11. Juli 2024
Interne Untersuchung
Interne Untersuchungen

Interne Untersuchungen – Wieso, weshalb, warum?

In dieser Blogserie unternehmen wir deep dives zu verschiedenen rechtlichen Aspekten, Chancen und Risiken von (unternehmens-)internen Untersuchungen. 

Die interne Untersuchung (abgeleitet vom dem aus dem US-amerikanischen stammenden Begriff der „Internal Investigation“) ist als wesentliches Aufklärungsinstrument ein wichtiger, mittlerweile fest etablierter Baustein im Compliance Management System – aus guten Gründen. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat die sachgemäße Aufklärung erneut an Bedeutung gewonnen. Die interne Untersuchung birgt rechtliche Stolpersteine an den zahlreichen Schnittstellen insbesondere zum Datenschutz-, Arbeits- und Strafrecht. Für Unternehmen bieten sich aber auch erhebliche Chancen. 

Compliance braucht ein angemessenes Compliance Management System 

Im deutschen Recht ist die Grundlage für interne Untersuchungen die Legalitätspflicht der Geschäftsleitung und des Unternehmens. Die Geschäftsleitung ist aufgrund ihrer Organstellung dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass keine Rechtsverletzungen im oder aus dem Unternehmen heraus begangen werden. 

Um die Compliance des Unternehmens zu gewährleisten, müssen angemessene organisatorische Vorkehrungen zur systematischen Vermeidung von Fehlverhalten und Gesetzesverstößen durch Mitarbeiter* getroffen werden. Ein effektives Compliance Management System orientiert sich an der Größe, Struktur und Risikogeneigtheit des jeweiligen Unternehmens. Im Einzelnen haben sich Vorkehrungen bewährt – und bilden heute einen Marktstandard – die folgende Elemente enthalten: Vorbeugen (Prevent), Aufdecken (Detect), Reagieren (Respond) und Verbessern (Improve). 

Gelangen einem Unternehmen Hinweise zur Kenntnis, die auf rechtswidriges Verhalten von Unternehmensangehörigen hindeuten (Verdachtsfall), ist die Unternehmensleitung in aller Regel verpflichtet, angemessene Maßnahmen zur Aufklärung einzuleiten und eine interne Untersuchung zu veranlassen, um ihre Aufsichtspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Anhaltendes Fehlverhalten ist unmittelbar abzustellen und festgestelltes Fehlverhalten ist angemessen zu sanktionieren (sog. Pflichtentrias). 

Die interne Untersuchung klärt etwaige Verdachtsfälle auf

Das wichtigste und wirkungsvollste Instrument zur Aufklärung Compliance-relevanter hinreichender Verdachtsmomente ist die anlassbezogene interne Untersuchung. 

Oft liefert ein interner Hinweis den Anstoß für eine interne Untersuchung, aber auch regelmäßige Überprüfungen können der erste Schritt sein. Die interne Untersuchung umfasst alle strukturierten Maßnahmen eines Unternehmens zur ergebnisoffenen Aufklärung eines Verdachtsmoments im Einzelfall, der auf in oder aus dem Unternehmen heraus begangene Gesetzesverstöße oder Straftaten hindeutet. 

Somit dient eine interne Untersuchung auch dem tatsächlichen Nachweis etwaigen Fehlverhaltens. Damit stellt sie die informationelle Grundlage für sachgerechte Entscheidungen über Reaktionsmaßnahmen dar. Solche Maßnahmen können sein:

  • die Geltendmachung von zivil-, arbeits-, versicherungsrechtlichen Ansprüchen,
  • die Abwehr von straf- bzw. ordnungsrechtlichen Sanktionen, oder jedenfalls die Minimierung der Haftung von Unternehmen und Unternehmensleitung sowie die Eindämmung potentiell reputationsschädigender staatlicher Ermittlungsmaßnahmen, 
  • Maßnahmen zur Verbesserung des Compliance Management Systems. 

Gesetzliche Vorgaben fehlen

Die Zulässigkeit von internen Untersuchungen ist allgemein anerkannt. Die rechtliche Grundlage für die Untersuchungen ist die im deutschen Gesellschaftsrecht verankerte Legalitätspflicht des Unternehmens und der Geschäftsleitung (§ 91 Abs. 2 AktG oder §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG und § 43 Abs. 1 GmbHG). Im Hinblick auf das „Ob“ der Aufklärung kommt der Geschäftsleitung grundsätzlich kein Ermessen zu (Ausnahmen sind möglich, sofern ein Fortdauern des Rechtsverstoßes oder eine künftige Wiederholung auch ohne interne Untersuchung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann).

Allerdings ist der Ablauf einer internen Untersuchung gesetzlich nicht festgelegt. So steht das „Wie“ der internen Untersuchung im Ermessen der Geschäftsleitung. Die Wahl der Aufklärungsmethode und der Untersuchungsmaßnahmen begründet eine unternehmerische Entscheidung, die in den Anwendungsbereich der Business Judgment Rule fällt (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG). 

Die interne Untersuchung kann losgelöst von, vor oder parallel zu behördlichen Ermittlungsverfahren durchgeführt werden. 

