Die Bundesregierung will mit der Änderung des KSpG die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 ermöglichen, um die Klimaziele zu erreichen.
Am 11. September 2025 hat sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (BT-Drs. 21/1494) befasst. Mit dem Gesetz soll u.a. die Offshore-Speicherung und der Transport von CO2 ermöglicht werden. Die Bundesregierung greift den früheren Gesetzesentwurf der Ampel auf und geht damit einen überfälligen Schritt. Der Entwurf wurde federführend an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie zur weiteren Beratung überwiesen.
Klimapolitischer Hintergrund und technische Einordnung
2024 lag die globale Durchschnittstemperatur bei 1,6 Grad Celsius über dem vorindustriellen Mittel. Soll die Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ begrenzt werden, wie es etwa das deutsche Klimaschutzgesetz vorsieht, sind laut IPCC umfassende, schnelle und nachhaltige Maßnahmen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität erforderlich. Als unverzichtbarer Bestandteil wird zunehmend auch Carbon Capture and Storage (CCS) angesehen. Damit werden technische Verfahren bezeichnet, bei denen das CO2 aus dem Abgasstrom einer Anlage abgeschieden, abtransportiert und anschließend zur dauerhaften Lagerung unterirdisch verpresst wird. So wird sichergestellt, dass der Großteil der entstehenden CO2-Emissionen nicht in die Atmosphäre gelangt. Insbesondere für Prozesse, bei denen die Freisetzung von CO2 bisher technisch nicht oder nur schwer vermeidbar ist, eröffnet diese Technologie die Perspektive der Klimaneutralität. Alternativ zur unterirdischen Ablagerung bzw. Speicherung kann das abgeschiedene CO2 auch stofflich genutzt werden, etwa in der Chemieindustrie. Diese Nutzung abgeschiedenen CO2s wird Carbon Capture and Utilization (CCU) genannt.
Der holprige Weg zum aktuellen Gesetzesentwurf
Während CO2 beispielsweise in Norwegen seit 1996 geologisch eingespeichert wird, erfuhr die Technologie in Deutschland bei der Umsetzung der europäischen CCS-Richtlinie in den Jahren 2011/2012 noch heftigen Gegenwind. Die damalige Debatte war von Bedenken um die Dichtigkeit der Lagerstätten, mögliche Umweltauswirkungen und den Vorrang der Umstellung auf CO2-freie Prozesse geprägt. Resultat war das aktuelle Kohlendioxid-Speicherungsgesetz(KSpG), welches die Durchführung von großangelegten Speichervorhaben praktisch verhinderte.
Neue Dynamik erfuhr der Bereich im Jahr 2024. Der Net-Zero Industry Act (NZIA) der EU-Kommission legt das Ziel fest, europaweit bis 2030 eine CO2-Injektionskapazität von mindestens 50 Millionen Tonnen pro Jahr aufzubauen. Die Öl- und Gasproduzenten werden darin – verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaft – zur anteiligen Schaffung von CO2-Injektionskapazitäten gemäß ihren Fördervolumina verpflichtet. Dieser unionalen Verpflichtung steht bislang kein nationaler Rechtsrahmen gegenüber, der es betroffenen Unternehmen ermöglichen würde, entsprechende Vorhaben umzusetzen.
Die Ampelkoalition brachte einen Gesetzesentwurf zur Änderung des KSpG auf den Weg, der jedoch nicht mehr verabschiedet wurde. Die neue Bundesregierung greift nun wesentliche Aspekte aus dem Entwurf von 2024 auf. Der aktuelle Gesetzentwurf enthält allerdings auch viele Ergänzungen, Klarstellungen und einige inhaltliche Änderungen. Insbesondere wurden Regelung zur stofflichen Weiterverwendung von CO2 (CCU) ergänzt.
CCS/CCU-Prozessschritte sind getrennt reguliert
CCS/CCU-Verfahren bestehen aus mehreren Schritten, die nach dem deutschen Regelungssystem auch rechtlich unterschiedlich einzuordnen sind: zu unterscheiden ist zwischen der Abscheidungsanlage, dem Transport und der Speicherung (CCS) oder Nutzung (CCU) des CO2. Die Abscheidungsanlagen unterstehen dem Anlagenrecht des BImSchG. Für den Transport bestehen zwei Möglichkeiten: leitungsgebundener (Pipelines) oder multimodularer Transport (Schiff/ Zug/ LKW). In den Plänen des BMWE erfährt der leitungsgebundene Transport als wirtschaftlichste Variante besondere Aufmerksamkeit.
