IPCEI („Important Projects of Common European Interest“) ermöglichen Unternehmen, ambitionierte Wasserstoffprojekte umzusetzen, die sich derzeit am Markt noch nicht rechnen. Die Förderinitiative eröffnet wichtige Chancen – erfordert jedoch hohen Planungs- und Umsetzungsaufwand auf Unternehmensseite.
Die Europäische Kommission hat am 28. Mai 2025 mit Hy2Move die vierte Welle der wichtigen Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Projects of Common European Interest – IPCEI) für Wasserstoff beihilferechtlich genehmigt. Unter dem Namen Hy2Move (Hydrogen Mobility) haben sieben EU-Mitgliedstaaten (Estland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Slowakei, Spanien und Deutschland) staatliche Fördermittel in Höhe von bis zu EUR 1,4 Mrd. für 11 Unternehmen gemeinsam bei der Europäischen Kommission notifiziert.
Das IPCEI Hy2Move zielt darauf ab, durch technologische Innovationen entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette den Einsatz von Wasserstofftechnologien im Mobilitäts- und Verkehrssektor voranzutreiben. Es ergänzt die drei ersten IPCEIs zur Wasserstoff-Wertschöpfungskette: am 15. Juli 2022 genehmigte die EU-Kommission das IPCEI Hy2Tech (Hydrogen Technology) mit Schwerpunkt auf der Entwicklung von Wasserstofftechnologien für Endnutzer. Am 21. September 2022 das IPCEI Hy2Use (Hydrogen Industry), das insbesondere Wasserstoffanwendungen in der Industrie betrifft. Am 15. Februar 2024 wurde das IPCEI Hy2Infra (Hydrogen Infrastructure) von der Kommission genehmigt, das auf Infrastrukturinvestitionen ausgerichtet ist, die nicht unter die ersten beiden IPCEIs fallen.
Strategische Bedeutung der IPCEI Wasserstoffprojekte
Die gezielte Förderung strategischer Schlüsseltechnologien gewinnt auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung. Ein zentrales Instrument dieser Industriepolitik ist der sogenannte IPCEI-Rahmen, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, private Vorhaben, die von besonderer Bedeutung für europäische Ziele sind, mit höheren staatlichen Zuschüssen zu unterstützen, als dies unter den allgemeinen europäischen Beihilferegeln möglich wäre. Über den Wasserstoffsektor hinaus profitieren auch Projekte in Bereichen wie Mikroelektronik, Batteriezellfertigung, Cloud-Infrastruktur und Gesundheitstechnologien von dieser Förderkulisse.
Im Bereich Wasserstoff verfolgt die EU das Ziel, eine wettbewerbsfähige und innovative grüne Wasserstoffwirtschaft in Europa zu etablieren. Damit sollen sowohl die europäischen Klimaziele erreicht als auch die industrielle Souveränität Europas gestärkt werden. Die IPCEI-Förderprogramme ermöglichen die Umsetzung von Großprojekten, die unter rein marktwirtschaftlichen Bedingungen aufgrund technologischer und finanzieller Risiken, fehlender Nachfrage oder Finanzierungslücken nicht realisierbar wären. Sie sollen Marktversagen ausgleichen und private Investitionen mobilisieren.
Für Unternehmen bieten sich dadurch attraktive Fördermöglichkeiten. Allerdings agieren Unternehmen, die IPCEI-Förderungen erhalten, angesichts der mangelnden Rentabilität vieler Wasserstoffprojekte unter normalen Marktbedingungen in einem Umfeld, in dem staatliche Zuschüsse einen zentralen Bestandteil des Geschäftsmodells darstellen. Zugleich ist der Weg zur erfolgreichen Inanspruchnahme dieser Fördermittel mit erheblichen beihilfen- und zuwendungsrechtlichen Herausforderungen verbunden.
Komplexes Zusammenspiel von europäischer und nationaler Ebene
Bei der Bewilligung von IPCEI-Förderungen für Wasserstoffprojekte treffen zwei Rechtsebenen aufeinander.
Beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission
Die staatlichen Zuschüsse der Mitgliedstaaten müssen von der Europäischen Kommission vor ihrer Gewährung beihilferechtlich genehmigt werden. Staatliche Beihilfen sind gemäß Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundsätzlich untersagt, da sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren können. Die Förderung von IPCEI stellt jedoch eine wichtige Ausnahme dar, die in Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV verankert ist. Diese Bestimmung erlaubt es der Europäischen Kommission, Beihilfen für Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Kriterien für die beihilferechtliche Genehmigung eines IPCEI sind in der Mitteilung der Kommission über wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse aus dem Jahr 2021 (C(2021)8481) festgeschrieben. Damit ein Vorhaben als IPCEI qualifiziert werden kann, sind strenge Voraussetzungen zu erfüllen. Nach den Vorgaben der Kommission muss ein Projekt:
- von mehreren EU-Mitgliedstaaten getragen oder gemeinsam initiiert werden,
- eine signifikante Eigenfinanzierung durch die beteiligten Unternehmen nachweisen,
- einen wesentlichen technologischen Fortschritt über den aktuellen Stand der Technik hinaus erzielen,
- Spill-over-Effekte für andere Unternehmen und Sektoren erzeugen sowie
- einen Beitrag zu den strategischen Zielen der EU leisten, etwa im Bereich des Green Deal.
Ein zentrales Element der beihilferechtlichen Prüfung ist der Nachweis der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Beihilfe zur Behebung eines Marktversagens. Dies bedeutet, dass das geförderte Projekt ohne die Beihilfe nicht oder nur in einem geringeren Umfang realisiert werden könnte. Die maximal zulässige Beihilfe wird anhand der „Finanzierungslücke“ (sog. Funding Gap) bestimmt. Diese entspricht der Differenz zwischen den positiven und negativen Cashflows über die gesamte Lebensdauer der Investition, abgezinst auf ihren aktuellen Wert. Unternehmen müssen im Rahmen ihres Förderantrags ein kontrafaktisches Szenario darlegen, das beschreibt, was ohne die Beihilfe geschehen würde. Das verlangt von Unternehmen hochgradig detaillierte Annahmen über die zukünftige Entwicklung des Wasserstoffmarkts. Darüber hinaus schreibt die EU-Kommission regelmäßig einen „Claw-back“-Mechanismus vor. Fallen die tatsächlichen Umsätze und Gewinne höher aus als in der Finanzierungslückenanalyse kalkuliert, wird ein Rückforderungsmechanismus aktiviert. Dieser Mechanismus soll eine Überkompensation beim Förderempfänger verhindern und sichert dem beihilfegewährenden Mitgliedstaat eine Erfolgsbeteiligung.
Der nationale Förderbescheid
Auf nationaler Ebene erfolgt die Gewährung der Fördermittel durch den Erlass eines Förderbescheids der Bundesregierung. Zuständige Förderbehörde ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE). In die administrative Umsetzung der Förderprojekte hat das BMWE den Projektträger Jülich (Forschungszentrum Jülich GmbH) als Verwaltungshelfer eingeschaltet.
Der Förderbescheid ist weit mehr als nur die Zusage von Fördermitteln. Er ist ein bindender Verwaltungsakt und bildet die Rechtsgrundlage für die Förderung. Unternehmen haben keinen Rechtsanspruch auf eine Förderung. Es handelt sich um eine freiwillige staatliche Leistung. Über Förderanträge entscheidet die Bundesregierung nach pflichtgemäßem Ermessen und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Die Rechte und Pflichten des Zuwendungsempfängers werden erst im Förderbescheid verbindlich festgeschrieben. Besondere Bedeutung haben die sog. Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) oder die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung auf Kostenbasis (ANBest-P-Kosten). Diese werden regelmäßig zum integralen Bestandteil der Förderbescheide erklärt und müssen vom Förderempfänger beachtet werden.
