Deutschland hält an der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer fest. Die Steuerbefreiung des Familienheims eignet sich zur frühzeitigen Planung der Vermögensnachfolge.
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer kann zu erheblichen Belastungen bei der Vermögensnachfolge führen. Ein Vermögenstransfer, der über die Freibeträge hinausgeht (z.B. bei Ehegatten EUR 500.000 und bei Kindern EUR 400.000), unterliegt der Besteuerung mit Steuersätzen von 7% bis 30%. Daher ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob Steuerbefreiungen, wie z.B. für Familienheime, in Anspruch genommen werden können.
Die lebzeitige Zuwendung des Familienheims an Ehegatten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) und der Erwerb des Familienheims von Todes wegen an den Ehegatten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) und die Kinder (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG) ist steuerfrei. Beim Erwerb von Todes wegen ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung, dass der Erwerber das Familienheim unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt. Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Familienheim nach dem Erbfall weniger als zehn Jahre zu eigenen Wohnzwecken weiternutzt (sog. Nachversteuerungstatbestand). Bei Kindern als Erwerber ist weitere Voraussetzung, dass die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.
Familienheim – Bebautes Grundstück mit Wohnung als Mittelpunkt des familiären Lebens
Unter einem Familienheim wird ein im Inland, der EU oder EWR belegenes und bebautes Grundstück, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, verstanden. Das entscheidende Kriterium ist dabei, ob die Wohnung den Mittelpunkt des familiären Lebens bildet. Es ist unerheblich, welchen Wert das Familienheim hat, sodass sowohl kleine Wohnungen als auch Luxusimmobilien im Wert von mehreren Millionen Euro steuerfrei übertragen werden können. Folgende praxisrelevante Beispiele sollen einen Überblick über die Einordnung als Familienheim geben:
- Ferien- und Zweitwohnungen sind wegen des sich dort regelmäßig nicht befindlichen Mittelpunkts des familiären Lebens kein Familienheim. Eine bloße Ummeldung als Hauptwohnsitz reicht ohne weitere Nachweise für den Lebensmittelpunkt ebenfalls nicht aus.
- Eine teilweise Nutzung zu anderen als Wohnzwecken – bspw. ein Arbeitszimmer – ist unschädlich, wenn die Nutzung zu Wohnzwecken die andere Nutzung wesentlich überwiegt. Andernfalls ist die Steuerbefreiung auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Teil zu beschränken, da sich der Mittelpunkt des familiären Lebens nur in diesem und nicht in dem anders genutzten Teil befindet. Ein Arbeitszimmer ist hierbei allerdings regelmäßig unschädlich.
- Garagen und sonstige Nebenräume sind in die Begünstigung mit einzubeziehen, wenn diese sich auf demselben Grundstück befinden.
Steuerbefreiung des Familienheims bei Aufgabe des Eigentums
Das Eingreifen eines Nachversteuerungstatbestands sorgt regelmäßig für gerichtlichen Klärungsbedarf. Zuletzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) sich in einem aktuellen Urteil mit Datum vom 11. Juli 2019 – II R 38/16 mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Rechtsstellung des Erwerbers während der Selbstnutzung zu stellen sind. Konkret ging es darum, ob der Erwerber während der zehnjährigen Selbstnutzung zugleich Eigentümer des Familienheims sein muss oder ob die Aufgabe des Eigentums unter gleichzeitigem Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchsrechts ausreicht.
Die Klägerin erwarb von Todes wegen Miteigentum an einem Einfamilienhaus, welches sie mit dem Erblasser, ihrem Ehemann, bis zu seinem Tod bewohnt hatte. Hierfür gewährte das Finanzamt zunächst die Steuerbefreiung. Sodann übertrug die Klägerin unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchsrechts das Miteigentum unentgeltlich auf ihre Tochter. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Änderungsbescheid mit der Begründung, die Steuerbefreiung sei durch die Aufgabe des Eigentums entfallen.
Der BFH folgte dem und entschied, dass der Erwerber während des Zehnjahreszeitraums Eigentum bzw. Miteigentum an dem Familienheim behalten muss. Hierfür spreche der Wortlaut, der Wille des Gesetzgebers und der Sinn und Zweck der Norm.
In dem Nachversteuerungstatbestand heißt es, die
Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt.
Die Bezugnahme auf den Erwerb bringe zum Ausdruck, dass ein Fortbestehen des durch den Erwerb geschaffenen Rechtszustandes und damit von Eigentum des überlebenden Ehegatten Voraussetzung für den Erhalt der Steuerbefreiung ist. Zudem sei die Formulierung „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken″ nur dahingehend zu verstehen, dass eine Eigentümerstellung während der Selbstnutzung erforderlich sei.
Der Gesetzgeber verfolgte den Zweck, den Eheleuten das sogenannte Familiengebrauchsvermögen krisenfest zu erhalten. Dieser Schutz sei bei einer Eigentumsübertragung nicht mehr erforderlich. Deshalb sei die Steuerbefreiung insgesamt restriktiv auszulegen, sodass eine nachträgliche Aufgabe des Eigentums unter Vorbehalt eines lebzeitigen Nießbrauchsrechts trotz der weiterhin erfolgenden Selbstnutzung steuerschädlich sei und zu einem Entfallen der Steuerbefreiung führe.
