Landesgrenzen spielen in der Organisation vieler Unternehmen kaum noch eine Rolle – dies führt zu Konflikten mit dem national strukturierten Steuerrecht.
Internationale Teams bieten Unternehmen zahlreiche Vorteile: Zugang zu einem europa- oder weltweiten Talentpool, Interkulturalität und die Erschließung neuer Beschaffungs- und Absatzmärkte. Gleichzeitig erfordert der grenzüberschreitende Personaleinsatz eine vorausschauende steuerliche Planung – insbesondere, um unbeabsichtigte Betriebsstätten zu vermeiden.
Homeoffice als Betriebsstätte – steuerliche Risiken und Abgrenzungen im In- und Ausland
Mit dem anhaltenden Trend zum ortsunabhängigen Arbeiten gewinnt das steuerliche Thema „Homeoffice als Betriebsstätte“ zunehmend an Bedeutung – sowohl in nationalen als auch in internationalen Kontexten. Insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen kann ein unbedachtes Homeoffice-Setup zu unerwünschten steuerlichen Konsequenzen führen.
Deutschland: Wann wird das Homeoffice zur Betriebsstätte?
Nach deutschem Steuerrecht kann ein Homeoffice grundsätzlich dann als Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO qualifiziert werden, wenn es eine feste Geschäftseinrichtung darstellt, die der Tätigkeit des Unternehmens dient und dem Unternehmen zuzurechnen ist. Die Finanzverwaltung hat sich hierzu im BMF-Schreiben vom 5. Februar 2024 (BStBl I 2024, 177) wie folgt positioniert:
Grundregel: Homeoffice ist normalerweise keine Betriebsstätte
In der Regel liegt keine Betriebsstätte vor, wenn ein Arbeitnehmer aus dem Homeoffice arbeitet. Der maßgebliche Grund: Dem Arbeitgeber fehlt die notwendige Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten. Diese Verfügungsmacht ist jedoch eine zwingende Voraussetzung nach § 12 AO.
Ausnahme: Leitungsfunktionen
Abweichend davon kann ein Homeoffice dann zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte werden, wenn der Arbeitnehmer dort wesentliche unternehmerische Entscheidungen trifft, etwa in leitender Funktion. Entscheidend ist dabei nicht nur die Funktion (z.B. als Geschäftsführer), sondern auch die tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeiten im Homeoffice.
Keine Betriebsstätte durch bloße Kostenübernahme
Selbst wenn der Arbeitgeber das Arbeitszimmer im Homeoffice ausstattet oder dem Arbeitnehmer eine Nutzungsentschädigung zahlt, begründet dies nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung keine rechtlich gesicherte Verfügungsgewalt. Auch vertragliche Regelungen im Arbeitsvertrag ändern daran nichts – das Hausrecht verbleibt beim Arbeitnehmer, geschützt durch Art. 13 GG. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer keinen anderen regelmäßigen Arbeitsplatz hat oder die Tätigkeit im Homeoffice vertraglich angeordnet ist.
International: OECD-Standards und ihre Tücken
Viele Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) orientieren sich am OECD-Musterabkommen (OECD-MA). Nach Art. 5 OECD-MA ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
Voraussetzungen für eine Homeoffice-Betriebsstätte nach OECD-MA
Ein Homeoffice kann unter folgenden Voraussetzungen zur Betriebsstätte im Sinne des OECD-MA werden:
- Dauerhafte Nutzung durch den Arbeitnehmer
- Unternehmensbezogene Tätigkeit
- Maßgeblicher Einfluss des Unternehmens auf Einrichtung und Nutzung
Der Betriebsstättenbegriff nach dem OECD-MA ist insofern weiter gefasst und entspricht nicht dem restriktiven Ansatz des deutschen Steuerrechts. Während Deutschland hohe Hürden für die Annahme einer Homeoffice-Betriebsstätte aufstellt, können internationale Standards bereits bei geringeren Voraussetzungen eine Betriebsstätte bejahen.
Der „Rettungsanker“: Hilfstätigkeiten
Art. 5 Abs. 4 OECD-MA besagt, dass bloße Hilfstätigkeiten keine Betriebsstätte begründen. Dies kann als Schutz dienen, wenn Arbeitnehmer ausschließlich unterstützende Funktionen im Homeoffice im Ausland ausüben.
Internationale Unterschiede: Das Österreich-Beispiel
Die Bandbreite der Betriebsstättenbewertung zeigt sich deutlich im internationalen Vergleich: Während Deutschland einen restriktiven Ansatz verfolgt und die Auffassung des OECD-MA etwas weiter gefasst ist, handhaben viele andere Länder das Thema noch großzügiger. So kann zum Beispiel in Österreich bereits die mehrmonatige Tätigkeit im Homeoffice zu einer steuerlichen Betriebsstätte führen, wenn sie über eine gelegentliche Nutzung hinausgeht. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer keinen anderen regelmäßigen Arbeitsplatz hat oder die Tätigkeit im Homeoffice vertraglich angeordnet ist, gehen die österreichischen Behörden in der Regel von einer ausreichenden Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Wohnung aus.
