu kurz. Insgesamt sind die chinesischen Zollsenkungen für nichtamerikanische Hersteller aus deutscher Sicht jedoch zu begrüßen und werden sicherlich zu einem Schub bei den Importen von Fahrzeugen aus deutscher und europäischer Herkunft führen. Nicht alle deutschen Hersteller produzieren zudem überhaupt in den USA.
Am 14. Dezember 2018 hat die Zolltarifkommission des Staatsrates der VR China schließlich eine Bekanntmachung erlassen, gemäß der die Strafzölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile aus US-Produktion vorerst für drei Monate ausgesetzt werden. Dies ist als Teilerfolg der Verständigungsbemühungen am Rande des G20-Gipfels in Argentinien vor einigen Wochen zu sehen. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen beiden Staaten im Zollstreit ist damit eröffnet.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie „M&A im Zeichen des Wandels der Automobilindustrie“. Erschienen sind Beiträge zur „M&A und DSGVO – Wirtschaftssektoren in der digitalen Transformation″, zu der „Automobilbranche in China″ sowie Tipps zur Automotive M&A in unberechenbaren Zeiten. Zuletzt erschien der Beitrag zum Acqui-Hire – Know-how auf Knopfdruck für die Automobilbranche.