27. Oktober 2025
D&O Strohmann Geschäftsführer
D&O-Versicherung

Insolvenzantragspflichten auch für Strohgeschäftsführer 

Das OLG Frankfurt a.M. äußert sich zu persönlichen Haftungsrisiken sog. „Strohmänner“. Vorsicht ist geboten, die D&O-Versicherung muss nicht immer zahlen. 

Das Einsetzen sog. „Strohmann“-Geschäftsführer ist in der Unternehmenswelt keine Seltenheit. Formal im Handelsregister eingetragen, faktisch nur Statist – eine scheinbar elegante Möglichkeit, Verantwortung auszulagern und Haftung zu begrenzen. Dass diesem Versuch einer Haftungsbegrenzung besonders im Falle der Insolvenz des Unternehmens Grenzen gesetzt sind, hat eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 16. Januar 2025 – 7 W 20/24) verdeutlicht. Relevant war  insbesondere die Frage, ob das unterlassene Stellen eines Insolvenzantrags durch den „Strohmann“ eine Kardinalspflichtverletzung darstellt, die zum Ausschluss der Leistungspflicht einer D&O-Versicherung führt. 

Hintergrund: D&O-Versicherungen und ihre Bedeutung         

D&O-Versicherungen (Directors and Officers Liability Insurance, auch Managerhaftpflichtversicherung) sind weit verbreitet und schützen Geschäftsleiter sowie andere leitende Organe eines Unternehmens vor den finanziellen Folgen aus Pflichtverletzungen oder unternehmerischer Fehlentscheidungen. Sie reduzieren die persönliche Haftung und fördern dadurch die Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung der Führungskräfte. Gleichzeitig enthalten D&O-Versicherungen in der Regel Ausschlussklauseln, die den Versicherungsschutz bei grober Fahrlässigkeit, vorsätzlichen Pflichtverletzungen oder Kardinalspflichtverletzungen einschränken oder komplett ausschließen. In diesen Fällen haften Geschäftsführer bzw. Führungskräfte mit ihrem Privatvermögen. Gerade in der Insolvenz eines Unternehmens steht häufig die Frage im Raum, ob eine solche leistungsausschließende Pflichtverletzung vorliegt – was oft erhebliche finanzielle, teilweise existenzbedrohende Konsequenzen für die Geschäftsleitung nach sich ziehen kann.

Der Fall: „Strohmann“-Geschäftsführer und die Haftung

Im Zentrum der Entscheidung stand ein Verfahren, in dem der Insolvenzverwalter einer Unternehmer-Gesellschaft (die „UG“) Prozesskostenhilfe für die Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen die D&O-Versicherung des „Strohmann“-Geschäftsführers der UG beantragte. Dieser war formal im Handelsregister eingetragen, fungierte aber de facto lediglich als „Platzhalter“ ohne eigene unternehmerische Entscheidungsbefugnis. Zentral war die Frage, ob der „Strohmann“-Geschäftsführer – obwohl er die Geschäfte faktisch nicht führte – durch das Unterlassen der rechtzeitigen Insolvenzanmeldung eine wissentliche Pflichtverletzung im Sinne der Nr. 5 Abs. 1 ULLA (Unified Liability Insurance Conditions for Directors and Officers) beging, was einen Ausschlussgrund der Versicherungsleistung zur Folge hätte. Der „Strohmann“-Geschäftsführer hatte sich kein ausreichendes Bild über die geschäftliche Situation des Unternehmens verschafft, so dass er trotz Eintritt der Insolvenzreife keinen Insolvenzantrag stellte. Der faktische Geschäftsführer führte die Geschäfte indessen weiter. In dieser Fortführung des Geschäftsbetriebs trotz Insolvenzreife sah die Versicherung einen Verstoß gegen das Zahlungsverbot nach § 64 S. 1 GmbHG aF und berief sich auf Leistungsfreiheit.