Strategische Ausrichtung der Nutzung von CCS/CCU: Schwer und nicht vermeidbare Emissionen
CCS soll sich nach dem Willen der Bundesregierung auf solche Bereiche fokussieren, für die derzeit keine emissionsfreien Alternativen bestehen. Neben nicht vermeidbaren Emissionen werden auch schwer vermeidbare Emissionen erfasst. Kohlekraftwerke sollen nicht an CO2-Leitungsnetze angeschlossen werden dürfen, sodass ihnen die Nutzung von CCS faktisch nicht zugutekommt. Das soll aufgrund ihrer Rolle als Übergangstechnologie nicht für Gaskraftwerke gelten.
Offshore-CO2-Speicher werden im großen Stil zugelassen
Während das KSpG bisher nur die zeitlich beschränkte Möglichkeit von Speichern zur Erprobung und Demonstration der Technologie vorsah, sollen nun Speicher im industriellen Maßstab ermöglicht werden. Dazu sieht der Entwurf insbesondere die Streichung der Antragsfristen und Genehmigungsbefristungen, der Vorgaben zur maximalen Anlagengröße und der maximalen Gesamtspeichermenge vor.
Das bedeutet indes nicht, dass CCS flächendeckend zum Einsatz kommt: Das KSpG soll die unterirdische Speicherung von CO2 im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. des Festlandsockels ermöglichen. Die Speicherung im Bereich des Küstenmeeres wird weitgehend ausgeschlossen. Der Entwurf sieht hier allerdings eine Flexibilisierung vor: die für die Speicherung vorgesehenen Gesteinsschichten dürfen bis zu einem Anteil von einem Viertel eines Speichers im Bereich des Küstenmeeres liegen. Die Errichtung von Onshore-Speichern bleibt grundsätzlich ausgeschlossen, es soll jedoch für die Länder die Möglichkeit geben, solche Speichervorhaben zuzulassen (sog. Opt-in). Die Entscheidung darüber, ob CCS zukünftig auch Onshore ermöglicht wird, liegt damit bei den Ländern.
Die Zulassung der Speicher erfolgt im Planfeststellungsverfahren. Untersuchungen des Bodens auf die Eignung als CO2-Speicher bleiben weiterhin selbstständig genehmigungsbedürftig nach dem KSpG. Die vorgesehenen Änderungen am KSpG enthalten auch Regelungen über Raumnutzungskonflikte. So dürfen Speichergestein, Injektionsstellen am Meeresboden und dazugehörige Anlagen im, auf oder über dem Wasser sich nicht im Bereich von Meeresschutzgebieten befinden und müssen zu diesen einen Mindestabstand von 8 km einhalten. Es bleibt eine Hintertür: Sollte die für 2027 angeordnete Evaluierung des KSpG zu dem Ergebnis kommen, dass zu wenig Raum für CO2-Speicher zur Verfügung steht, kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Mindestabstände zu den Meeresschutzgebieten außer Kraft setzen. Außerdem dürfen Bau und Betrieb des Speichers nicht Errichtung und Betrieb von Offshore-Windkraft und Wasserstoff- Infrastruktur beeinträchtigen. Der Flächenentwicklungsplan nach dem Windenergie-auf-See-Gesetz ist zu berücksichtigen. Bereits heute häufen sich Nutzungskonkurrenzen in der deutschen AWZ – die Harmonisierung widerstreitender Interessen auf engem Raum wird rechtlich und praktisch herausfordernd. Perspektivisch bedarf es der Integration der CCS-Infrastruktur in die (Stockwerks-)Raumplanung der AWZ.
Planfeststellung von CO2-Leitungen wird vereinheitlicht
Auch der Transport wird von der Novelle erfasst. Nach dem neuen Entwurf des KSpG liegen die Errichtung, der Betrieb sowie die wesentliche Änderung von CO2-Leitungen im überragenden öffentlichen Interesse. Sämtliche CO2-Leitungen werden nach der Novellierung des KSpG planfestgestellt. Damit werden Unsicherheiten beseitigt, die bisher in Bezug auf die Zulassung von solchen CO2-Leitungen bestehen, die nicht zu einem Speicher führen und deshalb nicht unter die Planfeststellung nach dem alten KSpG fallen. Das hat besonders für CCU-Anwendungen Bedeutung, bei denen das CO2 nicht in einen Speicher überführt wird, sondern bei Produktionsprozessen Verwendung findet.
