13. Oktober 2025
Betriebsratswahl Matrixstruktur
Betriebsratswahl 2026 – Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen

Betriebsratswahlen in Matrixstrukturen – Ein Update

Welche Auswirkungen hat die BAG-Entscheidung zum Wahlrecht von Matrix-Führungskräften in Matrixorganisationen?

Matrixstrukturen sind in der modernen Arbeitswelt weit verbreitet. In Matrixorganisationen arbeiten Mitarbeiter und Führungskräfte* verschiedener Betriebe und/oder Konzernunternehmen funktions- bzw. projektbezogen über die klassischen Betriebs- bzw. Unternehmensgrenzen hinweg zusammen. 

Matrixorganisationen werfen zahlreiche Rechtsfragen auf, nicht zuletzt aus arbeitsrechtlicher Sicht. Viele Fragen ranken sich dabei um die sog. Matrix-Führungskräfte, also Führungskräfte, die Mitarbeiter eines anderen Betriebes oder Unternehmens führen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu eine wichtige Entscheidung getroffen (Beschluss v. 22. Mai 2025 – 7 ABR 28/24). Sie betrifft das aktive Wahlrecht von Matrix-Führungskräften. Die Entscheidung ist mit Blick auf die im Frühjahr 2026 turnusmäßig anstehenden Betriebsratswahlen von großer Bedeutung, ist sie doch unter anderem für die Aufstellung der Wählerlisten relevant, für die vielerorts die Vorbereitungen bereits angelaufen sind. Sie reicht aber weit über die Betriebsratswahlen hinaus. 

Die Entscheidungsgründe lassen weiterhin auf sich warten. Sobald sie vorliegen, werden wir diesen Beitrag aktualisieren. Arbeitgeber sind aber gut beraten, nicht weiter zuzuwarten, sondern sich schon jetzt die Karten zu legen.  

Wahlrecht von Matrix-Führungskräften bei Betriebsratswahlen: Uneinheitliche Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte

Wahlberechtigt bei einer Betriebsratswahl sind alle Arbeitnehmer eines Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 S. 1 BetrVG) und keine leitenden Angestellten sind (§ 5 Abs. 3 BetrVG), zudem Leiharbeitnehmer, wenn sie länger als drei Monate in dem Betrieb eingesetzt werden (§ 7 S. 2 BetrVG). Voraussetzung ist somit unter anderem die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung des jeweiligen Arbeitnehmers zu dem Betrieb, in dem die Wahl stattfindet. 

Die Zuordnung von Matrix-Führungskräften, die (auch) Mitarbeiter eines anderen Betriebes oder mehrerer anderer Betriebe führen, erfolgte bislang zumeist nur zu einem Betrieb, nämlich dem Betrieb, dem sie arbeitsvertraglich zugeordnet sind oder in dem der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt (oft „Stammbetrieb“ genannt). Mehrere Landesarbeitsgerichte hatten sich nach den letzten Betriebsratswahlen mit der Frage zu befassen, ob das Wahlrecht von Matrix-Führungskräften hierauf beschränkt ist oder ob sie nicht vielmehr in mehreren Betrieben wahlberechtigt sein können und, wenn ja, in welchen. 

Die Gerichte haben diese Frage bislang uneinheitlich beantwortet: Während das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Ansicht vertrat, dass Matrix-Führungskräfte zwar in mehrere Betriebe eingegliedert sein könnten, ein aktives Wahlrecht nach § 7 S. 1 BetrVG allerdings nur im „Stammbetrieb“ bestehe (Beschluss v. 13. Juni 2024 – 3 TaBV 1/24), nahmen das Landesarbeitsgericht Hessen (Beschluss v. 22. Januar 2024 – 16 TaBV 98/23) und das Landesarbeitsgericht München (Beschluss v. 22. Mai 2024 – 11 TaBV 86/23) an, dass die betreffenden Führungskräfte in allen Betrieben wahlberechtigt seien, in denen sie eingegliedert sind. Ausreichend hierfür sei, dass die Matrix-Führungskraft durch ihre Führungsaufgaben den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs mitverwirkliche. 