Das Zahlungsverbot des § 15b Abs. 1 InsO im Rahmen einer D&O-Versicherung

§ 15b Abs. 1 InsO (ehemals § 64 GmbHG a.F.) verbietet Geschäftsführern nach dem Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen und begründet bei Verstoß eine verschuldensunabhängige Haftung in voller Höhe. Da Geschäftsführer oft nicht über ausreichendes Privatvermögen verfügen, blicken Insolvenzverwalter häufig begehrlich auf eine D&O-Versicherung, die – sofern leistungspflichtig – erhebliche Mittel beisteuern kann. Versicherer versuchen daher, die Leistungspflicht etwa bei wissentlichen Pflichtverstößen gegen das Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO durch entsprechende Klauseln auszuschließen. Insbesondere bei der Verletzung von sog. Kardinalpflichten – also besonders zentralen Pflichten des Geschäftsführers – ist von einer wissentlichen Pflichtverletzung auszugehen. In diesem Fall trägt der Geschäftsführer die sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat. 

Die Versicherung berief sich darauf, dass der „Strohmann“-Geschäftsführer mit der Fortführung des Betriebs und Zahlungen nach Insolvenzreife gegen das gesetzliche Zahlungsverbot verstoßen und damit eine vom Versicherungsschutz ausgeschlossene, wissentliche Verletzung einer Kardinalpflicht begangen habe, selbst wenn er selbst die maßgeblichen Entscheidungen nicht getroffen hatte. 

Der Beschluss: Rechtzeitige Insolvenzanmeldung als Kardinalpflicht

Zu Recht, wie das OLG Frankfurt a. M. nun klarstellte. Das Gericht betonte, dass die Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife eine Kardinalpflicht des Geschäftsführers darstelle, deren Verletzung eine wissentliche Pflichtverletzung im Sinne der Nr. 5 Abs. 1 ULLA begründe. Diese Einordnung ist vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des insolvenzrechtlichen Zahlungsverbots (§ 15b Abs. 1 InsO) für den Gläubigerschutz nicht überraschend. Bemerkenswert ist jedoch die Feststellung des Gerichts, jede verbotswidrige Zahlung nach Eintritt der Insolvenzreife löse den sogenannten Beweis des ersten Anscheins einer wissentlichen Pflichtverletzung aus. Anders als von manchen Instanzgerichten vertreten, sei es danach nicht erforderlich, dass der Versicherer substantiiert darlege, dass der Geschäftsführer tatsächlich wissentlich gehandelt habe. Vielmehr unterstellt das Gericht dem „Strohmann“-Geschäftsführer, der trotz Insolvenzreife Zahlungen vornahm bzw. deren Vornahme zuließ, grundsätzlich Kenntnis von der Insolvenzreife der Gesellschaft. Kurzum: Bei einem „Strohmann“-Geschäftsführer, der bei Insolvenzreife zahlt oder die Fortführung des Geschäftsbetriebs zulässt, wird im Regelfall unterstellt, dass er das Zahlungsverbot nach § 15b Abs. 1 InsO verletzt. Sofern er nicht im Unternehmen operativ tätig sei (also als „Strohmann“ agiere), treffe ihn wenigstens eine Überwachungs- und Organisationspflicht. Dieser könne er nur durch eine Niederlegung seines Amtes entgehen.

Folgen für die Praxis: Risiken und Handlungsempfehlungen

Die vom OLG Frankfurt a. M. vorgesehene Umkehr der Beweislast zulasten des Geschäftsführers führt zu einer deutlich verschärften Haftungslage und kann den Umfang des D&O-Versicherungsschutzes erheblich einschränken. Dies stellt ein erhebliches finanzielles Risiko für Geschäftsleitungsorgane dar. Somit bleibt es für Gesellschaft und insbesondere Geschäftsführer besonders wichtig, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen und ihre Handlungsschritte sorgfältig zu dokumentieren, um persönliche Haftungsrisiken zu minimieren und den Versicherungsschutz bestmöglich zu wahren. 

Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung von Hrn. Johannes Rüth verfasst.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: D&O-Versicherung Restrukturierung und Insolvenz Strohmann
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Philipp Freiherr von dem Bussche-Haddenhausen

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