18. Juni 2025
Fokus steuerliche Betriebsstätte
Fokus steuerliche Betriebsstätte

Die Betriebsstätte – Dreh- und Angelpunkt im Steuerrecht

Liegt eine Betriebsstätte vor? Ja oder Nein? Die Antwort auf diese Frage ist weichenstellend für die Besteuerung von Unternehmen.

Die steuerliche Betriebsstätte nimmt eine zentrale Stellung im Steuerrecht ein. So hat sie etwa rein innerdeutsch entscheidende Bedeutung für die Frage, ob ein ausländisches Unternehmen mit seinen Inbound Aktivitäten in Deutschland (beschränkte) Steuerpflichten begründet und auch ob ein solches Unternehmen ggfs. in Deutschland zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer verpflichtet ist. Zudem hat die Betriebsstätte erhebliche Bedeutung für die inter-kommunale Aufteilung des Gewerbesteueraufkommens in Deutschland und nicht zuletzt auch für die Frage, ob und wo umsatzsteuerliche Leistungen als erbracht gelten. 

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für zahlreiche Besteuerungsfolgen – national wie international 

Da das Vorliegen einer Betriebsstätte im Ausland mit ähnlichen steuerlichen Folgen versehen wird, hat die Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsstätte erhebliche praktische Bedeutung für Unternehmen mit grenzüberschreitender Outbound Geschäftstätigkeit. Die Existenz einer Betriebsstätte im Ausland zieht wie in Deutschland regelmäßig weitreichende steuerliche Pflichten nach sich – von der steuerlichen Registrierung über die ordnungsgemäße Buchführung bis zur fristgerechten Abgabe entsprechender Steuererklärungen und der Verpflichtung Steuern zu zahlen, einzubehalten und abzuführen. 

Nachlässigkeit wird geahndet

Die Nichtbeachtung der mit der Begründung einer Betriebsstätte verbundenen steuerlichen Verpflichtungen kann erhebliche (wirtschaftliche und persönliche) Folgen nach sich ziehen. Neben nachträglichen Steuerfestsetzungen drohen bei unterlassener Registrierung, Verletzung von Erklärungspflichten oder Nichtabführung geschuldeter Abgaben sowohl steuerstrafrechtliche als auch – im Einzelfall – allgemein strafrechtliche Konsequenzen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Zentrale Bedeutung für die zwischenstaatliche Besteuerungsaufteilung 

Grenzüberschreitend tätige Unternehmen laufen grundsätzlich Gefahr, dass ihre betrieblichen Ergebnisse dem Besteuerungszugriff von mehreren Staaten unterliegen. Um eine solche Doppel- oder sogar Mehrbesteuerung weitgehend auszuschließen, haben die meisten Staaten untereinander sogen. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Unter diesen Abkommen wird festgelegt, wer was besteuern darf. Hierbei hat die Betriebsstätte weichenstellende Bedeutung: Errichtet ein Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte, steht in aller Regel bei Vorliegen eines DBA dem ausländischen Staat das alleinige Besteuerungsrecht für die Gewinne zu, die dieser Betriebsstätte zurechenbar sind. Der Staat des Unternehmenssitzes darf diese Gewinne nicht besteuern, zumeist stellt er sie demnach von der Besteuerung frei oder rechnet die ausländische Steuer jedenfalls an.

Eigenständige Definition der Betriebsstätte im deutschen Recht ….

Rein national ist der Begriff der Betriebsstätte in § 12 der Abgabenordnung (AO) definiert. Danach gilt grundsätzlich jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage als Betriebsstätte, sofern sie von gewisser Dauer ist, der unternehmerischen Tätigkeit dient und dem Steuerpflichtigen eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über sie zusteht. Für Letztere ist es erforderlich, dass der Unternehmer eine gesicherte Rechtsposition innehat, die nicht ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann. Typische Erscheinungsformen einer Betriebsstätte sind beispielsweise Zweigniederlassungen, Produktionsstätten, Büros oder Lager.