BAG: Mehrfach-Wahlberechtigung möglich

Die aufgrund der divergierenden Entscheidungen bestehende Rechtsunsicherheit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun beseitigt: Mit Beschluss vom 22. Mai 2025 (bislang weiterhin nur als Pressemitteilung veröffentlicht) hat sich der Siebte Senat im Ergebnis der Auffassung des LAG Hessen sowie des LAG München angeschlossen. Nach Auffassung des BAG

knüpft die Wahlberechtigung an die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb an, welche durch die Eingliederung in die Betriebsorganisation begründet wird. Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer bereits in einem Betrieb eingegliedert und damit in diesem wahlberechtigt ist, steht seiner Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht entgegen. Es ist möglich, in mehreren Betrieben wahlberechtigt zu sein.

Auf die Eingliederung der Führungskraft in den Betrieb kommt es an

Mit dieser Entscheidung zur Anerkennung der Möglichkeit eines Mehrfach-Wahlrechts hat das BAG nur bedingt Rechtsklarheit geschaffen: 

Fest steht nunmehr, dass bei entsprechender Eingliederung Matrix-Führungskräfte bei der Betriebsratswahl in den Wählerlisten mehrerer Betriebe zu berücksichtigen sind.

Hierauf müssen Arbeitgeber und Wahlvorstände bei den anstehenden Betriebsratswahlen besonders achten. Denn im Falle eines Verstoßes droht das Risiko eines zeit- und kostenintensiven Wahlanfechtungsverfahrens. 

Derzeit noch unklar ist allerdings, unter welchen Voraussetzungen eine Eingliederung anzunehmen ist. Ob das BAG insoweit seinen zu § 99 BetrVG, also insbesondere zu Einstellungen entwickelten Maßstab zugrunde legt, wonach es bereits ausreicht, dass eine Matrix-Führungskraft Führungsaufgaben gegenüber Mitarbeitern eines anderen Betriebs wahrnimmt und dadurch dessen Betriebszweck mitverwirklicht (z.B. Beschluss v. 12. Juni 2019 – 1 ABR 5/18), oder es wegen des unterschiedlichen Sinns und Zwecks der in Rede stehenden Vorschriften andere, letztlich also strengere Kriterien heranzieht, lässt sich der Pressemitteilung nicht entnehmen. Mit großer Spannung werden daher die Entscheidungsgründe erwartet, die hierüber Aufschluss geben dürften. 

Je nach der konkreten Ausgestaltung der Matrixorganisation kann die Prüfung überaus aufwändig sein. Arbeitgeber sollten daher in der Regel bereits jetzt Matrix-Führungskräfte in den jeweiligen Betrieben identifizieren und mit der Prüfung der fraglichen Eingliederung beginnen, um Anfragen des Wahlvorstandes nach den für die Wählerliste benötigten Informationen angemessen begegnen zu können. 

Betriebsratswahlen in Matrixstrukturen: Was gilt in unternehmensübergreifenden Matrixorganisationen?

Die Entscheidung des BAG vom 22. Mai 2025 bezieht sich auf unternehmensinterne Matrixstrukturen. Offen ist, was für Matrix-Führungskräfte gilt, die in einem anderen Konzernunternehmen, gar – im Rahmen internationaler Matrixstrukturen – im Ausland ansässig sind, wenn es also um unternehmensübergreifende Matrixorganisationen geht. Sind diese Führungskräfte ebenfalls wahlberechtigt und in der Wählerliste aufzuführen? 

Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zu unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen – BAG-Rechtsprechung gibt es noch nicht – betrifft nicht das Wahlrecht (§ 7 BetrVG), sondern das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG) und ist – wie könnte es anders sein – uneinheitlich. Zuletzt hat das LAG Bremen für einen Matrixvorgesetzten, der bei einer ausländischen Gesellschaft angestellt ist und dort seinen Dienstsitz hat, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bejaht (Beschluss v. 2. Mai 2024 – 2 TaBV 2/23). Das BAG hat diese Entscheidung vor Kurzem allerdings aufgehoben (Beschluss v. 23. September 2025 – 1 ABR 25/24) – mit welcher Begründung ist noch nicht bekannt. 

Richtigerweise sind Matrixvorgesetzte, die bei anderen Konzerngesellschaften beschäftigt sind, nicht wahlberechtigt. Das gilt erst recht für Führungskräfte, die bei einer ausländischen Gesellschaft angestellt sind und dort ihren Dienstsitz haben.