Fazit: Auf die Kontrolle kommt es an
Die unterschiedlichen steuerlichen Bewertungen von Homeoffice-Betriebsstätten zwischen Deutschland und der OECD und anderen Staaten können insbesondere in Outbound-Konstellationen erhebliche Probleme verursachen. Während viele Staaten sich am OECD-Musterkommentar orientieren und Homeoffice-Betriebsstätten bejahen, sieht Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Unternehmens in solchen Fällen häufig keine ausländische Betriebsstätte vor. Diese Diskrepanz kann zur Doppelbesteuerung führen, wenn andere Staaten ihr abkommensrechtlich zugesichertes Besteuerungsrecht bzgl. der Homeoffice-Betriebsstätte geltend machen, während Deutschland das Unternehmen weiterhin nach dem Welteinkommensprinzip besteuert.
Unternehmen mit international tätigen Homeoffice-Mitarbeitern sollten diese Risiken systematisch analysieren und entsprechende Vorkehrungen treffen, um kostspielige Überraschungen zu vermeiden.
Der ständige Vertreter als kleiner Bruder der Betriebsstätte
Auch ohne physische Präsenz oder Geschäftsleitungsbetriebsstäte kann der grenzüberschreitende Einsatz von Personal zu einer Steuerpflicht des Arbeitgebers außerhalb seines Ansässigkeitsstaats führen, wenn Personen ihn regelmäßig im Ausland repräsentieren.
Für einen solchen ständigen Vertreter ist keine physische Betriebsstätte erforderlich. Deshalb können auch Personen, die nur im Homeoffice tätig sind, zu einer Steuerpflicht des Arbeitgebers im betreffenden Staat führen. Dies ist typischerweise der Fall ist, wenn Arbeitnehmer im Ausland nachhaltig mit Vollmacht des Arbeitgebers nach außen agieren. Auch Geschäftsführer und Vorstände können ständige Vertreter sein, z.B. wenn sie regelmäßig in einem anderen Staat Verträge für ihr Unternehmen unterzeichnen.
Deutschland: Weiter Begriff des ständigen Vertreters
Nach deutschem Steuerrecht (§ 13 AO) ist ständiger Vertreter eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig
- Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt oder
- einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.
Folgen eines ständigen Vertreters
Hat ein ausländisches Unternehmen in Deutschland einen ständigen Vertreter, unterliegt es insofern der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer und es ist verpflichtet, für seine in Deutschland ansässigen Arbeitnehmer Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.
Die materiellen Folgen eines ständigen Vertreters sind in vielen Fällen überschaubar, weil ihm häufig nur relative geringe Gewinne zugerechnet werden können. Dazu kommt, dass der ständige Vertreter ohne feste Geschäftseinreichung anders als die physische Betriebsstätte nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung nicht der Gewerbesteuer unterliegen kann.
Allerdings ist ein ständiger Vertreter immer mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden. So muss sich das ausländische Unternehmen in Deutschland steuerlich registrieren, die dem ständigen Vertreter zurechenbaren Gewinne nach deutschen Steuervorschriften ermitteln, Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärungen abgeben und Lohnsteuer für seine in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter abführen.
Der engere OECD-Standard
In den Doppelbesteuerungsabkommen wird der ständige Vertreter zumeist als abhängiger Vertreter bezeichnet. Der Begriff des abhängigen Vertreters ist häufig enger als der Begriff des ständigen Vertreters. Auch eine unabhängige Person kann ständiger Vertreter sein. Zudem sehen viele ältere DBA vor, dass der abhängige Vertreter eine Abschlussvollmacht haben muss.
Die Pflicht zur Registrierung und Abgabe von Steuererklärungen besteht auch, wenn Deutschland die Gewinne des ständigen Vertreters gar nicht besteuern darf, weil die Person nicht die engeren Voraussetzungen eines abhängigen Vertreters nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen erfüllt.
Abkommensrechtliche Betriebsstätte eines Taxiunternehmens in den Räumen einer Taxifunkzentrale (BFH, Urteil v. 18. Dezember 2024 – I R 47/21)
In einer neuen Entscheidung befasst sich der BFH mit der Frage, ob „personenbeschränkte Nutzungsstrukturen“ (wie z. B. Standcontainer im vorliegenden Fall, oder Schließfach, Spind, oder Schrank in der jüngeren BFH-Rechtsprechung) für die Begründung einer Betriebsstätte relevant sind.