Der Entwurf hält an der Regelungssystematik des alten KSpG fest, welches für das Planfeststellungsverfahren für CO2-Leitungen auf die Regeln des VwVfG unter Modifikation durch Normen des EnWG verweist. Diese Verweise ins EnWG werden durch den Entwurf aktualisiert. Zudem werden die Möglichkeiten zur Enteignung zugunsten der Leitungsvorhaben angepasst. Dabei wird insbesondere ergänzt, dass nicht nur solche Leitungsvorhaben, die CO2-Speicher anbinden, dem Wohl der Allgemeinheit dienen, sondern unter Umständen auch solche, die CCU-Nutzungen anbinden oder Anlagen anbinden, welche dem Entzug von CO2 aus der Atmosphäre dienen (sog. Direct-Air-Carbon-Capture, DACCS).
Verfahrensbeschleunigung
Die Novelle soll eine Verfahrensbeschleunigung bewirken. Dafür werden unter anderem Fristen für Behördenbeteiligungen eingeführt. Außerdem wird auf die Beschleunigungsregelungen des EnWG verwiesen (z.B. Ausschluss der aufschiebenden Wirkung). Weiterhin wird das Oberverwaltungsgericht als erstinstanzlich zuständig erklärt. Für den Fall, dass eine CO2-Leitung parallel zu Wasserstoffleitungen errichtet wird, soll die CO2-Leitung „keine zusätzliche Beeinträchtigung anderer Belange darstellen, die über die alleinige Verlegung der Wasserstoffleitung hinausgeht, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen“. Werden CO2-Leitungen neben Wasserstoffleitungen geplant, reduziert sich in Bezug auf die CO2-Leitung der Prüfungsrahmen, was die Zulassung erleichtern dürfte. Außerdem wird – analog zu Wasserstoffleitungen – die Umstellung von Erdgas- auf CO2-Transport durch eine Anzeige ermöglicht.
Ermöglichung von CO2-Exporten
Anders als in Deutschland bestehen in anderen europäischen Staaten bereits geologische CO2-Speicher. Weitere Vorhaben werden derzeit entwickelt. Die Inbetriebnahme vergleichbarer Speicher in Deutschland wird trotz der anstehenden regulatorischen Neuerungen – so sie denn kommen – erst in einigen Jahren möglich sein. Um die Nutzung von CCS in der Zwischenzeit zu ermöglichen, soll die Verbringung von CO2 in andere Länder zwecks dauerhafter unterirdischer Speicherung möglich gemacht werden.
Die Verbringung von CO2 ins Ausland ist bisher mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere setzt die Planfeststellung einer diesem Zweck dienenden Leitung aktuell die Prüfung voraus, ob der Speicher in Übereinstimmung u. a. mit der CCS-Richtlinie betrieben wird. Diese Prüfung hätte für erheblichen bürokratischen Aufwand gesorgt, weshalb sie nach dem neuen Entwurf des KSpG ersatzlos gestrichen wird. Völkerrechtlich ist Deutschland derzeit am Export von CO2 in andere Staaten gehindert. Das sog. Londoner Protokoll verbietet die Ausfuhr von Abfällen und sonstigen Stoffen zur Entsorgung auf See. Ein Zusatzprotokoll von 2009 erlaubt eine Ausnahme für CCS, allerdings fehlt es an der notwendigen Anzahl von Ratifikationen. Eine Lösungsmöglichkeit besteht für Deutschland darin, nach der Ratifikation und Erklärung der vorläufigen Anwendbarkeit, bilaterale Verträge mit anderen Staaten zu schließen. Bislang hat Deutschland weder bilaterale Verträge unterzeichnet noch das Zusatzprotokoll umgesetzt. Die Bundesregierung hat jedoch jüngst einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Ratifizierung des Zusatzprotokolls erfolgen und Änderungen des Hohe-See-Einbringungsgesetzes umgesetzt werden sollen. Auch insoweit werden also die richtigen Schritte gegangen, um völkerrechtlich den Weg für eine umfassende Nutzung von CCS zu ermöglichen.
Fazit: Ende in Sicht – CCS wird kommen
Die Novelle des KSpG hat gute Aussichten, nun doch noch verabschiedet zu werden. Damit werden die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer umfassenden CO2-Infrastruktur geschaffen. Angesichts der erheblichen Kosten von CCS und CCU bleibt es abzuwarten, welchen Anteil an der Dekarbonisierung die Technologien in Zukunft einnehmen werden. Die EU forciert im Rahmen des NZIA jedenfalls den Aufbau der nötigen Infrastruktur durch die Verpflichtung von Mineralölunternehmen zur Beteiligung am Aufbau von CO2-Speichern. Dass der Bereich ein weiteres Jahrzehnt im Dornröschenschlaf dämmert, ist deshalb jedenfalls nicht zu erwarten. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie informieren.
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