Denn sie sind nicht Arbeitnehmer des Betriebsinhabers, so dass die Voraussetzungen nach § 7 Satz 1 BetrVG nicht vorliegen. Auch eine Arbeitnehmerüberlassung liegt typischerweise nicht vor, so dass das Wahlrecht im Regelfall auch nicht aus § 7 Satz 2 BetrVG folgt. Die Voraussetzungen für eine sog. analoge Anwendung sind nach zutreffender Auffassung nicht gegeben. Bei Matrix-Führungskräften in ausländischen Konzerngesellschaften spricht zudem das sog. Territorialitätsprinzip gegen die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf Matrixvorgesetzte im Ausland. Gesichert ist dies aber leider (noch) nicht.

Was gilt sonst noch für Matrix-Führungskräfte aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht? Es bleiben offene Fragen zu Zusammensetzung und Zuständigkeit der Gremien, Mitbestimmung und Betriebsvereinbarungen

Ob sich aus der Entscheidung vom 22. Mai 2025 auch Erkenntnisse für andere Rechtsfragen ergeben, die sich rund um die potentielle Betriebszugehörigkeit von Matrix-Führungskräften ranken, ist ebenfalls (noch) offen. Das betrifft bspw. Fragen zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der Betriebsratsgremien, etwa ob spiegelbildlich auch von einer Wählbarkeit von Matrix-Führungskräften ausgegangen werden kann (§ 8 BetrVG) oder ob Matrix-Führungskräfte im Rahmen von Schwellenwerten „mitzuzählen″ sind, von denen etwa die Größe des Betriebsrats (§ 9 BetrVG) und die Anzahl der Freistellungen (§ 38 BetrVG) abhängen, zudem das Stimmengewicht im Gesamt- und Konzernbetriebsrat (§§ 47 Abs. 7, 55 Abs. 3 BetrVG). 

Es ist gut möglich, dass die Entscheidungsgründe auch insoweit Aufschluss geben. Wichtig wäre dies vor allem für die ordnungsgemäße Erstellung des Wahlausschreibens im Vorfeld der Betriebsratswahl. Dieses muss schließlich die korrekte Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder enthalten. Andernfalls kann die Wahl angefochten werden. 

Soweit es um die Reichweite der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats geht, wird sich die Praxis wohl noch länger gedulden müssen. Die Entscheidungsgründe werden sich hierzu mutmaßlich nicht verhalten.

Richtigerweise kann sich aus dem Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ergeben, dass Matrix-Führungskräfte nicht erfasst sind. 

Damit aber nicht genug der Fragen: Welcher Betriebsrat ist zuständig, wenn Matrix-Führungskräfte betroffen sind? Sind es grundsätzlich die lokalen Betriebsräte oder ist es per se der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat? Richtigerweise wird man hier differenzieren müssen. Und: Welche Betriebsvereinbarungen sind auf Matrix-Führungskräfte anwendbar? Was ist, wenn Betriebsvereinbarungen inhaltlich miteinander kollidieren? Diese und weitere Fragen sind alles andere als trivial. In der Praxis werden häufig pragmatische Lösungen gefunden. Wenn dies aber nicht gelingt, ist mannigfaltiger Streit vorprogrammiert.

Arbeitgeber sollten agieren, nicht reagieren

Unternehmen mit Matrix-Strukturen sind nicht nur mit Blick auf die anstehenden Betriebsratswahlen gut beraten, ihre Betriebsstrukturen sowie Weisungs- und Berichtslinien sorgfältig zu analysieren und, soweit sinnvoll und möglich, nachzujustieren. Weitere Prüfkriterien kommen – je nachdem, wie die Entscheidungsgründe ausfallen – ggf. hinzu. Schließlich ist es nach der Entscheidung des BAG nicht mehr ausreichend, Matrix-Führungskräfte nur noch ihrem Stammbetrieb zuzuordnen und sie nur dort auf die Wählerliste zu setzen. Vielmehr ist nun im Einzelfall zu prüfen, in welchen Betrieben eine Eingliederung vorliegt. Dies ist nicht nur für die bevorstehenden Betriebsratswahlen von Bedeutung. Arbeitgeber müssen sich auch allen weiteren drängenden Fragen stellen, die durch die BAG-Entscheidung zum Wahlrecht von Matrix-Führungskräften befeuert werden.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Betriebsratswahl 2026 Matrixstruktur