Social Media Wahlwerbung birgt rechtliche Risiken – unzulässige Werbung über dienstliche Kanäle kann Betriebsratswahlen anfechtbar machen.
Flyer und Aushänge waren gestern – der Wahlkampf zur Betriebsratswahl 2026 findet zunehmend digital statt. WhatsApp-Gruppen, LinkedIn-Posts und Instagram-Stories ersetzen das Schwarze Brett. Doch wer online wirbt, bewegt sich rechtlich schnell auf dünnem Eis.
Ein Fall vor dem LAG Köln zeigt: Unzulässige Wahlwerbung über dienstliche Kanäle kann zur Anfechtung der Wahl führen. Besonders für Arbeitgeber* ist Vorsicht geboten – denn sie tragen nicht nur die Verantwortung für faire Rahmenbedingungen, sondern im Ernstfall auch die Kosten einer erfolgreichen Wahlanfechtung. Was erlaubt ist, wo die Grenzen verlaufen und worauf Unternehmen jetzt achten sollten, lesen Sie in diesem Beitrag.
1. Wahlwerbung ist erlaubt – aber nicht grenzenlos
Im Grundsatz ist Wahlwerbung zulässig und durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG sowie für Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt. Auch pointierte Aussagen und Kritik an Mitbewerbern sind grundsätzlich erlaubt.
Aber Vorsicht: Die Grenze ist dort erreicht, wo Aussagen ehrverletzend, diffamierend oder hetzerisch sind. In solchen Fällen kann das Verhalten als unzulässige Wahlbeeinflussung im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG gewertet werden – mit potenziellen strafrechtlichen Folgen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) und der Möglichkeit, die Wahl anzufechten.
Das gilt selbstverständlich auch online – etwa bei der Verbreitung von Memes, überhitzten Kommentaren oder unsachlicher Polemik in sozialen Netzwerken.
2. LAG Köln: WhatsApp-Wahlwerbung führte zur Wahlanfechtung
Ein aufsehenerregender Fall vor dem LAG Köln zeigt, wie der Missbrauch dienstlicher Ressourcen und Funktionen im digitalen Wahlkampf zur Unwirksamkeit der Wahl führen kann (Beschluss v. 6. Oktober 2023 – 9 TaBV 14/23)
Ein Wahlvorstandsvorsitzender, zugleich Betriebsratsvorsitzender und Disponent, nutzte seine Stellung, um über WhatsApp-Broadcast-Nachrichten zur Wahl seiner Liste aufzurufen und konkurrierende Listen zu kritisieren. Grundlage dafür waren dienstlich erhaltene Kontaktdaten zahlreicher Beschäftigter.
Das ArbG Köln erklärte die Wahl bereits in erster Instanz für unwirksam (11 BV 101/22) – das LAG Köln bestätigte diese Entscheidung.
Kernproblem: Der Kandidat hatte privilegierte Ressourcen (Kontaktdaten, Kommunikationskanal mit Betriebsratsbezug) genutzt und damit gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen. Andere Kandidaten hatten keine vergleichbare Möglichkeit zur Wahlwerbung.
3. Chancengleichheit gilt auch digital
Der Grundsatz der Chancengleichheit ist zwar nicht explizit im BetrVG geregelt, gilt aber als wesentlicher allgemeiner Wahlgrundsatz (§ 19 Abs. 1 BetrVG). Danach müssen alle Kandidierenden unter vergleichbaren Bedingungen werben können.
Verstöße im digitalen Bereich gegen diesen Grundsatz können beispielsweise vorliegen, wenn:
- ein Kandidat Zugriff auf die Social-Media-Kanäle des Betriebsrats oder Unternehmens nutzt, um ausschließlich für sich zu werben,
- ein Mitarbeiter mit Admin-Zugängen zu Firmenkanälen eigene Wahlkampfinhalte repostet,
- bestimmte Kandidaten bevorzugt über Firmenkanäle präsentiert werden oder
- der Arbeitgeber einzelnen Kandidaten Werbeplattformen zur Verfügung stellt, während andere ausgeschlossen werden.
4. Arbeitgeber müssen sich zurückhalten, aber nicht komplett schweigen
Arbeitgebern ist im Wahlkampf nicht jede Äußerung untersagt. Nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss v. 25. Oktober 2017 – 7 ABR 10/16) dürfen sie sich grundsätzlich kritisch zum bestehenden Betriebsrat äußern oder Sympathien bekunden – sofern keine Vorteile gewährt oder Nachteile angedroht werden (§ 20 Abs. 2 BetrVG).
Ein komplettes Neutralitätsgebot würde in der Praxis zu erheblichen Unsicherheiten führen. Dennoch dürfen keine Maßnahmen ergriffen werden, die einzelne Kandidaten oder Listen organisatorisch, technisch oder finanziell unterstützen – sei es durch Geldmittel, Dienstleister oder interne Kommunikationsstrukturen.
Fazit: Digitale Wahlwerbung mit Augenmaß
Die Betriebsratswahlen 2026 werden digitaler denn je. Social Media bietet neue Möglichkeiten für Sichtbarkeit und Dialog, aber auch neue rechtliche Stolperfallen. Alle Beteiligten sollten die Spielregeln kennen und befolgen. Arbeitgeber haben während der Betriebsratswahl eine besondere Verantwortung. Zwar dürfen sie sich grundsätzlich auch kritisch zur bisherigen Zusammenarbeit mit dem bisherigen Betriebsrat äußern, doch sind organisierte Einflussnahmen oder einseitige Unterstützungsmaßnahmen – auch auf Social Media – verboten. Um rechtssicher zu handeln, sollten Arbeitgeber es vermeiden, die Nutzung von besonderen Unternehmensressourcen z.B. durch bestimmte, begrenzte, Kanäle für Wahlkampfzwecke einzelner Kandidaten zu ermöglichen.
Denn: Demokratische Wahlen leben vom fairen Wettbewerb. Wer digitale Kommunikation klug und rechtssicher einsetzt, kann zur Legitimität des Betriebsrats beitragen – und das Vertrauen in betriebliche Mitbestimmung stärken.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.