Verstöße gegen die Vorgaben aus den Nebenbestimmungen des Förderbescheids können nach § 49 VwVfG den Widerruf des Förderbescheids und die Rückforderung der ausgezahlten Fördermittel einschließlich Zinsen rechtfertigen. Der Förderbescheid definiert den Zuwendungszweck und legt fest, welche Maßnahmen der Fördermittelempfänger bis wann umzusetzen hat. Jede Abweichung vom genehmigten Projektplan oder den vorgegebenen Rahmenbedingungen kann eine Zweckverfehlung bedeuten und die Rückforderung der Mittel rechtfertigen. IPCEI-Projekte sind aufgrund ihrer Größe und Komplexität mit umfangreichen Berichts- und Nachweispflichten verbunden. Sie dienen der Kontrolle der Mittelverwendung und des Projektfortschritts. Die IPCEI-Förderung wird in der Regel in Form einer Anteilsfinanzierung gewährt und setzt eine angemessene Eigenbeteiligung des Unternehmens an den zuwendungsfähigen Kosten des Vorhabens voraus. Die Entscheidung über die Anerkennung der Höhe der Finanzierungslücke und der förderfähigen Kosten wird von der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren getroffen.
Zuwendungsrechtliche Fallstricke: Was Unternehmen auf nationaler Ebene beachten müssen
Unternehmen, die den aufwendigen Notifizierung- und Antragsmarathon erfolgreich durchlaufen und schließlich einen nationalen Förderbescheid erhalten, können aufatmen – doch nur kurz. Denn mit dem positiven Bescheid beginnt erst die eigentliche Phase der rechtlich komplexen Umsetzung, in der zahlreiche Fallstricke lauern können. Das nationale Zuwendungsrecht entfaltet hier seine volle Wirkung und stellt hohe Anforderungen an die Zuwendungsempfänger.
Große, langfristige Projekte wie IPCEI-Wasserstoffprojekte sind dynamisch. Änderungen in Zeitplan, Kosten, technischem Umfang oder Kooperationspartnern sind nahezu unvermeidlich. Aus den Allgemeinen Nebenbestimmungen folgen in der Regel strenge Anzeigepflichten. Im Einzelfall ist vom Förderempfänger zu prüfen, ob über die Anzeigepflichten hinaus auch eine vorherige schriftliche Zustimmung des Zuwendungsgebers erforderlich ist. Dabei ist auch das komplexe Zusammenspiel mit der europäischen Ebene zu berücksichtigen. Von bindenden Vorgaben der beihilferechtlichen Genehmigung der Europäischen Kommission darf die Bundesregierung nicht abweichen. Im Einzelfall kann also auch eine erneute Beteiligung der Europäischen Kommission erforderlich sein.
Entsprechend den haushaltsrechtlichen Vorgaben stellen die nationalen Förderbescheide die Auszahlung der Fördermittel unter den Vorbehalt der Verfügbarkeit der erforderlichen Haushaltsmittel. Wenn Förderempfänger die für ein IPCEI Vorhaben für ein bestimmtes Haushaltsjahr zur Verfügung gestellten Mittel nicht in diesem Haushaltsjahr verwenden, besteht kein Rechtsanspruch auf eine Verschiebung der Haushaltsmittel in ein folgendes Haushaltsjahr. Eine aktuelle Analyse von Hydrogen Europe vom 25. April 2024 zeigt, dass bislang nur ein vergleichsweise geringer Teil der insgesamt 122 IPCEI Wasserstoffvorhaben – konkret 21 % – eine finale Investitionsentscheidung (Final Investment Decision, FID) erreicht hat. Projektverzögerungen und eine Notwendigkeit der Verschiebung von Haushaltsmitteln werden also künftig eine Reihe von IPCEI-Projekten betreffen. Die Verschiebung der Mittel liegt im Ermessen der Bundesregierung und steht ihrerseits unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln.
Ausblick
Unternehmen sollten geplante IPCEI-Initiativen aufmerksam verfolgen, denn eine Beteiligung kann sowohl strategisch als auch wirtschaftlich vorteilhaft sein. Dabei ist es wichtig, frühzeitig genügend Zeit und Ressourcen für die Antragstellung und Umsetzung einzuplanen. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, externe Unterstützung hinzuzuziehen, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Während der Umsetzung ist besondere Sorgfalt geboten, da Fehler zu Rückforderungen sowohl nach nationalen Vorgaben als auch nach denen des europäischen Beihilferechts führen können.
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