Die interne Untersuchung besteht abhängig vom Einzelfall aus verschiedenen Phasen. Mittlerweile haben sich Best Practices entwickelt. Anerkannte Aufklärungshandlungen sind die umfassende Auswertung von Daten und Dokumenten, die Befragung in Form von Interviews und die Durchführung von Hintergrundrecherchen. Bedeutsam ist dabei eine ordnungsgemäße Dokumentation auch für eine spätere gerichtsfeste Verwertung. 

Die interne Untersuchung birgt rechtliche Stolpersteine …

Die Legalitätspflicht gilt auch für die interne Untersuchung selbst, welche selbst Compliance-Maßnahme ist und nicht zu non-compliance führen darf. Bei der Durchführung der internen Untersuchung sind die gesetzlichen Grenzen stets zu beachten. Insbesondere das Datenschutz- und das Arbeitsrecht sind hier hervorzuheben, da sie einige Fallstricke bei der Durchführung interner Untersuchungen bieten. Unternehmen haben keine hoheitlichen Ermittlungsbefugnisse und Verstöße gegen einschlägige gesetzliche Vorgaben können zu individueller Strafbarkeit, Bußgeldern und Reputationsschäden führen.

Eine gute Vorbereitung und Planung der internen Untersuchung, sowie die Unabhängigkeit der ermittelnden Personen sind deshalb essenziell. So sind regelmäßig strukturelle Vorarbeiten auf Seiten des Unternehmens erforderlich. Aufgrund der Komplexität oder aufgrund von (potentiellen) Interessenkonflikten werden häufig externe Rechtsanwälte mit der Durchführung einer internen Untersuchung beauftragt. Sie können die Rechtmäßigkeit der Untersuchung gewährleisten und die Befunde für das Unternehmen unmittelbar rechtlich einordnen. 

… und bietet maßgebliche Chancen

Ein wesentlicher Vorteil ist die Möglichkeit durch etwaig aufgedeckte Defizite das interne Compliance Management System des Unternehmens systematisch verbessern zu können. Das führt oftmals zur Abwendung größerer Schäden. 

Die interne Untersuchung und der unternehmensinterne Umgang mit ihrem Ergebnis ist darüber hinaus wesentlich für die Festigung einer positiven Compliance-Kultur im Unternehmen, in der Speak-up gefördert und gutgläubig abgegebene Hinweise ernst genommen werden sowie festgestelltes Fehlverhalten abgestellt und angemessen sanktioniert wird. Dies trägt wesentlich zum langfristigen Unternehmenserfolg bei.

Ein weiterer großer Vorteil interner Untersuchungen besteht in der Aussicht auf eine Honorierung durch Aufsichts- und Ermittlungsbehörden. Durch die interne Untersuchung gewonnene entlastende Informationen kann das Unternehmen zu seinen Gunsten anführen. Aber auch belastende Informationen können die Basis für eine Kooperation mit den Aufsichts- oder Ermittlungsbehörden bilden. Der Informationsaustausch kann den Weg bereiten für die Einstellung eines laufenden Ermittlungsverfahrens, für den Abschluss einer Vergleichsvereinbarung oder zumindest für maßvolle Ermittlungsmaßnahmen. So hat der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie bereits im Jahr 2012 in Bezug auf die Sanktionsnorm § 30 OWiG vertreten, ein effektives Compliance Management könne bußgeldmildernd zu berücksichtigen sein (BT-Drucks. 17/11053, S. 21). 

Der BGH hat dies wiederholt bestätigt (BGH, Urteil v. 27. April 2022 – 5 StR 278/21; BGH, Urteil v. 9. Mai 2017 – 1 StR 265/16). Schließlich bildet das Nachtatverhalten eine wesentliche Säule in der Bemessung von Strafen und Geldbußen.

Strafanzeige 

Grundsätzlich sind Unternehmen gesetzlich nicht verpflichtet, Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Organmitgliedern oder ein ihnen straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich zuzurechnendes Fehlverhalten bei der Strafverfolgungsbehörde anzuzeigen (mit Ausnahme weniger gesetzlicher Regelungen). 

Zu beachten ist jedoch, dass es aufgrund einer sorgfältigen Abwägung im Einzelfall im Interesse des Unternehmens sein kann, den Sachverhalt gegenüber den staatlichen Ermittlungsbehörden anzuzeigen. 

Davon zu unterscheiden sind Offenlegungspflichten und -obliegenheiten des Unternehmens gegenüber Fachbehörden oder Geschäftspartnern. Besonders hervorzuheben ist etwa die Berichtigungspflicht einer abgegebenen Steuererklärung (§ 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO).

Fazit: Interne Untersuchungen als Teil der Compliance

Die interne Untersuchung spielt eine wichtige Rolle im unternehmensinternen Compliance Management System und erfüllt eine präventive als auch eine repressive Funktion. So bleibt festzuhalten – Compliance lohnt sich! 

In den nächsten Wochen folgen vertiefende Beiträge zum detaillierten Ablauf der Untersuchungen, Interviews, Arbeitsrecht, Datenschutz, Amnestie, der Bedeutung von ESG und vielem mehr. 

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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