Zum streitigen Fall des sogen. Homeoffice hat die Finanzverwaltung jüngst klargestellt, dass die Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu Hause regelmäßig keine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet, da diesem typischerweise keine hinreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers zusteht. Eine abweichende Beurteilung könne jedoch im Fall leitender Angestellter, wie insbesondere Geschäftsführer, geboten sein. Diese klare Positionierung im Bereich des Homeoffice stellt sich eher gegen den internationalen Trend, fügt sich aber nahtlos in die insgesamt restriktive Haltung Deutschlands (als export-orientierte Nation) zur Annahme von Betriebsstätten ein. Abgrenzungsprobleme sind damit vorprogrammiert – etwa dann, wenn ein Arbeitnehmer im Ausland aus dem Homeoffice arbeitet und der dortige Staat eine großzügigere Handhabung bei der Annahme einer Betriebsstätte verfolgt.

…. als auch im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen

Während der Begriff der Betriebsstätte im nationalen Steuerrecht verschiedenen Zwecken dient, verfolgt er im Rahmen von DBA grundsätzlich nur einen Zweck: die Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen den beteiligten Vertragsstaaten zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Der in den Abkommen verwendete Betriebsstättenbegriff soll hierfür autonom ausgelegt werden. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass die einzelnen Staaten – geprägt von ihren nationalen Verständnissen – oft dennoch zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen kommen.

Die im DBA-Recht verwendete Definition weist inhaltlich zahlreiche Parallelen zur nationalen Regelung in § 12 AO auf. Danach ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Wie im nationalen Recht spielen die Kriterien Geschäftseinrichtung, Dauerhaftigkeit, Verfügungsmacht und unternehmerische Tätigkeit eine zentrale Rolle. Trotz der bestehenden Übereinstimmungen zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede: Während im DBA-Recht häufig vorausgesetzt wird, dass die Tätigkeit des Unternehmens tatsächlich durch die Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, genügt es nach § 12 Abs. 1 AO bereits, wenn die Geschäftseinrichtung der unternehmerischen Tätigkeit dient. Darüber hinaus reicht es nach nationalem Recht aus, dass in der Geschäftseinrichtung lediglich Hilfs- oder Nebentätigkeiten erfolgen, wohingegen das Abkommensrecht regelmäßig die Ausübung einer Haupttätigkeit fordert.

Diese Unterscheidung kann insbesondere im Bereich digitaler Geschäftsmodelle (E-Commerce) Bedeutung haben: Zwar ist es mittlerweile anerkannt, dass auch ein Internetserver grundsätzlich eine Betriebsstätte begründen kann. Eine solche Serverbetriebsstätte erfordert unter DBA-Recht aber generell, dass der Server – ähnlich einem Verkaufsautomaten – sämtliche Geschäftsprozesse automatisiert abwickelt. Die bloße Bereitstellung technischer Infrastruktur, wie etwa von Kommunikationsverbindungen oder Werbediensten, genügt regelmäßig nicht. 

International ist insgesamt eine Ausweitung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs festzustellen. So wurde etwa im Zuge des sogen. Multilateralen Instruments (MLI) im Jahr 2017 konkrete Erweiterungen des Anwendungsbereichs vorgesehen, um insbesondere die missbräuchliche Vermeidungsstrategien betreffend Betriebsstätten zu unterbinden. So wurde unter anderem der Anwendungsbereich der Vertreterbetriebsstätte ausgeweitet, indem bereits Handlungen von Personen, die maßgeblich zum Zustandekommen eines Kundenvertrags beigetragen haben – auch ohne diesen selbst abzuschließen – zur Begründung einer Betriebsstätte führen können. Wobei Deutschland diese Erweiterungen bislang nicht wiederum übernommen hat.

Fazit: Betriebsstätte bleibt und ist ein steuerlicher Dauerbrenner

Unternehmen mit nationaler wie internationaler Geschäftstätigkeit kommen nicht umhin, sich dem Thema Betriebsstätte zu stellen. Eine präzise Analyse, ob und in welchem Umfang im In- oder Ausland eine Betriebsstätte begründet wurde, ist essenziell, um steuerliche Risiken, Sanktionen und eine potenzielle Strafverfolgung zu vermeiden.

In unserer mit diesem Beitrag startenden Blogserie zur Betriebsstätte informieren wir Sie umfassend über alle praxisrelevanten Fallgestaltungen, rechtliche Besonderheiten sowie die sachgerechte Handhabung begründeter Betriebsstätten. Für verbleibende Fragen stehen Ihnen unsere Autorinnen und Autoren jederzeit gerne zur Verfügung.

Tags: Fokus steuerliche Betriebsstätte