Sachverhalt: Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer betrieb ein Taxiunternehmen mit Sitz in einer Schweizer Taxi-Funkzentrale. Dort standen ihm ein Schreibtisch zur Mitbenutzung und ein mit seinem (Firmen-)Namen beschrifteter Standcontainer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Der Büroraum war insgesamt mit drei Schreibtischen ausgestattet, die jeweils über einen PC, Bildschirme und ein Telefon verfügten. An ein bis zwei Tagen pro Woche erledigte er dort regelmäßig zentrale administrative Aufgaben wie Buchhaltungsvorbereitung, Rechnungswesen und Personalverwaltung. Neben dem Kläger hatten noch zwei weitere Taxiunternehmer ihre Geschäftsadresse im Büroraum der Taxizentrale und nutzten jeweils einen eigenen Standcontainer und ein Postablagefach.
Entscheidung: Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass die Büroräumlichkeiten in der Schweiz keine Betriebsstätte darstellen und Deutschland als Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht an den Gewinnen des Taxiunternehmers zusteht. Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass in der Schweiz eine abkommensrechtliche Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 DBA-Schweiz begründet wird und die Schweizer Einkünfte des Taxiunternehmers in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei sind.
Feste Geschäftseinrichtung: Es wurde bestätigt, dass die mitgenutzten Räumlichkeiten des Taxiunternehmers eine feste Geschäftseinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz darstellen. Die örtliche Verbindung der Geschäftseinrichtung muss nicht auf einer mechanischen Verbindung mit der Erde beruhen, sondern kann sich aus der bloßen Belegenheit an derselben Stelle ergeben. Neben der örtlichen Verbindung erfordert die feste Geschäftseinrichtung eine zeitliche Komponente (sie darf nicht nur vorübergehend sein, sondern muss nach bisheriger BFH-Rechtsprechung mindestens sechs Monate andauern). Die Merkmale der örtlichen und zeitlichen Festigkeit sind nicht isoliert zu betrachten, sondern stehen in Wechselwirkung zueinander, sodass eine ausgeprägte Ausprägung des einen Merkmals Rückschlüsse auf das Vorliegen des anderen zulässt.
Dauerhafte Verfügungsmacht: Damit von einer Betriebsstätte ausgegangen werden kann, müssen die Räumlichkeiten dem Steuerpflichtigen dauerhaft rechtlich oder zumindest konkludent zur Nutzung überlassen sein. Eine zeitlich auf die jeweilige Tätigkeit beschränkte (Mit-)Benutzung oder nur gelegentliche Nutzung genügt dagegen nicht. Seit der Unternehmensgründung nutzt der Taxiunternehmer die Büroräumlichkeiten in der Schweiz dauerhaft, wobei ihm jederzeit ein Arbeitsplatz zur Erledigung seiner Büroarbeiten zur Verfügung steht. Der BFH sieht in der dauerhaften Überlassung „personenbeschränkter Nutzungsstrukturen“ (z. B. ein eigener beschrifteter Standcontainer mit Schlüssel) ein Indiz für eine dauerhafte Verfügungsmacht.
Keine Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten: Im Streitfall leistete der Steuerpflichtige bei der Taxifunkzentrale in der Schweiz nicht nur untergeordnete Bürotätigkeiten, sondern führte dort auch zentrale Geschäftsfunktionen aus. Dazu zählten beispielsweise die Personalverwaltung, das Rechnungswesen sowie die Überwachung sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Pflichten. Im Rahmen dessen bereitete er die laufende Buchführung vor, beglich Rechnungen und sichtete Kreditabrechnungen. Laut dem BFH-Urteil handelt es sich bei diesen wesentlichen Unternehmensfunktionen nicht um vorbereitende oder nur unterstützende Tätigkeiten im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. e DBA-Schweiz. Vielmehr zählen geschäftsleitende und administrative Aufgaben regelmäßig zur Haupttätigkeit eines Unternehmens, auch wenn sie nicht unmittelbar der Leistungserstellung von Gütern oder Dienstleistungen dienen.
Gewinnzurechnung: Da das Taxiunternehmen nur eine einzige Betriebsstätte in der Schweiz hatte, wurden sämtliche Gewinne dieser Betriebsstätte zugerechnet (keine Beschränkung auf ausgehenden Wertschöpfungsbeitrag von personenbeschränkten Nutzungsstrukturen).
In unserer Blogserie „Fokus steuerliche Betriebsstätte″ informieren wir Sie umfassend über alle praxisrelevanten Fallgestaltungen, rechtliche Besonderheiten sowie die sachgerechte Handhabung begründeter Betriebsstätten.