Gegen eine restriktive Auslegung der Steuerbefreiung von Todes wegen spreche auch nicht die korrespondierende Regelung zur lebzeitigen Übertragung des Familienheims zwischen Ehegatten. Die Norm regle durch die Übertragung zu Lebzeiten einen anderen Lebenssachverhalt und sieht insbesondere keinen Nachversteuerungstatbestand vor, so dass sie deshalb nicht entsprechend anwendbar sei.
Irrelevant sei nach Ansicht des BFH auch, ob die Eigentumsübertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt und an welche Person das Eigentum übertragen wird. Eine Unterscheidung sei im Nachversteuerungstatbestand nicht angelegt. Bei einer unentgeltlichen Übertragung erhalte der Erwerber zwar keine Mittel für eine Steuernachzahlung, jedoch entfalle die Steuerbefreiung rückwirkend auch in anderen Konstellationen, in denen der Erwerber keine Mittel erhält, wie z.B. bei einem längeren Leerstand.
Steuerbefreiung des Familienheims bei Renovierung
Der BFH hat sich mit Urteil vom 28. Mai 2019 – II R 37/16 zur Steuerbefreiung für ein Familienheim im Fall der Renovierung geäußert. In dem Urteilsfall ging es um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der unverzüglichen Selbstnutzung als Familienheim.
Der Kläger erbte von seinem am 5. Januar 2014 verstorbenen Vater ein selbstgenutztes Zweifamilienhaus. Im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, hat der Kläger Angebote von Handwerkern eingeholt und damit mit der Renovierung begonnen. Die Arbeiten am Haus haben im Juni 2016 begonnen.
Der BFH versagte die Steuerbefreiung, da der Kläger nicht unverzüglich nach dem Erbfall das erworbene Zweifamilienhaus zur Selbstnutzung bestimmte. Unverzüglich (iSd § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1 ErbStG) bedeute ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Angemessen sei regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten.
Nach Ablauf von sechs Monaten müsse der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie eine Renovierung der Wohnung, seien ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten. Dieser Nachweis war dem Kläger im Urteilsfall nicht gelungen. Gründe können zum Beispiel sein, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung oder wegen der Klärung von Fragen zum Erbfall oder wegen gravierender Mängel an der Wohnung verzögert.
Rechtsprechung zur Steuerbefreiung des Familienheims weiterhin restriktiv
Die jüngste Rechtsprechung zeigt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim im Hinblick auf den Nachversteuerungstatbestand und die unverzügliche Selbstnutzung weiterhin restriktiv ausgelegt wird. Vor diesem Hintergrund ist aus gestalterischer Sicht die Übertragung des Familienheims zu Lebzeiten auf den anderen Ehegatten vorzuziehen.
Die Übertragung zu Lebzeiten ist nicht an eine sich an den Erwerb anschließende zehnjährige Selbstnutzung gebunden. Hierdurch besteht kein Risiko einer Nachversteuerung. Gerade bei hochpreisigen Immobilien kann das Finanzamt nicht unerhebliche Steuernachzahlungen verlangen, die bei einer frühzeitigen Planung der Vermögensnachfolge wirksam verhindert werden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Steuerbefreiung durch eine einmalige Übertragung nicht verbraucht wird. Entscheidend ist nur, dass die Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung als Familienheim genutzt wird. Sofern die Ehegatten den familiären Lebensmittelpunkt nach der Übertragung verlagern, kann das „neue″ Familienheim mehrfach steuerfrei übertragen werden (R E 13.3 Abs. 5 S. 4 ErbStR). Die Grenze bildet dabei jedoch stets der Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO.
Bei einer lebzeitigen Übertragung des Familienheims ist es sinnvoll, Widerrufsvorbehalte in die Schenkungsverträge aufzunehmen, um ungewünschte Rechtsfolgen zu vermeiden. Dies bietet sich insbesondere an, wenn unklar ist, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind. Die Schenkung kann dann widerrufen werden, wenn die Steuerfreiheit der Übertragung des Familienheims nicht anerkannt wird. Die Steuer erlischt in diesem Fall mit Wirkung für die Vergangenheit.
Die Familienheimschaukel
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit bietet die sogenannte Familienheimschaukel. Hierdurch kann im Ergebnis erreicht werden, dass ein Familienheim und zusätzlich Geldvermögen im Wert des Familienheims (das heißt wertmäßig zweimal das Familienheim) steuerfrei zwischen Ehegatten übertragen wird. Dazu schenkt der eine Ehegatte dem anderen das ursprünglich in seinem Eigentum stehende Familienheim zunächst und erwirbt dieses entgeltlich nach dem Verstreichen einer sogenannten „Schamfrist″ wieder zurück. Schließlich nach Abwarten einer erneuten „Schamfrist″ verschenkt der Ehegatte das Familienheim erneut steuerfrei an den anderen Ehegatten. Die „Schamfrist″ sollte dabei bestenfalls mehrere Jahre betragen. Bei dem Rückerwerb ist außerdem ein marktüblicher Preis anzusetzen. Die Grenze bildet auch hier der Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.
Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit der Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht oder auch mit der Steuerbefreiung des Familienheims.